Da der Laufsport boomt, gibt es natürlich damit einhergehend auch kleinere und größere Schmerzen und Wehwehchen. Es empfiehlt sich daher nicht erst nach einer Verletzung oder dem Auftreten permanenter Schmerzen neben dem passenden Schuh auch der Gang zum Fachmann. Einer dieser Experten ist Paul Kühnelt-Leddihn, der in Innsbruck die Praxis „Fortschritte“ betreibt und unter anderem auf Läufer spezialisiert ist – nicht zuletzt wegen seiner umfassenden Gang- und Laufanalysemöglichkeiten. FREIZEIT-TIROL blickte in die Hightech-Praxis und erfuhr die Details.
Verschiedene Laufstile sind derzeit ja in aller Munde - was empfiehlt sich aus Sicht eines Sportphysiotherapeuten?
Jeder Laufstil hat seine Vor- und Nachteile. Vorfußläufer findet man eher im Kurz- und Mittelstrecken Bereich, während beim Marathon Mittelfuß- und Fersenläufer dominieren. Jeder Laufstil hat Vorteile, aber eigene Risiken für Überlastungserscheinungen und Probleme. Der Untergrund spielt ebenfalls eine Rolle: einerseits, laufe ich in der Ebene oder auch bergauf oder bergab? Beispielsweise ist die Haltung und die Höhe des Körperschwerpunktes eines Trailrunners und Bergläufers anders, als die eines Straßenläufers. Es spielen somit bei der Betrachtung des Laufstils - neben Körpergröße, Kraft, Längenverhältnisse der Extremitäten und des Rumpfes- auch die gewünschte Distanz, der Untergrund und das sportliche Ziel eine große Rolle.
Was soll man als Läufer bei Problemen machen?
Bei Schmerzen sollte die Ärztin/der Arzt des Vertrauens aufgesucht werden, die /der im Falle von Gelenks- oder Muskelprobleme meist Röntgen und orthopädische bzw. traumatologische Untersuchungen anschließt und dann mit der Sportler Möglichkeiten und Therapiemöglichkeiten bespricht und einleitet. Eine Gang- oder Laufanalyse kann anschließend bei der Ursachensuche bzw. der Aufklärung der Folgen helfen.
Mit welchen Problemen kommen Läufer zu dir?
Das ist sehr breit gefächert, aber hauptsächlich sind es Schmerzen, die jemanden zur Therapie bringen. Die Gang und die Laufanalyse helfen, hier die Ursache einzugrenzen. Das, was weh tut, ist oftmals Opfer - nicht der Täter! Gemeinsam begeben wir uns auf die Suche, warum es weh tut. Die Gelenke, die betroffen sind, sind meist das Knie- oder das Sprunggelenk, aber auch das Hüftgelenk spielt hier eine größere Rolle. Aber auch Faszien (z.B. an der Fußsohle) oder die Menisci sind oft Schwachstellen, die eine solche Belastung nicht aushalten.
Worin liegt der Vorteil der Ganganalyse im Vergleich zu einem Röntgen?
Die Ganganalyse ist das Mittel, um alles in Bewegung zu betrachten, denn Gelaufen wird ja auch nicht im Stand! Strahlungsfrei können bei uns die Auswirkung auf den Boden, die Gelenksstellungen, Körperhaltung und die Arbeit der Muskeln während eines Schrittes betrachten. Sie ist ein weiterer Puzzlestein bei der Betrachtung des Problems! Wenn man das Grundproblem erkannt hat, kann man dann auch rasch und gerichtet daran arbeiten. Die Gang- oder Laufanalyse bei einem Therapeuten zielt darauf ab, als Grundlage für die Erstellung des Therapieplans zu dienen!
Wie wird die Ganganalyse vorbereitet?
Im Normalfall hat der Sportler schon Kontakt mit einem Arzt oder ist sogar schon in Therapie. Nach Kontakt mit unserer Praxis wird ein Termin für ein unverbindliches Erstgespräch vereinbart. Grundstock sollte hier eine Schmerzarmut oder-freiheit sein, da man ansonsten die Schonhaltung oder die Ausweichbewegungen misst und nicht das normale Gehen oder Laufen.
Wie kann man sich die Ganganalyse vorstellen?
Bildlich gesprochen: das Ganze ist wie ein Sonntagskrimi - das Problem oder der Schmerz ist die Sonntagsleiche, zusammen schauen wir uns den Tatort an, bestimmen Verdächtige und nehmen die in ein Kreuzverhör - wenn wir den Täter haben, dann bearbeiten wir ihn...
Im Detail heißt das: Bei der Analyse schauen wir uns zuerst den Stand an - dazu erfassen wir mit speziellen Drucksensoren alles, was am Boden ankommt. Nach dem Gewöhnen an das Gehen am Laufband messen wir über 1 Minute - barfuß und mit den Schuhen. Die nächste Messung wird von mehreren Kameras aufgezeichnet, deren Videos laufen dann durch ein 3D Motion Capture, die Gelenksbewegungen erkennt, berechnet und bei der anschließend in die Sportlerin das eigene Skelett hineingerechnet wird. Hierzu wird in jedem Gelenk ein Koordinatensystem berechnet. Zusätzlich können wir über kleine tragbare Sensoren die Muskelaktivität von oberflächlichen Kennmuskeln messen.
Als Output erhalten wir erhalten wir ein Skelettmodell vom Probanden am Computer, das wir aus allen Richtungen betrachten können und das auch geht und läuft. In den schriftlichen Berichten erhalten wir dann die Bewegungen von Hüfte, Knie und Sprunggelenk in allen 3 Ebenen, sowie die Muskelaktivitäten - dabei werden alle aufgezeichneten Schritte auf einen Mittelwert mit Standardabweichung berechnet. Die Videos der einzelnen Kameras und die Bilder der einzelnen Gangphasen komplettieren dann die Ergebnisse.
Das können wir für Gehen, Laufen, aber auch andere Anforderungen: Gehen mit Rollator, auf Stiegen, sportartspezifische Bewegungen usw. Für die Laufanalyse muss man sich nochmals Einlaufen und dann kann diese erfolgen.
Nach der Analyse finden die klinischen therapeutischen Tests statt. Auf Basis der Ergebnisse wird dann in der Regel der Therapieplan mit seinen Zielen erstellt, um die Probleme anzugehen.
Am Ende der Therapie erfolgt dann eine Abschlussmessung um den Erfolg bzw. das weitere Vorgehen zu kontrollieren und im Anschluss erhält der Patient die gesammelten Daten.
Was passiert in der Therapie?
Abhängig vom jeweiligen Problem werden zielgerichtet Übungen und Techniken, aber auch Elektro- und Lasertherapie ausgesucht. Ein weiterer Benefit ist, dass man einzelne Sachen auch im Biofeedbacktraining üben kann - mit Daten vom Laufband und Livevideo!
Aus welchen weiteren Gründen kommt man sonst zur Gang- oder Laufanalyse?
Manche möchten ihren Laufstil präventiv anschauen lassen. Hier erfolgt die Betrachtung und therapeutische Empfehlungen vorbeugend – auch ohne Therapie. Eine sinnvolle Abklärung für motivierte Laufsportler, die fit bleiben wollen!
Wie lange dauert es?
Die Analyse eineinhalb bis zwei Stunden, die Änderung im Bewegungsablauf länger - abhängig von Alter und der erkannten Problematik. Die Therapiedauer richtet sich nach den Symptomen. Umstellungen sollten immer langsam erfolgen, die eines Laufstils in Begleitung und Supervision von einer Trainerin oder eines Trainers. Bei Umstellungen müssen alle Strukturen wie Plantarfaszie, Sehnen, Bänder, Muskeln und Gelenke ihre individuelle Anpassungszeit bekommen, dies kann auch Wochen und Monate dauern.... Das Ziel ist es ja, nach einer Anpassung keine neuen Probleme zu bekommen!
Was spielt der Schuh für eine Rolle beim Laufen?
Eine wichtige - er muss passen! Er muss dem Laufstil, dem Untergrund und der Person entsprechen. Schuhe sind aber immer auch ein guter Indikator für die Gewohnheiten eines Läufers, hier schaue ich gerne auf Alter, Kilometerleistung und übermäßige Abnutzungen- ähnlich wie bei einem Autoreifen!
Was ist deine Motivation zu dieser doch sehr seltenen Art der Therapie?
Was ich früher nur im Rehazentrum, bzw. der Universitätsklinik machen konnte, ist dank moderner Technik jetzt ambulant für Patientinnen bzw. Sportler möglich. Die Möglichkeit den Ursachen auf die Spur zu kommen und diese abzuarbeiten ist die Zukunft, gemäß unserem Motto: "Geht‘s gut, lauft‘s besser!"
Persönlich motivieren mich aber immer wieder Bilder vom Zieleinlauf von ehemaligen Klienten, die vor Analyse und Therapie wegen Schmerzen den Laufsport schon beinahe abgeschrieben hatten!
Infos: www.fortschritte.at
Fotos: Bernhard Schösser (www.eventfotos.tirol)