Christian Kössler und der sagenhafte Innsbrucker Totentanz!

Christian Kössler und der sagenhafte Innsbrucker Totentanz!

Die Tiroler Sagenwelt: Düster, schaurig, verschlossen, blutgetränkt und von Nebeln umgeben. Christian Kössler transferiert sie mit seinen Kurzgeschichten äußerst erfolgreich in die Gegenwart. Wie das funktioniert, erzählte er FREIZEIT-TIROL an seinem eigentlichen Arbeitsplatz in der Uni in Innsbruck.

Christian Kössler, ein erfolgreicher Innsbrucker Autor, der sich bis jetzt nicht so im Licht der Öffentlichkeit sonnt wie andere Kollegen. Stell dich doch kurz vor!
Ich bin seit meiner Geburt 1975 Innsbrucker und arbeite seit 2004 an der Universitätsbibliothek als Bibliothekar. Ich bin hier in der Öffentlichkeitsarbeit tätig und möchte 2019 einige Fußabdrücke im Bereich der Tiroler Literaturlandschaft setzen. Beispielsweise mit der "Tirolensie des Monats", einem Buch, das einen Tirol Bezug haben muss - entweder in der Geschichte oder als eine Veröffentlichung eines Tiroler Verlages. Dies ist online auch unter www.uibk.ac.at/ulb aufrufbar. 2004, also zur selben Zeit als ich an der Unibibliothek zu arbeiten begann, habe ich selbst angefangen zu schreiben. Das war im Zuge eines Literaturwettbewerbs, der in Südtirol stattfand. Die Vorgabe des Wettbewerbs war es, eine Sage zu interpretieren oder neu zu erfinden. Mein Text schaffte es von über 180 Einsendungen in die besten 30 und wurde im Rahmen einer Anthologie dann auch abgedruckt. Das war für mich die ausschlaggebende Motivation in diese Richtung mehr zu machen.

Das klingt interessant, wie ging es dann weiter?
2007 ist mein erstes Buch, "Bestialisches Innsbruck" erschienen. Es ist ein schwarzhumoriger, schauriger Stadtführer mit 12 Kurzgeschichten quer durch Innsbruck - für jeden Monat eine. Das Echo und die Kritiken waren sehr gut, so wurde 2009 mein nächstes Werk, "Innsbrucker Totentanz" veröffentlicht. Vom Thema und der Machart ist das Buch gleich wie "Bestialisches Innsbruck", also wieder quer durch die Stadt angesiedelt. 2011 habe ich meinen Radius mit dem Sagenbuch "Unheimliches Tirol" erweitert und in diesem Buch alte Geister- und Teufelssagen überarbeitet und in die Gegenwart verlegt. Es ist eine Rundreise durch alle Bezirke in Nord-, Ost- und Südtirol, auf der die Leser seltsamen Gestalten, Gespenstern und auch dem Teufel begegnen. Die Herausforderung für mich dabei war, diese teilweise über 150 Jahre alten Texte in die Gegenwart zu verlegen und zu "entstauben".

Kurzgeschichten sind dein Metier - warum?
Stimmt, Kurzgeschichten sind mein Lieblingsausdrucksmittel, da du prägnant, kurz und bündig schreiben kannst und alles auf den Punkt bringst. Außerdem kannst du dein Publikum mit einigen abgeschlossenen Kurzgeschichten bei Lesungen bestens unterhalten, was mit Romanen wieder weniger gut gelingen würde, da du ständig mit den Textstellen herumspringen musst. Es macht mir Spaß, mit einem gewissen Augenzwinkern zu schreiben und zusätzlich ein wenig Tiroler Lokalkolorit in die Texte mit hinein zu bringen.

Stichwort "Lesungen", wie sieht das bei dir aus?
Nun, meine vorerst lokalen Lesungen haben sich im Lauf der Zeit sehr ausgeweitet. Mittlerweile habe ich in 15 europäischen Ländern gelesen!

Ehrlich?
Ja, beispielsweise in Skandinavien, dem Baltikum, in Schottland und auch bei einem Literaturfestival in Estland.

Wie funktioniert das?
Du liest auf Deutsch vor einem mehrsprachigen Publikum. Im Hintergrund läuft die Übersetzung auf Estnisch auf großen Monitoren, das ist alles sehr professionell! Natürlich gibt es dort auch deutschsprachiges Publikum wie Professoren oder Studenten, die unsere Sprache beherrschen oder einfach "Auslandsösterreicher". Das Schöne an dieser Tätigkeit ist, dass ich so herumreisen kann, quasi als literarischer Tirol-Botschafter und über unseren Volksglauben vor 150 Jahren erzählen darf. Somit wird ein Stück Tiroler Volkskultur nach außen getragen.

Wie viele Bücher hast du bis jetzt veröffentlicht?
Bis 2017 waren es sechs verschiedene Bücher, alle behandeln den Themenkreis "Unheimliches, Unerklärliches, Schauriges" im gesamten Alpenraum bis Salzburg und Mailand.

Es gibt ja bereits einen Film über eine deiner Geschichten...
2017 sind Felix Gorbach und Moritz Neumayr an mich herangetreten, mit dem Wunsch, meinen Vampirtext "Grenzgänger" zu verfilmen. Es wurde ein Kurzfilm realisiert, der mittlerweile in Tirol zwei Publikumspreise erhielt und 2018 auch in München beim Filmfest "Shocking Shorts Award" nominiert war.

Du bist ja auch sportlich aktiv?
Ja, ich war lange Jahre als Torhüter im Tiroler Fußballunterhaus tätig und bin immer noch Goalie im österreichischen Fußball-Autoren-Nationalteam. Diese Autoren-Teams gibt es in ganz Europa, wir spielen regelmäßig gegeneinander. Letztes Jahr gab es sogar eine eigene Europameisterschaft. Allerdings schreiben diese Herren besser als sie Fußball spielen, dafür ist es nicht so gefährlich wie im normalen Fußball

Thema "Verlag"?
Ich veröffentliche meine Bücher jeweils mit kleinen Tiroler Verlagen, weil hier einfach keine große PR-Maschinerie dahinter steckt. So mache ich im Prinzip fast alles in Eigenregie, werde aber dankenswerterweise sehr vom Künstler und Kreativkopf Thomas Schafferer unterstützt.

Wie sieht der kommerzielle Erfolg deiner Tätigkeit aus?
Mein Problem ist, dass ich nicht eine riesige Vernetzung habe. Meine Bücher sind in der Tyrolia erhältlich und du findest mich bei Amazon, das ist es schon. Wichtig sind mir die Lesungen, hier habe ich direkten Kontakt mit meinem Publikum. Es ist also eher ein Hobby, mit dessen Ausübung ich ein wenig Geld zusätzlich verdiene und auch ins Ausland fahren kann.

Was sind deine nächsten Pläne?
In der ersten Hälfte 2019 kommt in Kooperation mit der Universität Innsbruck ein Buch heraus, in dem einige meiner Sagentexte ins Italienische übersetzt wurden. Für den Herbst habe ich ein neues Sagenbuch geplant.

Hast du keine Angst, dass dir irgendwann einmal die Sagen für deine Geschichten ausgehen könnten?
Eigentlich nicht. Es bietet sich mir eine unglaubliche Schatztruhe von mehreren tausend Sagen und Erzählungen.

Wie findest du diese Sagen?
Relativ einfach: Im Internet unter www.sagen.at. Das ist ein Portal, das ein Innsbrucker Volkskundler erstellt hat, der ebenfalls an der Universität arbeitet. Hier kannst du gezielt nach Regionen auswählen. Zu 80 oder 90 Prozent sind das alles Sagen, die mit dem Unheimlichen, dem Teuflischen zu tun haben, somit perfekt für meine Geschichten! Natürlich kann ich berufsbedingt auch in alten Büchern nachschlagen und recherchieren.

Du musst also nicht die letzten Dorfältesten im hintersten Tiroler Tal befragen, um Stoff für deine Texte zu bekommen?
Nein, glücklicherweise nicht. Obwohl ich schon zum Ort des Geschehens hinfahre, dorthin, wo die Sage spielt und dort fotografiere. Ich will die Stimmung aufsaugen und die Atmosphäre einfangen, um alles in meiner Geschichte richtig beschreiben zu können. Die Grundidee aber kommt immer aus den alten Sagen.

 

Redakteur und Fotos: Bernhard Schösser