Anna Pixner: Downhill-Skate-Queen

Die 25-jährige Innsbruckerin, Anna Pixner, ist die schnellste Downhill-Skaterin in Österreich und brettert mit rund 90 km/h bergab. Trotz extrem vieler Termine schaffte es Anna zum ausführlichen Interview mit FREIZEIT-TIROL, zu dem sie standesgemäß mit dem Board anrollte.

Anna, du bist die schnellste Österreicherin auf dem Skateboard.
Ja, weil das nicht so viele Mädels machen (lacht), in Österreich bin ich aktuell rennmäßig alleine. Alle anderen haben damit in den letzten Jahren aufgehört. Im Weltcup bin ich somit die einzige Starterin für Österreich.

Jetzt klingt deine Sportart in Tirol schon etwas exotisch, nicht so wie Fußball oder Schifahren. Wie bist du auf die Idee gekommen, das professionell zu betreiben?
Eigentlich ist es mir so passiert. Es war nicht so, dass ich mir vorgestellt habe, das einmal zu machen. Auch hätte ich nie daran gedacht, dass mir so etwas Extremes einmal Spaß machen würde. Ich wollte immer in einem Skatepark skaten, habe mich aber nie getraut. Ich war ein sehr schüchternes Mädchen und wollte nicht, dass mir alle zusehen. Daher habe ich mir vor rund 10 Jahren ein Longboard gekauft, da ich dachte, damit unbeobachtet ein wenig herumrollen zu können. Ich bin in St. Nikolaus aufgewachsen und eines Tages sah ich einen Skater, der vom Alpenzoo herunter gefahren kam. Zufällig traf ich diesen Skater, Quirin Ilmer, am Landhausplatz in Innsbruck wieder, wo er einen Workshop gab. Er wollte andere Leute motivieren, mit ihm zu fahren. Als er mich und mein Longboard sah, sprach er mich gleich an, mit ihm zu skaten und andere Spots zu besuchen. Ich ging damals noch zur Schule bei den Ursulinen und empfand es als introvertierter Mensch sehr entspannend am Abend zu üben und alleine vom Alpenzoo herunter zu fahren. Da diese Sportart wenige machen, ist es immer noch so, dass man für sich alleine sein kann. Nicht so wie in einem Fußballverein. Während der Schulzeit habe ich diverse Sportarten ausprobiert: Leichtathletik, Basketball, Schwimmen, das hat mir alles sehr gut gefallen, mich gleichzeitig aber wegen der vielen Menschen immer ziemlich gestresst.

Somit hast du deine Introvertiertheit durch Extremsport überwunden?
Ja, eigentlich schon. Jetzt fühle ich mich viel wohler mit Leuten, die ich nicht kenne. Das war früher ein ziemliches Problem für mich. Die Community der Skater ist wie eine Familie, egal in welchem Land. Alle pushen sich gegenseitig und unterstützen einander. Das hat mir sehr geholfen, dass ich mehr aus mir heraus gehen konnte, weil ich mich unter diesen Leuten sehr wohl fühle.

Wie sieht es mit Unfällen aus?
Ich hatte einmal einen schlimmen Crash, dadurch hat sich mein Mindset verändert. Ich denke mir, ich muss die Sachen jetzt machen. Daher habe ich mein Masterstudium pausiert, weil ich wissen will, was jetzt geht. In solchen Sportarten bekommst du die Option Profi zu sein nur einmal. Sobald du etwas älter bist, sind die Sponsoren nicht mehr so interessiert.

Wie sieht deine Ausrüstung aus?
Ich habe einen extra für das Skaten angefertigten Lederanzug. Ähnlich einem Motorradoutfit, mit dem man sich aber besser bewegen kann. Diesen trage ich bei Rennen, oder wenn ich sehr schnell fahren will. Dazu kommen Knieschützer und ein Vollvisierhelm, ebenso ziehe ich immer einen Rückenprotektor an. Das Outfit ergänzen Handschuhe mit Pucks, das sind Plastikaufsätze, die rutschen sehr gut. Somit reißt es mir nicht die Hand weg. So kann ich besser bremsen oder, wenn ich mich in der Kurve hineinlege, besser abstützen.

Wie kann man sich jetzt die professionelle Rennszene beim Downhill-Skateboard vorstellen?
Dadurch, dass unsere Szene so klein ist, kommt man schnell dazu, bei internationalen Rennen starten zu können. In manchen Ländern gibt es zwei bis drei Rennen, in anderen dafür keine. Die Rennszene ist sehr international. Ich fahre morgen nach Tschechien, dorthin kommen auch Fahrer aus Australien oder aus den USA. Es ist spannend immer auf neuen Strecken zu fahren, die man nicht kennt. Wenn du weit herumreist, sind die Bedingungen ganz anders, auch der Asphalt ist unterschiedlich in den verschiedenen Ländern. Diejenigen, die richtig Rennen fahren wollen, richten ihr Leben danach aus. Sie suchen Jobs, die es ihnen ermöglichen, anschließend mehrere Monate am Stück auf Wettkämpfe zu fahren. Da der Weltcup ja auf alle Kontinente verteilt ist, gibt es ja unterschiedliche Saisonen: Der Start ist im Februar in Australien. In Europa findet die Tour immer so im Juli und August statt, vorher, im April und Mai, ist Asien dran. Der Abschluss ist in Südamerika im Oktober, weil dort dann der Frühling beginnt. Wenn du die komplette Tour mitfahren willst, brauchst du von Februar bis Oktober Zeit. Da sehr wenig Geld in unserer Sportart steckt, können sich das nur die Wenigsten leisten. Auch die Weltbesten müssen zwischenzeitlich etwas arbeiten. Großteils treffe ich die gleichen rund 200 Leute auf jedem Rennen, was den Weltcup sehr familiär macht.

Wie laufen diese Rennen ab?
Wir fahren meist auf abgesperrten Pässen oder auf anderen gut geeigneten Straßen. Diese sind normalerweise ziemlich abgelegen, da die Rennen immer drei Tage dauern: Der erste Tag dient zum Üben und um sich an die Straße zu gewöhnen. Am zweiten Tag sind Qualifikationsläufe auf Zeit, mit Einzelstarts, jeder fährt für sich. Am dritten Tag ist dann das Finale, hier starten wir, ähnlich wie beim Boardercross, jeweils zu viert. In der Regel sind diese Straßen drei Tage gesperrt. Wenn es ein wichtiger Pass ist, werden zwischendurch immer wieder Autos durchgelassen. Es gibt Heuballen als Absicherungen in den Kurven. Das war mit ein Grund, warum ich damals mit dem Rennfahren begann: Ich dachte mir, es ist viel sicherer bei einem Rennen mitzufahren als alleine irgendwo anders zu üben. Denn es gibt ja keine offiziellen Strecken zum Trainieren.

Wie sind deine aktuellen Resultate?
Eigentlich läuft es momentan ganz gut. Ich hatte 2018 einen Unfall und dachte mir, ich beende das Rennfahren. Nach der Corona-Zwangspause wollte ich es heuer nochmals so richtig versuchen. Ich war für zwei Monate in Brasilien, wo ich bei zwei Wettkämpfen jeweils den zweiten Platz belegte. Ein Rennen in Italien habe ich sogar gewonnen.

Wenn man sich die finanzielle Seite ansieht – was bringt dir jetzt beispielsweise so ein Sieg in Italien?
Nun ja, eigentlich nichts. Es gibt mittlerweile ein paar Rennen, bei denen es ein wenig Preisgeld zu verdienen gibt, besonders in Brasilien ist das ganz gut aufgestellt. Umgerechnet habe ich dort jeweils rund 200 Euro gewonnen, was für die Einheimischen ja nicht so schlecht ist. Grundsätzlich lohnt es sich finanziell nicht, da ja schon mehr Startgeld bezahlt wird, als man verdienen kann. Das versucht man jetzt mit einem großen Event, den alle zwei Jahre stattfindenden „Word-Roller-Games“, zu ändern. Das ist quasi eine kleine Olympiade der Rollsportarten. Also alle möglichen Disziplinen im Rollerblade oder Skateboard. Dort gibt es wesentlich mehr Preisgeld zu gewinnen und es wirkt so, als wäre alles im Wachsen. Die World Roller Games finden heuer im November in Argentinien statt. Generell verbessert sich die gesamte Szene. Seit Skaten olympisch ist, wird diskutiert, ob Downhillskaten auch olympisch werden soll. Da wäre ich dann die österreichische Olympiastarterin!

Wenn du jetzt von 200 Euro Preisgeld in Brasilien berichtest, klingt das stark nach Leben an der Armutsgrenze. Wie finanzierst du deinen Sport?
Neben dem Studium ist das einigermaßen gegangen. Ich bekam ein Schreiben von der Universität, dass ich Mitglied des SLS (Studien - Leistungssport - Team) bin. Somit konnte ich bei Bedarf Prüfungen verschieben, wenn ich einmal nicht hier war. Ich erhielt ein Stipendium und mit einigen Nebenjobs konnte ich alles unter einen Hut bringen. Seit Februar versuche ich es jetzt vollprofessionell und habe zum Glück einige Sponsoren. Von ihnen bekomme ich Kostenzuschüsse für meine ständigen Reisen. In Portugal werde ich von einem lokalen Surfcamp unterstützt, dort kann ich zwischen den Wettkämpfen kostenlos wohnen. Wenn es zeitlich möglich ist, gebe ich noch Workshops zusammen mit dem Surfcamp. Ich hoffe auf eine bessere Unterstützung seitens des Rollsport Verbandes in Österreich. Bisher wurde ich da nicht so ernst genommen, da sich niemand auskennt mit dem, was ich mache. Förderungen werden ja nur für Vereine und Verbände vergeben. Ich kann halt nicht für mich alleine einen Verein gründen. Doch wir haben in letzter Zeit viel Kontakt, es sieht so aus, wie wenn es sich verbessern würde. Auch mache ich aktuell einige Kurzfilme. YouTube und die Social-Media-Kanäle helfen mir ein wenig Content zu verkaufen. Bei Red Bull bin ich mit zwei weiteren Mädels mit dem Filmprojekt „Wolfwomen“ engagiert. Es scheint so, als ob sich Red Bull langsam an diesen Sport herantastet und dann hoffentlich auch Sportler in diesem Metier unterstützt!

Das klingt sehr spannend…
Ist es auch. Es wäre ja fad, wenn ich berichten könnte, dass alles vom Verband bezahlt würde!

 

Text: Bernhard Schösser
Fotos: Gerson Ceschini, Luis Pereira, Rodrigo Bettiol, Bernhard Schösser