Doppelt hält besser!

Am 27. Jänner wurden die Rennrodlerinnen Selina Egle und Lara Kipp in Altenberg (Deutschland) Weltmeister im Doppelsitzer. Da die beiden Tirolerinnen 21 Jahre alt sind, fallen sie eigentlich in die U-23 Klasse. Da sie aber in den zwei Läufen die insgesamt schnellste Zeit aller Teilnehmerinnen hatten, nahmen sie den „normalen“ Weltmeistertitel ebenfalls gleich mit. FREIZEIT-TIROL lud die beiden Sportlerinnen zum ausführlichen Interview.

Wie seid ihr zum Rennrodeln gekommen?
Selina Egle:
Als meine große Schwester Madeleine, die ja sehr erfolgreich ist (z.B. Goldmedaille bei der Europameisterschaft 2024), mit dem Rennrodelsport begann, habe ich sie immer angefeuert. So entstand der Wunsch, ebenfalls Rennrodlerin zu werden. Ich habe mit 6 Jahren angefangen, heuer ist meine 15. Saison.
Lara Kipp: Bei mir war es das Scouting in der Volksschule in Igls. Dort wurde uns eine richtige Rennrodel vorgestellt, alles erklärt und dann gab es die Möglichkeit zum Schnupperrodeln auf der Bobbahn. Das fand ich super cool. Allerdings startete ich erst später mit 13 als ich die Broschüre von damals wieder fand. Da ich zu dieser Zeit keinen Sport machte, begann ich mit dem Rennrodeln.

Da ihr den Rodelsport ja hauptberuflich betreibt – wie sieht euer Jahr aus?
S.E.:
Nun, die Wettkämpfe dauern bis März. Dann haben wir ungefähr einen Monat Trainingspause, die wir für individuelles Training nützen. Ab Mitte April, meistens ab Ostern, startet dann das Sommertraining, welches bis Ende September geht. Ab Anfang Oktober beginnt die spezielle Vorbereitung, wo wir das erste Mal rodeln. Ab November geht es dann wieder mit den Rennen los.
L.K.: Da wir beide beim Bundesheer angestellt sind, können wir das ganze Jahr trainieren und bekommen dafür bezahlt. Sonst wäre das für uns nicht möglich.

Wie sieht euer Sommertraining aus, was macht ihr da?
L.K.:
Zu allererst trainieren wir sehr viel Grundlagenausdauer. Das ist wichtig, um gut durch die Saison zu kommen. Dann folgen Krafttraining und Startspezifik. Wir haben einen eigenen Startcontainer bei der Olympiaworld. Das ist eine vereiste Rampe, auf der wir die Starts simulieren und üben können. Diese Rampe ist ca. 10 Meter lang, wir trainieren hier nur den Startvorgang.
S.E.: Drei Mal in der Woche steht auch Krafttraining auf dem Programm. Je näher es zum Weltcupstart geht, desto mehr werden natürlich Schnellkraft und Mobilisation ein Thema.

Wie gestaltet sich der Weltcupkalender für euch?
S.E.:
Insgesamt sind es rund 20 Rennen mit den klassischen Bewerben und dem Sprintbewerb. Es sind neun Weltcups und eine WM. Bei jedem Weltcup sind entweder Teambewerbe oder der Sprintbewerb mit dabei. Seit heuer ist das Damendoppel im Teamwettbewerb integriert.
L.K.: Beim Sprint fahren wir auf derselben Bahn, doch die Zeit wird später per Lichtschranke ausgelöst. Das hat den Vorteil, dass es auf der kürzeren Strecke kleinere Abstände gibt, was das Rennen interessanter macht.

Könnt ihr finanziell von eurem Sport leben?
S.E.: Nun, dadurch dass wir Heeresangestellte sind, geht das. Wenn wir gute Platzierungen erreichen, sponsert uns die Sporthilfe. Es gibt auch eigene Sponsoren, die uns helfen, wie die Firma Palfinger.
L.K.: Während der aktiven Karriere kann man davon leben, dafür reicht das Geld. Es ist aber nicht so wie beispielsweise bei den Fußballern, dass du danach praktisch nichts mehr tun musst. Anschließend gehen viele von uns zur Polizei. Da hast du nach Beendigung deiner Sportart einen fixen Job. Beim Bundesheer gibt es jetzt zusätzlich eine „duale Karriere“. Du bekommst Geld, wenn du zu studieren beginnst. Das geht bei uns aktuell aber nicht, da wir im Wintersemester nie da sind.

Wie lange plant ihr so weiter zu fahren?
L.K.:
Wir haben uns gegenseitig versprochen bis zu den Olympischen Winterspielen 2026 in Mailand / Cortina d’Ampezzo gemeinsam zu fahren.
S.E.: Dann schauen wir weiter, alles ist offen. So weit voraus wollen wir jetzt noch nicht planen. 2026 ist das Ziel, das wäre unsere erste Olympiade!

Bis zu welchem Alter sind eure Kolleginnen und Kollegen aktiv?
L.K.: Die deutsche Rodlerin Dajana Eitberger ist jetzt 33 Jahre. Unser Teamkollege Wolfgang Kindl wird im April 36. Die meisten sind aber so zwischen 20 und 30 Jahre alt.

Ihr fahrt ja Doppelsitzer, ist es für euch denkbar, auch Einzelsitzer zu fahren?
L.K.: Wir sind ja zuerst Einzelsitzer gefahren. Doppelsitzer bei den Damen ist ja eine junge Disziplin, da das früher nur die Jungs gemacht haben.
S.E.: Für das Gleichberechtigungsprogramm der Jugendolympiade 2020 wurde das Damendoppel eingeführt. Zu diesem Zeitpunkt haben wir begonnen, gemeinsam zu fahren. Zwischenzeitlich hatten wir damit wieder aufgehört, da nicht klar war, ob der weibliche Doppelsitzer fix bei Olympia teilnehmen darf. 2022/23 wurde der Bewerb aber fix in den Weltcup integriert und auch bestätigt, dass er bei Olympia mit dabei ist.
L.K.: Vom Fahren her ist der Doppelsitzer schon unterschiedlich zum Einzelsitzer. Du hast mehr Masse, musst mehr lenken. Du musst miteinander teilen, wie man lenkt, was man lenkt. Aber natürlich ist es jetzt keine komplett andere Disziplin.
S.E.: Auch der Start ist anders. Man schiebt halt statt 100 Kilogramm 160 rein, das hat eine andere Wucht. Auch ist der Schwerpunkt höher, dadurch kippt man leichter um, was eine höhere Sturzrate zur Folge hat.

Wie sieht es verletzungsmäßig bei solchen Stürzen im Eiskanal aus?
S.E.: Meistens passiert nichts. Es gibt ein paar blaue Flecken ab.
L.K.: Bei uns ist es so, dass das meistens Selina abbekommt, da ich immer das Glück habe, dass ich auf ihr lande, wenn wir umkippen (lacht).
S.E.: Der Mittelfußknochen ist die empfindlichste Stelle, bei der es oft Verletzungen gibt, wenn man bei der Bande hängen bleibt. Ich habe mir 2020 bei der Jugendolympiade auch den Mittelfußknochen gebrochen.
L.K.: Wie beim Skeleton Sport sind auch bei uns Gehirnerschütterungen ein Thema.

Wie nehmt ihr die internationale Szene in eurer Sportart Kunstbahnrodeln wahr?
L.K.: Ich denke, von den Nationen her sind es rund 20. Aber es gibt Nationen mit sehr wenigen Teilnehmern: Schweden ist mit drei Leuten am Start, Irland hat nur einen Starter, die Schweiz hat ebenfalls nur eine Dame, die mit dem deutschen Team mittrainiert. Oder es gibt einen Australier, der mit den Kanadiern mittrainiert. Dort ist das definitiv eine Randsportart.
S.E.: Die großen Nationen sind Lettland, Deutschland, Österreich, Italien und die U.S.A. In Ländern, wo es keine eigene Bahn gibt, kommt man halt nur über Umwege zu diesem Sport. Beispielsweise, wenn man es im Fernsehen sah, oder jemanden kennt, der jemanden kennt…
L.K.: Unser großer Vorteil ist, dass wir in Igls die Bobbahn haben. Die Hauptnation ist Deutschland mit den drei Bahnen in Winterberg (Nordrhein-Westfalen), Altenberg (Sachsen) und Oberhofen (Thüringen). Russland wäre auch eine große Rodel Nation, die aktuell wegen dem Krieg leider ausgesperrt ist.

Was macht ihr in eurer Freizeit?
S.E.: Wenn es geht Snowboarden, was aber terminlich und wegen der Verletzungsgefahr schwierig ist. Ansonsten Skateboarden, Volleyball, ich bin generell sportfanatisch.
L.K.: Bei mir ist es ähnlich. Zusätzlich schwimme ich sehr gerne oder lese ein Buch, das hat dann mal nichts mit Sport zu tun.

Text: Bernhard Schösser
Fotos: FIL/Galinovskis, ÖRV/Reker, B. Schösser