Berg(l)auf in Tirol!

Berg(l)auf in Tirol!

Berglauf gilt, im Gegensatz zum trendigen, normalen Laufen, als Randsportart. Trotzdem hat das Laufen am Berg in Tirol Tradition und große Rennen. Die Teilnehmer bei Bergläufen starten aus unterschiedlichsten Gründen. Alle zusammen sind sie aber von den Einblicken und Eindrücken der Natur begeistert, die sie erlaufen. Um tiefer in die Szene einzutauchen, bat FREIZEIT-TIROL Berglaufpapst Franz Puckl aus Going und den Veranstalter des Schlickeralm Laufes, Andreas Stern, zum Gespräch.

Wie ist die geschichtliche Entwicklung des Berglaufes in Tirol?
Franz: 1977, 1978 ist Berglauf in Tirol aufgekommen. Vorher waren es "Märsche". Ich bin zu dieser Zeit viel bei Bergläufen in der Schweiz gestartet. Der SV Brixlegg veranstaltete damals die erste Tiroler Berglaufmeisterschaft. Meine Idee war es, den ersten Lauf auf das Kitzbüheler Horn zu organisieren. Und zwar als einzigen Berglauf, der als Straßenlauf auf einem Gipfel endet. So bin ich zusammen mit Simon Brunner, dem damals besten Tiroler Bergläufer, 1978 beim Radrennen aufs Kitzbüheler Horn als Bergläufer gestartet. Es war ein Test, ob man diese Strecke überhaupt laufen konnte, da man in Kitzbühel der Meinung war: "Wer soll da laufen?". Simon, als Junger, schaffte es im Gesamtklassement der Radfahrer in die ersten 20 Plätze. Ich, mit immerhin schon 42 Jahren, in die Top 50. 1979 fand dann der erste Hornlauf statt. Wir zählten 293 Starter im Ziel! Ich erinnere mich noch genau: Es hatte an diesem Freitag im August rund 25 Zentimeter geschneit. Zum Glück war der Schnee tags drauf beim Rennen auf der Straße geschmolzen, lediglich in den Wiesen daneben lag er immer noch. Es waren viele starke Schweizer Athleten am Start, da wir uns von den dortigen Rennen kannten. Durch meine damalige Tätigkeit im Sporthandel hatten wir im Lauf der Jahre immer super Preise für die Teilnehmer, was zusätzlich Werbung für die Veranstaltung war. 1979, wie in den darauffolgenden drei Jahren, war der Start 100 Meter unterhalb des Zentrums von Kitzbühel, das Ziel war beim Alpenhaus. Ab dem fünften Jahr (bis heute) erfolgt der Start im Zentrum von Kitzbühel und das Ziel ist der Fernsehturm am Gipfel. Interessanterweise haben beide Varianten die idente Länge: 12,9 Kilometer und 1.234 Höhenmeter. Am 27.11.1982 habe ich beim Stanglwirt den "Internationalen Österreichischen Berglaufcup" gegründet, das ist die offizielle Rennserie in Österreich. 36 Jahre später bin ich immer noch der Präsident, wobei ich seit drei Jahren einen Stellvertreter habe.

Andreas: Im Stubai ist das Berglauffieber 1984 mit dem ersten "Stubaier Hüttenmarathon" erwacht. Unsere Staffel (damals SV Schlickeralm) ist auf Anhieb auf den dritten Platz gekommen, hinter der ÖSV Langlaufstaffel und anderen, schon damals bekannten Bergläufern. Mein Bruder, Florian Stern, war kurz darauf schon in der absoluten Weltspitze im Berglauf. Damals war unser Lauf Team sehr erfolgreich und breit aufgestellt, wir konnten Mitte der 1990er Jahre mehrere österreichische Mannschaftsmeistertitel gewinnen. Nachdem der Hüttenmarathon schon bald wieder Geschichte war, hatte Ernst Künz, unser ehemaliger OK Chef, die Idee, den Schlickeralm Lauf zu veranstalten, um Berglauf im Stubaital zu etablieren. Telfes spielt im Berglaufsport somit seit Jahrzehnten eine besondere Rolle. Bereits zweimal trat das "Monte Carlo des Berglaufs: klein, stolz, elitär" (Zitat Kurt Brunbauer) erfolgreich als Austragungsort der Berglaufweltmeisterschaft in Erscheinung (1990 und 1996). Als vielfacher Berglauf Grand Prix-Ort, Ausrichter der Europameisterschaft 2009 sowie der Masters-Weltmeisterschaft 2014, ist Telfes somit einer der Berglaufveranstalter schlechthin.

Wie kann man sich eure Veranstaltungen vorstellen?
Franz: Zur besten Zeit hatten wir rund 700 Starter beim Kitzbüheler Horn Lauf. In den letzten Jahren hat sich die Zahl so bei 200 Startern eingependelt. Das, obwohl ich trotz Präsenz im Internet, 4.100 Einladungen drucken lasse und davon über 2.000 Stück mit der Post versende. Aber es herrscht mittlerweile leider ein Überangebot an Sportveranstaltungen aller Art, auch im Laufsport. Heuer, am 26. August, gibt es zum Jubiläum die 40. Auflage unseres Laufes! Bei uns sind acht bis 20 Leute im Organisationskomitee. Beim Rennen sind dann rund 30 Personen im Einsatz, wobei unser Vorteil ist, dass wir auf der Straße keine Weggabelungen haben, somit keine zusätzlichen Streckenposten brauchen.

Andreas: Wir waren jetzt beim 30. Schlickeralm Lauf am 29. Juli erstmals Ausrichter einer Staatsmeiterschaft. Es starteten rund 350 Starter aus 17 Nationen, auch die stärksten Läufer und Läuferinnen aus Deutschland, da der deutsche Berglaufverband unser Rennen zu einem WM-Qualifikationslauf gemacht hatte. Durch unser attraktives Preisgeld waren aber auch starke Teilnehmer aus Kenia hier, die letztendlich dann auch gewinnen konnten. Wir haben hier beim Schlickeralm Lauf auch viele Starter, die beispielsweise sonst Radler sind, aber bei unserem Rennen mitlaufen, weil es für sie ein toller Wettkampf ist. Andererseits starten bei uns seit Jahren Urlauber, die ihre Sommerferien nach unserem Rennen planen, und dann eine Woche oder länger hier im Stubaital verbringen. Spontan fallen mir zwei Holländer ein, die schon mehr als 10 Mal mitgelaufen sind. Hier beim Rennen direkt arbeiten rund 120 Leute, damit alles reibungslos funktioniert. Im OK Team sind wir acht Personen. Dazu kommen 12 weitere Helfer, also rund 20 Leute, die für dieses Event sehr viele Stunden aufwenden.
 

Warum tut man sich die Schinderei eines Berglaufes an?
Ardreas: Als Schinderei sieht es ein Außenstehender. Der Läufer, die Läuferin verbringt unzählige Stunden in den Bergen zum Training, hat also das massive Naturerlebnis schon bei den Trainingsläufen. Natürlich quält man sich beim Rennen. Es ist der direkte Vergleich mit anderen Athleten, ein Messen der eigenen Leistungsfähigkeit. Aber es ist ein tolles Gefühl, wenn du weißt, du hast die körperliche Fitness, um, wie bei uns, rund 1.200 Höhenmeter hinauf zu laufen. Und schließlich sind die Zuschauermassen, das spezielle Flair, wie wir es hier im Zielbereich haben, zusätzliches Erlebnis und Motivation.

Franz: Da stimme ich vollkommen zu!

Wie gestaltet sich das Training für solche Bergläufe?

Franz: Ein guter Bergläufer läuft im Training einmal die Woche einen Berg hinauf. Der Rest des Trainings ist Laufen im flachen oder welligen, hügeligen Gelände. Würde man nur den Berg hoch laufen, wird man nicht schneller. Ich selbst bin als "Lauffanatiker" alles gelaufen, auch auf der Bahn.

Andreas: Richtig. Ähnlich wie beispielsweise beim Radfahren, wird Grundlagenausdauer beim Laufen im Frühjahr im Flachen trainiert. Die sogenannte "Rennhärte" holen sich die Athleten dann am Berg. Sehr viele sind aber im Winter ohnehin ständig mit Tourenschiern unterwegs.

Wie sieht die Berglaufszene international aus?

Andreas: Die ganz starken Berglaufnationen sind neben Österreich Deutschland, Italien und die Schweiz. Seit Ende der 1990er Jahre dominierte der Neuseeländer Jonathan Wyatt, der insgesamt sieben Mal Berglauf Weltmeister wurde und mittlerweile Präsident des Berglauf-Weltverbandes WMRA ist. Aktuell sind es die Starter aus Kenia, die vorne mit dabei sind: Wenn du ein Weltklasse Marathonläufer bist und gelegentlich Bergläufe machst, bist du in der Lage, solche Rennen zu gewinnen.

Franz: Wobei man schon sagen muss, dass die im Team "Run2gether" organisierten und gemanagten Kenianer in den letzten Jahren die Berglaufszene beherrschen. Sie starten, trotz im Verhältnis zu anderen Sportarten, bescheidenem Preisgeld bei den Läufen, gewinnen und sammeln so im Monat einige tausend Euro ein. Früher waren sieben oder acht von ihnen bei einem Rennen am Start. Jetzt teilen sie sich auf mehrere Läufe auf. Das erfreut die restlichen Starter wenig, da diese, im Gegensatz zu den Kenianern, ja unter der Woche einer anderen Arbeit nachgehen müssen! Obwohl unsere Läufer, wenn sie gut in Form sind, auch die Kenianer besiegen können.

 

Redakteur: Bernhard Schösser
Fotos: Archive A. Stern, F. Puckl