Biathlon ist eine immer beliebtere Wintersportart, die sich aus den Disziplinen Skilanglauf und Schießen zusammensetzt. Beim Langlauf handelt es sich um eine Ausdauer-, beim Schießen um eine Präzisionssportart. Geschossen wird im liegenden und stehenden Anschlag, Reihenfolge und Häufigkeit sind dabei von der Disziplin abhängig. Zunächst war der Biathlonsport eher eine Randsportart, wurde aber konsequent und erfolgreich zu einem Sport weiterentwickelt, der publikumswirksam über das Fernsehen vermarktet wird. Seit Anfang der 1990er-Jahre steigt das Zuschauerinteresse stetig an, so dass Biathlon heute insbesondere in Deutschland zu den beliebtesten Wintersportarten zählt. Auch in Österreich, traditionell ja ein Land der Alpinskirennläufer, ist Biathlon beliebt. Nicht zuletzt wegen Anna Gandler, die für Rot-Weiß-Rot startet und schon in jungen Jahren sehr erfolgreich war. FREIZEIT-TIROL traf die sympathische Athletin kurz vor dem Saisonstart in einer Trainingspause zum ausführlichen Gespräch.
Anna, stell dich unseren Lesern doch mal kurz vor!
Ich bin die Anna Gandler, bin Biathletin im ÖSV, 24 Jahre jung, wohne in Innsbruck und starte für den SC Kitzbühel.
Du hattest ja schon sehr früh Erfolge?
Ja, das stimmt, ich war Jugendweltmeisterin und Junioreneuropameisterin.
Dein Vater Markus Gandler, selbst ein sehr erfolgreicher Langläufer, hat dich vermutlich, wie alle besorgten Väter, sehr früh zum Sport gebracht?
Richtig, ich bin tatsächlich mit 2 Jahren das erste Mal auf Skiern gestanden. Logischerweise waren das Langlaufski. Auf Alpinski bin ich in meinem Leben 10 bis maximal 15-mal gestanden. Das traue ich mich in Tirol fast nicht zu sagen…! Mein erstes Rennen bin ich so mit 6 oder 7 Jahren gelaufen. Den ersten Biathlonwettkampf habe ich mit 8 Jahren gemacht, normalerweise startet man hier mit Training und Wettkämpfen ab Zehn.
Wie kann man sich die österreichische Biathlonszene allgemein vorstellen?
Ich denke, in Österreich haben wir so 150 bis 200 aktive Biathleten. Das ist zum einen die Szene „Luftdruckgewehr“, also die Schüler zum Anfangen. Hier schätze ich, dass das so 70 bis 80 sind. Ab 16 Jahren darf man dann Kleinkaliber verwenden. Ich vermute, das sind so rund 100 Aktive im Land. Natürlich ist die Langlaufszene alleine wesentlich größer. Durch die Hobbyläufer und vielen Veranstaltungen, wie zum Beispiel den Volksläufen, ist im Winter immer einiges los. Das ist ähnlich wie im Sommer mit den Rennradfahrern. Auch in der Langlaufszene gab es vor allem in Skandinavien Ultrarennen über mehrere Etappen. Betrachtet man die Größe der Langlaufszene weltweit, wird sie ziemlich gleich mit der Szene der Alpinskifahrer sein.
Wie sieht der Jahresablauf bei Anna Gandler aus?
Nun, von November bis März bestreite ich Wettkämpfe. Eigentlich jedes Wochenende, in drei Blöcken, quasi in Trimester aufgeteilt. Dazu kommt Olympia oder die Weltmeisterschaften, die in nichtolympischen Jahren stattfinden. Von Ende März bis Juni folgen lange Ausdauereinheiten, hier versuche ich noch möglichst viele Kilometer am letzten Schnee zu ergattern. Auch auf dem Rad sammle ich in diesen Monaten sehr viele Stunden. Von Juni bis September ist der Trainingsumfang immer noch recht hoch, das Training wird aber intensiver. Von Ende September bis November, zum Start der Wettkampfsaison, werden die Stunden reduziert. Dafür kommen nun die richtig harten Trainingseinheiten dran. Ich persönlich komme im Jahr so auf rund 700 Stunden, ein paar andere Athleten trainieren bis zu 1.000 Stunden im Jahr.
Du machst das ja hauptberuflich. Wie kann man in Österreich vom Biathlonsport leben?
Nun, das Preisgeld der IBU (Internationale Biathlon Union) ist schon recht ok, würde ich sagen. In der vorletzten Saison konnte ich ganz gut davon leben, obwohl ich noch nicht die Beste war. Natürlich helfen mir auch die Sponsoren dabei.
Wie sehen deine Pulswerte beim Wettkampf aus? Wie ist das mit dem Puls beim Schießen?
Der Durchschnittspuls bei einem Wettkampf beträgt bei mir circa 180, Maximalpuls bis zu 195. Das ist aber bei jedem Athleten individuell. Beim Liegendschießen bin ich im Durchschnitt auf 140-150 und stehend 160-170.
Was ist die Siegprämie bei einem normalen Weltcup?
Bis jetzt waren es 15.000 Euro, jetzt wurde es auf 20.000 Euro erhöht. Bis zum 30. Rang gibt es Geld, aktuell wird überlegt, dass bis zum 40. Rang etwas verdient werden kann. Bei der Weltmeisterschaft ist die Siegesprämie sogar 25.000 Euro.
Biathlon fasziniert die Zuseher ja einerseits durch die enorme Anstrengung beim Langlaufen, andererseits durch die schnelle und präzise Schussabgabe. Wie schaffst du es, nach dem Anhalten sofort eine ruhige Hand zu haben?
Im Biathlon spielt die Atmung eine entscheidende Rolle. Beim Liegendschießen nutzen wir einen Unterstützungsriemen am Arm, der das Gewehr stabilisiert und so für mehr Ruhe im Anschlag sorgt. Im Stehendschießen hingegen ist deutlich mehr Bewegung im Gewehr – das lässt sich nicht vollständig vermeiden. Hier kommt es darauf an, die Atmung bewusst zu nutzen, um die Bewegung zu kontrollieren und den Schuss im richtigen Moment zu setzen.
Wie läuft es in der internationalen Rennszene im Biathlon? Gibt es Dominatoren wie aktuell Tadej Pogačar bei den Radfahrern, wo man eigentlich nur mehr um Platz Zwei kämpft, wenn er antritt?
Ja, bei den Männern hat es das gegeben. Das waren in der jüngsten Vergangenheit Johannes Thingnes Bø oder auch Martin Fourcade. Bei uns Mädels ist es etwas durchmischter. Es gibt einige Damen, von den man weiß, sie können auf das Podium laufen, doch es gibt abwechselnde Siegerinnen.
Was ist dafür das beste Alter?
Nun, die Blüte ist so mit 26 oder 27 Jahren. Bei den Frauen kommt dann die Überlegung einer Familiengründung, daher sind die meisten mit 30 Jahren am Ende ihrer Karrieren. Die älteste Dame momentan ist 35 Jahre, bei den Herren ist übrigens der Österreicher Simon Eder mit 42 Jahren immer noch mit dabei.
Was hast du jetzt für die Saison 2025/26 für Ziele, Pläne und Wünsche?
Ich habe für den kommenden Winter meine Ziele abgeändert. Letzte Saison war brutal schwierig, da ich sehr viel krank war. Ich musste die Saison letztendlich sogar frühzeitig beenden. Daher ist für heuer das Ziel Nummer Eins gesund zu bleiben. Dann ist es mir wichtig, wirklich gut in die Wettkämpfe hinein zu gehen, in jedem Rennen alles zu geben. Dann weiß ich, dass ich auch ein gutes Ergebnis erreichen kann. In der Vergangenheit hatte ich mir da sehr oft selbst zu viel Druck gemacht. Beispielsweise mit dem Wunsch nach dem ersten Podiumsplatz. Wenn du das dann am Ende der Saison nicht erreichst, bist du voll enttäuscht. Jetzt möchte ich das Rennen mit der Gewissheit beenden, 100 Prozent in allen Bereichen gegeben zu haben, dann bin ich zufrieden. Natürlich plane ich bei Olympia, das ja gegen Ende der Saison stattfindet, in Topform zu sein, was ich zu diesem Zeitpunkt normalerweise ja bin. Und somit in Italien um eine Medaille mitzukämpfen! Dieses Ziel haben wir für die Staffel auch schon seit einiger Zeit.
Was macht Anna Gandler privat? Laut Wikipedia bist du mit dem französischen Biathleten Émilien Claude liiert?
Ja, das stimmt. Er startet für das französiche A-Team der Herren. Ich spreche französisch mit ihm, da ich das sehr schnell gelernt habe. Mit meinen Eltern redet er deutsch, auch das funktioniert. Da ich ja fast keine Zeit habe, fallen mir jetzt nicht wirklich Hobbies ein. Ich habe mal sehr lange Geige gespielt, ist das ein Hobby? (lacht). Ja, und ich höre sehr viel Musik, quer durch fast alle Genres, vor allem Radio und Popmusik.
Text: Bernhard Schösser










