Franz Klammer - Chasing the Line

Es gibt in der Sportgeschichte zwei Österreicher, die sich unauslöschbar in das Bewusstsein der Sportnation Österreich eingeprägt haben: Hans Krankl mit seinen zwei Toren 1978 gegen Deutschland in Cordoba und Franz Klammer mit seinem Olympiasieg in der Abfahrt 1976 am Patscherkofel in Innsbruck. 45 Jahre danach kommt mit „Klammer – Chasing the Line“ ein österreichischer Spielfilm in die Kinos, der sich genau mit den Tagen rund um diese Siegesfahrt von Franz Klammer beschäftigt. FREIZEIT-TIROL traf einen sehr relaxten „Kaiser Franz“ und den Klammer Filmdarsteller Julian Waldner vor der Filmpremiere in Innsbruck zum ausführlichen Interview.

Skiproduzent Pepi Fischer mit dem damals extra für Olympia produzierten, brandneuen Loch-Ski kommt im Film ziemlich schlecht weg. War das 1976 wirklich so krass?

Nun, er wollte mich tatsächlich dazu zwingen, mit dem Loch-Ski zu fahren, das entspricht den Tatsachen. Allerdings sind wir hier in einem Spielfilm und nicht in einer Dokumentation, daher hatte der Regisseur natürlich etwas Freiraum…Tatsächlich kam die Schwester von Fischer nach der Startnummernauslosung und teilte mir mit, dass Bernhard Russi die Nummer Drei hatte, meine Wunschnummer, und ich die 15. Ich war, auch wegen dem Loch-Ski, sauer und sagte zu ihr: „Du kannst mich gernhaben!“

Du hattest deinen alten „C4“ Rennski dann wirklich im Zimmer?

Ja, das stimmt. Mit diesem Ski hatte ich fast alle meine Rennen gewonnen. Jetzt konnte ich nicht vor dem wichtigsten Rennen meines Lebens hergehen und einen neuen Ski nehmen. Vielleicht wäre er schneller gegangen, aber bei meinem alten Ski habe ich gewusst: Das ist der richtige. Ich musst die Unsicherheitsfaktoren ausschalten. Wenn du beim Material Zweifel hast, geht nichts weiter.

Wurde das Verhältnis zu Fischer dann besser?

Nein, wir sind 1978 eigentlich nicht wirklich im Guten auseinandergegangen. Aber wir haben uns danach wieder vertragen, es war ein vollkommen normales Verhältnis. Man lebt ja nicht, um auf irgendjemand zornig zu sein!

Rückblickend auf die letzten 45 Jahre erscheint es ja vielen, dass Franz Klammer von Beruf Franz Klammer ist? Hast du deinen Erfolg realisiert?

Das ist eine Frage, die Sportlern immer gestellt wird. Ich habe meinen Erfolg in der Sekunde im Ziel realisiert, als ich gewann. Aber ich habe nicht realisiert, was später kommen wird. Es ist nicht vorstellbar, was das Leben für einen Lauf nimmt. Der Olympiasieg gab mir viel Freiraum, ich konnte mir immer aussuchen, was ich machen will. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass das damals so funktioniert hat.

Du hast ja die „Franz Klammer Foundation“ gegründet, mit der du verunglückte Sportler unterstützt. Betrifft das nur Skifahrer?

Nein, es bezieht sich auf alle Sportler. Unsere erste Unterstützung erhielt Sascha Benes, ein Eishockey-Spieler, der in die Bande krachte und querschnittsgelähmt war. Wir haben ihm dann das Auto adaptiert. Bei uns in Österreich ist die Erstversorgung super, Reha und die Wiedereingliederung ins Leben sind hingegen sehr schwierig. Meistens haben die jungen Sportler dafür keine eigene Versicherung, da schreiten wir dann ein.

Dein Bruder Klaus ist ja auch bei einem Skirennen verunglückt...

Richtig, das war mit der Grund. Die Reha hat niemand bezahlt, in Kulanz hat das dann die Bauernversicherung meines Vaters erledigt. Da bin ich draufgekommen, dass die jungen Sportler überhaupt nicht oder nur mit einem Minimum versichert sind, während die Top-Sportler überversichert sind bis hin zum Verdienstentgang.

Wie ist dein Bezug zu Innsbruck bzw. zum Patscherkofel. Hast du die Diskussionen um die neue Bahn mitbekommen?

Ja, das habe ich mitgekriegt. Ich fahre ja öfter durch, wenn ich auf den Arlberg, nach Ischgl oder nach Sölden zum Skifahren unterwegs bin. Da schaue ich dann schon immer rauf zum „Kofl“, es ist logischerweise immer noch ein besonderer Bezug vorhanden.

Was man ja schon immer gehört hat bzw. auch im Film sieht: Ihre wart ja in den 1970er Jahren quasi die „Rockstars“ mit Bier, Wein, Schnaps und Zigaretten bei der Pressekonferenz…

(Grinst). Nein, das entspricht nicht ganz der Wahrheit. Ich kenne keinen Sportler, der geraucht hat. Nur die Annemarie Moser hat am Start immer eine Zigarette geraucht. Heutzutage ist alles professioneller geworden. Es ist das Training anders, außerdem ist der Druck der Sponsoren sehr groß. Die heutigen Fahrer verdienen viel mehr Geld, müssen aber auch „liefern“.

Es haben sich ja auch die Strecken verändert, der Fahrstil der Abfahrer war zu deiner Zeit ja viel spektakulärer?

Ja, in Gröden gab es damals vier Kamelbuckel. Die sind jetzt nicht mehr 70 Meter auseinander, sondern nur mehr 40. Heute kann fast jeder in der Hocke darüberfahren. Ich finde es eigentlich schade, dass das so hergerichtet wird. Das Problem ist, wenn das alles so voll geht, und der Fahrer dann beispielsweise einen Flüchtigkeitsfehler macht, gibt es diese schweren Stürze mit gravierenden Verletzungen.

Wie bist du mit Julian Waldner als „deinem“ Franz Klammer im Film zufrieden?

Sehr gut. Ich habe den Film jetzt schon dreimal gesehen. Mit jedem Mal mehr denke ich mir, wie schwierig es sein muss, das zu spielen, diese Emotionen, diesen „Rollercoaster“ der Gefühle, durch den ich gegangen bin. Daher gefällt mir auch der Titel „Chasing the Line“, da es neben der Piste, auf der ich nie die Ideallinie erwischt hatte ja auch den Druck der Öffentlichkeit und das Thema Loch-Ski gab. Ich finde, das bringt Julian im Film sehr gut rüber.

Julian, wie war es als heute 25-jähriger Mann für dich, in die Mitte der 1970er Jahre zu kommen? Mit Dingen, die du ja gar nicht kennst, wie beispielsweise ein Wählscheibentelefon? Das muss für dich ja eine Riesensache gewesen sein?

Absolut! Die Ausstattung, die Kostüme, die Maske, alle haben eine tolle Arbeit geleistet. Du hast da drinnen einfach gelebt, jeder Statist hat ausgesehen wie aus den 70ern. Gerade die Wählscheibentelefone sind eine irrsinnige Spielwiese. Je nachdem wie du den Hörer hältst, kannst du ganz andere Telefonate oder Emotionen rüberbringen, was ja heute mit den Smartphones gar nicht mehr geht.

Du bist ja selbst ein guter Skifahrer. Bist du im Film auch gefahren?

Ja klar. Du siehst ja 10 Kilometer gegen den Wind, ob jemand Skifahren kann oder nicht. Wenn ich nicht Schifahren könnte, wäre ich ja fehl am Platz gewesen. Ich hatte aber insgesamt vier Stuntmen, der ehemalige Weltcupfahrer Daron Rahlves war mein Hauptfahrer.

Was hast du bisher für Filme gemacht?

Das ist meine erste Produktion. Ich war vier Jahre am Reinhardt-Seminar und bin dann über das Casting zum Franz Klammer Film gekommen.

Wie ist das Feedback auf den Film bzw. auf deine Rolle als Franz Klammer?

Nun, auf den Film sehr gut. Auf meine Rolle? Da bin ich befangen, aber wenn es dem Franz gefällt, was ich gemacht habe, freut mich das natürlich!

Franz, ein interessantes Detail am Rande: Waren die Rennanzüge tatsächlich gold-farbig und du hast deinen alten, gelben Anzug verwendet?

Ja, der goldene Anzug hat mir nicht gepasst, er war zu eng. Ich bin damit nicht richtig in die Hocke gekommen, da habe ich halt meinen alten Anzug herausgerissen.

Der damalige Trainer, Charly Kahr, war das wirklich so ein harter Knochen?

Ja, schon. Ich meine, wenn du gut gefahren bist, hattest du keine Probleme. Wenn du nicht gut gefahren bist, war er schon ein wenig zach…

Mit deinem damaligen großen Rivalen, dem Schweizer Bernhard Russi, bist du ja gut befreundet?

Ja, wir sind super Freunde. Er gratulierte mir gleich nach dem Rennen, das freute mich. Sport verbindet, ich habe viele Freundschaften aus dieser Zeit mitgenommen.

Wolltest du nie als Trainer arbeiten?

Nein, ich wollte das nicht. Als ich aufgehört hatte, wollte ich ganz etwas anderes machen, wollte nicht im Ski-Tross bleiben. Es war die schönste Zeit in meinem Leben, aber ich habe mich von einer Minute auf die andere entschlossen aufzuhören. Das war beim Rennen in Aspen 1985. In der Früh wusste ich es noch nicht, doch dann bin ich runtergefahren und hörte auf. So spontan wollte ich es immer. Ich bin sehr froh, dass mir das so gelungen ist. Vier oder fünf Jahre später ist man ja nicht mehr so am Ball, die Technik schreitet voran und ich weiß ja auch nicht, ob ich ein guter Trainer wäre…

Mittlerweile ist es für Ex-Skifahrer ja Standard: Zuerst TV-Kommentator dann Dancing Stars?

Ein Schema, oder? Ja, Dancing Stars hatten mich immer wieder angefragt. Die letzten zwei oder dreimal nicht mehr, sie haben es aufgegeben.

Warum machst du das nicht?

Der wahre Grund ist, dass ich im Winter keine Zeit habe, für sechs Wochen in Wien zu tanzen. Ich habe so viel mit meinen Verträgen zu tun, mit Head habe ich seit 1988 einen Vertrag, mit der Kärnten Werbung seit 1985. Oder ich bin mit Leuten beim Skifahren, sodass sich das nicht ausgeht. Außerdem ist Dancing Stars extrem anstrengend, eine harte Geschichte.

Zum Abschluss: Was erwartest du dir heuer von den österreichischen Skirennfahrern?

Ich war in Sölden vom Speed der Österreicher überrascht. Brennsteiner, Leitinger, auch Mayer waren dabei. Im Gesamtweltcup ist Odermatt Favorit, vielleicht noch der Pinturault. Und bei den Damen führt alles über Shiffrin.

Hier gibt's die Fotos der Premiere in Innsbruck!

Klammer – Chasing the Line ab 28.10. im Kino!

Interview: Bernhard Schösser

Fotos: epo/Samsara/Christoph Thanhoffer, Bernhard Schösser