Page 14 - Freizeit Tirol Magazin Ausgabe 22
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Franz Posch
 Zurück zur Musik. Was ist für dich Volksmu- sik?
Volksmusik ist Laienmusik und ein Wesensmerk- mal ist, dass jede Region ein bisschen anders klingt. Man kann sie auch mit dem Dialekt, den Bräuchen oder den Trachten vergleichen, die sind ja auch überall verschieden. Früher waren die Gegenden, die Regionen viel mehr abgeschie- den. Gerade aus den Tälern ist man im Winter oft nicht rausgekommen und es haben sich eine eigene Sprache, eine eigene Musik und eigene Bräuche entwickelt. Rein musikalisch gesehen, muss man hier nicht studieren und auch keine Noten kennen, sondern einfach probieren. So sind durch einfache Möglichkeiten oft große Werke entstanden. Ich habe in meiner Gruppe zum Beispiel einen Harmonikaspieler, der gran- diose Ideen hat, aber keine Noten kennt und aus dem Fundus seiner jahrzehntelangen Erfahrung schöpft.
Obwohl du so viel gesehen und gehört hast, wo lernst du am meisten?
Ich lerne viel von den anderen und begebe
mich oft zu den Ursprüngen von Musikstücken. Ich werde auch nicht müde, die Musikanten aufmerksam zu machen, nicht auf ihre Wurzeln zu vergessen. Sie sollen sich wieder mehr alte Stücke anhören und wirklich zuhören, was früher gespielt wurde. Wir leben in einer Zeit, wo immer mehr nivelliert wird und dieses Angepasste be- kommt man auf Spotify und auf vielen anderen Kanälen. Früher haben die Musikanten einfach zusammengespielt und so lange probiert, bis
es schön geklungen hat. Das ist sicherlich der
bessere Weg, um das Gehör oder auch seine Fertigkeiten zu verbessern, als sich etwas down- zuloaden und Noten vorgesetzt zu bekommen.
Das heißt, von den anderen lernen ist besser, als sich nur auf YouTube und Co. zu konzent- rieren?
Volksmusik ist mehr als nur von den Noten runterzuspielen. Da gehört ein bisschen etwas Erdiges, vielleicht sogar etwas Dreckiges dazu. Es geht um diese Nuancen, um dieses Gefühl, was man hier zu Boden bringt. Beim Jazz ist das auch das Gleiche. Es geht ums Feeling und das ist viel mehr. Es sind oft die Kleinigkeiten, die man gar nicht messen kann, die nachher Großes ausma- chen, dass der Funke überspringt.
   Als ehemaliger Musiklehrer: Wie siehst du die Entwicklung im Musikschulwesen?
Der Wert der Musikschulen ist nicht nur das Unterrichten, sondern dass man auch andere Werte mitbekommt – das Zuhören, das Auf- nehmen, das vom anderen Lernen oder das
sich gemeinsam auf ein Konzert vorzubereiten. Das Musikschulwesen war noch nie so gut
wie heute. Natürlich wird besser gespielt, weil alle eine super Ausbildung bekommen. Leicht kritisch möchte ich aber anmerken, dass manche Kreativität verloren geht, weil alles schon fertig gesetzt wurde und alles irgendwo abrufbar ist. Das Entdecken und Versuchen gehören auch zur Kreativität dazu.
Kommt der traditionellen Volkskultur in die- sen Zeiten eine besondere Bedeutung zu?
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