Page 11 - Freizeit Tirol Magazin Ausgabe 29
P. 11

Zeitfahren, geht es beim RAAM um die Ausdauer.
Das setzt ein ganz anderes Training voraus. Das
zweite ist der mentale Aspekt: Körperlich bist
du irgendwann am Ende, dann entscheidet nur
mehr der Kopf. Wenn du die Tour fährst, bist du
immer im Team, im Fahrerfeld, hast deine Helfer.
Beim RAAM musst du jeden Meter alleine fahren,
ohne Windschattenfahren, das ist verboten. Dazu
kommen weitere Faktoren, die es so schwierig
machen, wie Schlafentzug, Hitze, du fährst durch
Städte auf Autobahnen mit viel Verkehr. Somit
sind die beiden Rennen nicht vergleichbar!
Wie ist das Zuschauerinteresse beim RAAM,
was nimmst du als Fahrer wahr?
Wenig. Ich erinnere mich an ein paar Situationen,
wo Leute auf der Strecke waren. Das ist dann
aber etwas ganz Besonderes! Mitten in Kansas,
nach Mitternacht, standen zwei Zuschauer mit
einem Schild. Oder einer, der um 5 Uhr in der
Früh im Regen wartete und mich anfeuerte.
Diese Momente, ich denke, es war so 6–7-mal,
geben dir mehr, wie wenn Tausende anonyme
Besucher neben dir stehen.
Nun sind deine Projekte ja immer mit einem
Charityprojekt zur Ausrottung der Kinderläh-
mung verbunden. Was konnte heuer erradelt
werden?
Dieses Jahr sind es 277.000 Dollar. Insgesamt,
seit wir das machen, sind es 4,6 Millionen Dollar.
Ich bin ja im Viererteam das RAAM 4-mal gefah-
ren, als Solostarter jetzt das zweite Mal. In dieser
Summe ist die Verdreifachung der Spenden
durch die Bill und Melinda Gates Foundation
(jeder gespendete Betrag wird im Verhältnis 2:1
bezuschusst) aber schon eingerechnet!
Denkst du an eine weitere Soloteilnahme am
Race Across America?
Nein. Aus mehreren Gründen: Es ist ein enormer
finanzieller und organisatorischer Aufwand.
Und wie ich heuer festgestellt habe, kommst du,
was das Gesundheitliche betrifft, auch an deine
Grenzen. Es passieren Sachen, wie das Lungen-
ödem, die nicht so „ohne“ sind. Ich habe rund
6 Wochen nach Beendigung immer noch taube
Finger, die linke Hand ist kaum einsetzbar. Alle
meine gesundheitlichen Probleme in diesem Jahr
werden sich lösen, aber es ist grenzwertig!
Aber die Radpension steht nicht unmittelbar
bevor?
Nein, das eine oder andere „Ultra-Abenteuer“
kommt sicher. Was mich reizt, sind 24-Stunden-
Rennen oder nochmals das Nordkap 4000. Da
bist du komplett auf dich alleine gestellt, musst
alles selber organisieren, das hat mehr Aben-
teuercharakter! Gestartet wird das Rennen in
Norditalien, das Ziel ist immer das Nordkap. Die
Strecke ist rund 4.500 Kilometer lang und ver-
läuft jedes Jahr etwas anders. Mittlerweile sind
rund 500 Teilnehmer am Start. Die Bandbreite
ist extrem: Es gibt Fahrer, die das Rennen sehr
sportlich und schnell angehen. Andere nehmen
sich bewusst Zeit und genießen es. Es gilt eine
Mindestzeit von 12 Tagen, das bedeutet, du
kannst das Rennen fahren, ohne dass du Nächte
durchfahren musst. Die Teilnehmer schlafen
hier überall, egal ob im Schlafsack unter der
Brücke oder als wilde Camper oder in Hotels.
Als ich 2023 fuhr, waren von 14 Tagen 12 Tage
Regen – da bist du dann schon froh, wenn du im
Hotel übernachten kannst! Wobei ich festgestellt
habe, dass du beim Dauerregen eine stoische
Gelassenheit entwickelst: Du nimmst es, wie es
kommt. Wenn du so alleine unterwegs bist, hat
das einen Vorteil: Dann wirst du total gelas-
sen. Denn es hört dir ohnehin niemand zu, da
brauchst du dann auch nicht zu schimpfen!
Text: Bernhard Schösser, Fotos: Kurt Matzler, Bernhard Schösser
freizeit-tirol.at
11




















   9   10   11   12   13