„Alles Steudl, oder was?!“

Vor fast 100 Jahren konnte man beim „Steudler“ in Uderns Butter gegen Stoffe tauschen oder mit den Wirtsleuten des Zillertals Schnaps probieren. Es wurde gesungen, gelacht und so manche Neuigkeit in Umlauf gebracht. Heute findet an diesem Ort das alljährliche Steudltenn-Festival statt, ein weit über das Zillertal hinaus bekanntes Theaterfestival, das mit seiner Vielfalt an Produktionen immer zu begeistern weiß. Nicht nur hinter all den Ideen und Produktionen sondern auch mitten drin, steht die Gründerin Bernadette Abendstein. FREIZEIT-TIROL traf die kreative Zillertalerin vor Ort zum Gedankenaustausch.

Steudltenn? Was hat es damit auf sich?
Nun, der „Steudler“ ist der Bauernhof hier. Es ist nicht nur meine Heimat, ich bin die „Steudl Bernadette“, hierher führt der Steudlweg. Logischerweise heißt das Festival somit „Steudltenn“, da es ja in der 700 Jahre alten Tenne unseres Hofes beheimatet ist.

Du bist ja selbst Schauspielerin, schildere doch kurz deinen beruflichen Werdegang.
Ein Freund von mir besuchte die Schauspielschule in Innsbruck. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass man die Schauspielerei als Hauptberuf wählen konnte, das gefiel mir, das wollte ich auch. Also kaufte ich mir ein Reclamheft und lernte daraus einen Text zum Vortragen. Der Leiter der Schauspielschule, Emo Cingl, befand, dass ich den Text ganz schlecht vorgesprochen hatte, erkannte aber mein Talent. Das war der Einstieg, ich wechselte nach Graz und weiter nach Wien. Dort landete ich auf der Schauspielschule von Elfriede Ott am Konservatorium der Stadt Wien. Zum Einstieg gab es eine Woche lang die Aufnahmeprüfung, an der mehr als 500 Interessierte teilnahmen. Jeden Tag erfolgte ein Auswahlverfahren, bis am Schluss 12 Leute überblieben. Ich war damals am ersten Tag gleich wieder nach Graz zurückgefahren, da ich mir keine Chancen ausrechnete. Eine Freundin rief mich abends an und teilte mir mit, dass ich noch „im Rennen war“. So schaffte ich es, jeden Tag weiterzukommen, was für mich natürlich ein unglaubliches Erfolgserlebnis bedeutete, so nach dem Motto „Hollywood wartet“. Das war der Beginn von vier Jahren komplexer Ausbildung. Ich lernte fechten, tanzen, singen, sprechen, erhielt dramatischen Unterricht. Im zweiten Jahr der Ausbildung begann ich in den Wiener Kammerspielen und spielte anschließend fünf Jahre im Theater an der Josefstadt. Dort durfte ich mit sehr vielen tollen Kolleginnen und Kollegen auftreten. Mein erstes Kammerspielstück war mit Ossi Kollmann, ein super Kollege! Ich war immer sehr aufgeregt. Jedes Mal, wenn ich von der Bühne abging, meinte er: „Bravo Bernadette!“ Bei 260 Vorstellungen im Jahr lernst du auf jeden Fall Disziplin. Mit der Zeit nervte es mich aber, dass ich nicht mitreden durfte. Nur die Stars wie Otto Schenk durften das im sehr hierarchischen System des Theaters. So reifte nach 12 Jahren in der tollen Stadt Wien in mir der Wunsch, selber ein Theater zu haben.

Der Beginn von Steudltenn?
Ja, das stimmt. Ich hielt nach Möglichkeiten, etwas zu machen, Ausschau. Zu dieser Zeit lernte ich Hakon Hirzenberger kennen, von dem ich wusste, dass er das Know How, ein Theater aufzubauen und zu managen, hatte. Auch suchten wir einen passenden Ort, wobei ich das immer schon zuhause machen wollte. Denn wenn ich irgendwo spielte, reiste immer eine Abordnung aus meiner Heimat an, um zu sehen, was ich machte. Ich fand das schade, dass nicht mehr Leute das sehen konnten, was mir so viel bedeutet. So war es mein Traum, professionelles Volkstheater zurück nach Hause zu bringen. Wie der Zufall es wollte, stand mein Vater kurz vor der Pension. Er fragte uns drei Schwestern, wer den Hof übernehmen wolle. Eine Schwester wollte das als Biobauernhof in kleinerer Form fortführen. Das brachte mich auf die Idee, in der nun freiwerdenden Tenne Theater zu spielen. Mein Vater fand das eine super Idee. Hakon inszenierte damals am Waldviertler Hoftheater ein Stück und lud zur Generalprobe in unsere Tenne. Auf Bierbänken, mit Spinnweben, Holz und Staub garniert, erfolgte diese Generalprobe, zu der wir ein paar Besucher*innen geladen hatten. Es gefiel allen. Daraufhin räumte mein Vater als Mann der Tat im Alleingang über den Winter die Tenne komplett aus, während wir uns die Konzeption und das Programm überlegten. Im ersten Jahr, 2011, hatten wir gleich 5.000 Besucher*innen!

Gibt es Elemente im Programm, die seit damals dabei sind?
Ja, Nelson, der Pinguin. Der war von Anfang an dabei. Es gibt mittlerweile drei Teile davon, eigentlich schon vier. Dieser ist aber wegen Corona liegen geblieben, ich denke, dass wir ihn 2025 zur Aufführung bringen werden.

Wie sehen die Besucherzahlen bei Steudltenn aus?
Letztes Jahr hatten wir rund 12.000 Besucher*innen. Wir haben auch während der Pandemie gespielt mit einem ausführlichen Coronakonzept.

Wenden wir uns dem aktuellen Programm 2023 zu
Wir haben am 12. April gestartet und spielen bis zum 15. Juli, das ist eine sehr lange Spielzeit. Wir spielen heuer 9 Premieren, zusammen mit dem gesamten Rahmenprogramm kommen wir auf rund 85 Vorstellungen.

Was wird momentan gespielt?
Die „Extrawurst“. Das ist eine Komödie von Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob. Es geht um einen Tennisclub, der in der Versammlung schnell den Beschluss fassen möchte, einen Griller zu kaufen. Aus Rücksicht auf ein türkisches Mitglied im Tennisclub, denkt man über den Erwerb eines weiteren Grillers nach. Was zunächst unkompliziert und einig erscheint, entwickelt sich sehr skurril und lustig.

Wie kommt ihr zu euren Stücken?
Hakon ist für das künstlerische Programm verantwortlich. Sein Ziel ist es, Produktionen zu finden, die Geschichten erzählen, die amüsant sind und mit denen das Publikum etwas anfangen kann. Es sind heuer alles zeitgenössische, aktuelle Autor*innen. Wichtig ist uns neben dem Humor aber, dass die Komödien durchaus einen Sinn enthalten. Wie auch beim Stück „Kleine Eheverbrechen“ von Eric-Emmanuel Schmitt, das am 30. Mai Premiere hat: Das ist eine sehr spannende Geschichte zwischen Mann und Frau. Ein Mann hat bei einem Unfall sein Gedächtnis verloren. Als er nach Hause kommt, hat er die Hoffnung, sich in der gewohnten Umgebung wieder zu erinnern. Doch man weiß nie genau, hat er jetzt überhaupt sein Gedächtnis verloren oder ist sie überhaupt seine Frau?

„Achtsam Morden“, ein Bestseller-Roman von Karsten Dusse, hat am 07. Juni Premiere. Ein Stück, das die Themen „Achtsamkeit“ oder „Work-Life-Balance“ thematisiert: Ein Rechtsanwalt mit Frau und kleiner Tochter vertritt die Mafia. Das ist für ihn sehr stressig. Seine Frau möchte von ihm, dass er für die Tochter einen Kindergartenplatz findet und ein Achtsamkeitsseminar macht, ansonsten würde sie sich von ihm scheiden lassen. Der Anwalt findet Gefallen an der neu gewonnen Lebensqualität. Doch während er mit seiner Tochter eine solche „Quality Time“ eingeplant hat, muss er den Mafiaboss im Kofferraum aus der Stadt rausschmuggeln und eine abenteuerliche Geschichte nimmt ihren Lauf…

Auch musikalisch wird etwas geboten?
Ja, „Elvis – ein Traum von Graceland“ von Hakon Hirzenberger und Rupert Henning hat am 29. Juni Premiere. Es geht dabei um das Ende von Elvis, quasi ein musikalisches Abenteuer in den letzten Tagen des Lebens des King of Rock`n`Roll. Martin Bermoser, der den Elvis spielt, singt auch live.

Ihr habt ja auch ein sehr prominent besetztes Rahmenprogramm...?
Das stimmt, im April waren bereits Felix Mitterer und Bischof Hermann Glettler hier. Anfang Mai Christian Dolezal und Markus Linder. Wir freuen uns auf Maxi Blaha (21. Mai) und Harald Schmidt (22. Mai)! Am 10. und 11. Juni beehrt uns Philipp Hochmair mit Adalbert Stifters „Hagestolz“. Am 09. Juli ist Erwin Steinhauer bei uns zu Gast, einen Tag später Gerti Drassl. Für alle Kinder gibt es am 01. Juli den Original Wiener Praterkasperl. Unser Kreativworkshop für Kinder von 4-10 Jahren „Schön Knarzen“ findet am 26. Mai, 02. Juni und 16. Juni statt. Und den „Markttag beim Steudler“, wo es Echtes und Frisches von heimischen Bauern, Gärtnern, Fischern und Sennern zu kaufen gibt, sperren wir ein weiteres Mal am 01. Juli von 09.00 – 12.00 Uhr auf! Um 11 Uhr kommt ebenda auch der originale Wiener Praterkasperl. Für alle ab 13 Jahren, gibt es am 16. und 17. Mai „Die Räuber“ von Raoul Biltgen nach Motiven von Friedrich Schiller.

Da bleibt mir nur noch dir als Veranstalterin und allen Besucher*innen ein erfolgreiches und unterhaltsames Steudltenn 2023 zu wünschen!

Alle Termine: www.steudltenn.com

Fotos: Gerhard Kainzner, Sabine Hauswirth, Christian Wind, Bernhard Schösser
Text: Bernhard Schösser