2024 ist für den Kitzbüheler Hansi Hinterseer ein besonderes Jubiläumsjahr. Er ist flockige 70 Jahre jung und steht seit 30 Jahren erfolgreich als Sänger auf der Bühne. Erfolg hatte der sympathische Blondschopf als Skifahrer schon vorher. So jährt sich sein erster Slalomsieg im Weltcup, just beim Heimrennen in Kitzbühel 1974, heuer zum 50. Mal. Grund genug für FREIZEIT-TIROL um Hansi Hinterseer in Kitzbühel zu treffen und sein außergewöhnliches Leben ausführlich zu besprechen.
Wie waren deine Anfänge als Skirennfahrer?
Ich bin auf der Seidlalm aufgewachsen, hatte mit Großvater, Tante und meinem Vater tolle Menschen um mich. Die Alm war der ideale Ort, um mit der Natur groß zu werden. Ich bin jeden Tag mit den Skiern in die Schule gefahren, im Sommer zu Fuß hinauf und hinunter gegangen. Das brachte mir spielerisch schon eine Menge Grundkondition ein. Es war ein Lebensabschnitt, in dem ich sehr viel gelernt habe, speziell vom Großvater, ein Abschnitt, der mich sehr geprägt hat. Mein Vater Ernst war ja auch Skifahrer (Olympiasieger 1960 im Slalom) und später noch auf der Profitour aktiv.
Die Seidlalm hat ja auch einen speziellen Bezug zum Skirennsport
Richtig, der alpine Skiweltcup wurde im Rahmen des Hahnenkammrennens 1966 auf der Seidlalm durch Toni Sailer, den französischen Sportjournalisten Serge Lange, mit den Cheftrainern der USA, Bob Beattie und der Franzosen, Honore Bonnet und mit dem damaligen Präsidenten des Ski Club Kitzbühel, Kurt Beranek, erfunden. Während die Herren also in der Stube darüber diskutierten, bin ich draußen gesessen und habe meine Schulaufgaben gemacht. Sieben Jahre später habe ich 1973 die kleine Kristallkugel für den Gesamtweltcup im Riesenslalom gewonnen. Damals gab es ja nur Slalom, Riesentorlauf und Abfahrt, der Super-G war noch nicht geboren.
Wie lange bist du dann im Weltcup Rennen gefahren?
Bis ich 23 Jahre alt war, dann habe ich aufgehört.
Warum das?
Weil ich einfach ein junger, sturer Revoluzzer war, der teilweise missverstanden wurde. Auch habe ich mir nichts gefallen lassen. Trainer- und Schuhwechsel im Laufe der Jahre taten ihr Übriges dazu. Schon 1972, ich war ein 17-jähriger Bursche, teilte mir mein Trainer mit, dass ich nicht zur Olympiade nach Sapporo mitfahren dürfe, weil ich ohnehin noch so viel vor mir hätte. Das geschah auch unter dem Einfluss der damals ja noch breiter gefächerten Skifirmen, denn jede Firma wollte ihre Fahrer bei Olympia mit dabeihaben. So bin ich später auf die US-Profi-Tour gewechselt und erkannte schnell den Unterschied: Die Amateure im Weltcup waren eigentlich die Vollprofis, für die schon damals alles vollkommen organisiert wurde. So kam ich aus dem wohlbehüteten Stall des ÖSV nach Amerika und musste meine gesamten Dinge selber erledigen: Flüge buchen, Auto organisieren, einen Servicemann finden und vieles mehr. Zum Glück hatte ich gute Verträge und war somit gut aufgestellt.
Was war, abgesehen vom Geld verdienen, was die Amateure zu dieser Zeit ja noch nicht wirklich durften, der Unterschied zum Weltcup?
Nun, es war ein komplett anderes Denken. Beispielsweise bin ich am Start gestanden, voll konzentriert, als ein Reporter vorbeikam, um mit mir ein Interview zu machen. Das war damals bei den Amateuren undenkbar. Doch die Amerikaner, auch Bob Beattie, wollten den Skisport richtig vermarkten. Also gab es vor dem Rennen das Interview und dann die Action. So habe ich mich an die Reporter gewöhnt. Da sich die Amerikaner beim Schifahren ja nicht so auskennen wie die Europäer, die zumindest glauben es zu tun, brauchst du dort Show. Bei der Abfahrt schauten sich die Zuseher drei Läufer an, die mit 120 km/h an ihnen vorbeirasten. Dann sagten sie: „Ok, let’s go skiing!“, da sie damit nichts anfangen konnten. Daher waren die Parallelrennen ideal. Man sieht zwei Fahrer gleichzeitig herunterfahren, es gab drei mächtige Sprünge, teilweise mit 2,5 Meter hohen Hügeln. Wenn du da 30-mal hinunter bretterst, weißt du, was du getan hast. Aber auch die Abfahrt hat mir getaugt, hier bin ich 1982 und 1983 zwei Mal Profiweltmeister geworden.
Es war also eine Kombination aus Skifahren und Show?
Ja, das System hat mir sehr gut gepasst. Es galt, die Mischung aus Sport und Party zu finden, die Show war wichtig, nicht nur stur zu trainieren. Als Profiskifahrer hattest du zu dieser Zeit einen ganz anderen Status als der Amateur. Es gab nur Show, Show und Show. Bob Beattie verstand es, den Sport ins TV zu bringen und entsprechend zu vermarkten. So gab es einen Mix aus Profis und Amateuren, also wir Rennfahrer und beispielsweise Hollywood-Stars. Dienstag war die Verlosung, wer mit wem fährt, da mussten wir dabei sein, teilweise bis 02.00 Uhr in der Früh. Am nächsten Tag war dann Rennen. Ich bin u.a. mit Countrysänger John Denver gefahren, der ein super Skifahrer war. Die Schauspielerin Morgan Fairchild hingegen konnte überhaupt nicht Skifahren, also habe ich sie mir auf den Rücken gesetzt und bin so runtergefahren. Das ist medial natürlich die Runde gegangen. Wir hatten eine super Zeit miteinander. Skifahren hat sie nicht gelernt, aber sie hat mich zur Oskar Verleihung eingeladen, bei der ich in der ersten Reihe saß! So bin ich bis 1984 bei den Profis gefahren.
Diese Show ist etwas, was seit den letzten richtigen Typen wie Hermann Maier und Bode Miller im Weltcup verloren gegangen zu sein scheint, oder wie siehst du das?
Absolut, da gebe ich dir recht. Ja, das fehlt. Wobei man das System des Skiverbandes auch nicht verteufeln soll, sie meinen es ja nur gut. Nur, wenn du drei oder vier Betreuer für einen Läufer hast, das kann ja nicht funktionieren. Im Endeffekt musst du selbst deine Entscheidungen treffen, ja oder nein sagen können. Wenn du jemanden hast, der dir alles vorgibt oder abnimmt, da geht die Persönlichkeit verloren. Zu unserer Zeit gab es richtige Typen, egal ob Klammer, Thöni, Gros oder Stenmark, wir waren für die Leute da, man kannte uns. Wenn heute ein Läufer den Helm absetzt, weiß niemand, wie er heißt. Ich meine, der Skisport ist nach wie vor super. Was mir, obwohl ich schon lange weg bin, weh tut, ist diese extreme Materialschlacht und die vereisten Pisten. Für wen, für was? Der Zuschauer realisiert ja gar nicht, was da dahintersteht. Was die Athleten für eine enorme Leistung, auch auf Kosten ihrer Gesundheit, erbringen. Nimm als Beispiel: Was hat sich von den Regeln her seit unserer Zeit getan? Nichts! Oder nimm die Technik hier am Hahnenkamm her, es sind 45 Kameras montiert. Du siehst aber nicht wirklich, wie es tatsächlich zur Sache geht, vor lauter hin- und her schneiden. Anstatt, dass einmal ein Sprung so gezeigt wird, wie er wirklich ist, 70 Meter weit mit 10 Meter Luftstand! Ist es wirklich wichtig, 12.000 bis 15.000 Tore zu fahren, so lange zu trainieren, dass der Körper keine Regenerationszeit mehr hat? Mir kommt vor, dadurch haben die Fahrer die Freude und Individualität verloren. Es ist doch ein individueller Sport, jeder ist anders, jeder sollte daher anders trainieren. Schau unseren Nachwuchs an, wo sind unsere Leute? Die Schweizer machen das richtig, Franz Heinzer (Abfahrtsweltmeister Saalbach-Hinterglemm 1991) arbeitet mit Kindern, er will gar nicht Nationalmannschaftstrainer sein. Ich will jetzt gar nicht gescheit sein, ich bin ja zu lange weg, aber ich leide nach wie vor mit den Fahrern mit.
Was hast du nach Beendigung deiner Ski Karriere mit 30 dann weiter gemacht?
In Amerika bin ich mit meiner Art sehr gut angekommen und hatte immer noch sehr gute Verträge. So machte ich viel Promotion. Auch 48-mal in Japan, wo Toni Sailer der Star war. Ich hatte eine eigene Kollektion und veranstaltete dort auch Skicamps. 1984 begann ich dann meine Tätigkeit als Co-Kommentator beim ORF, die ich insgesamt 26 Jahre ausübte.
Wie kam es zur Karriere als Sänger?
1994 sprach mich der Musikproduzent Jack White, der in Kitzbühel wohnte, darauf an, eine Platte aufzunehmen. Es war zufällig, wir waren mit ein paar Volksmusikanten auf der Geburtstagsparty bei Jack zuhause. Dort spielte ich ein wenig mit der Ziehharmonika. Drei Tage später war er bei mir zum Essen und legte mir ein Lied vor. So ist „Du hast mich heut noch nicht geküsst“ entstanden. Mittlerweile bin ich 30 Jahre als Sänger aktiv.
Wie waren die Reaktionen aus deinem Umfeld darauf und allgemein?
Wie du dir vorstellen kannst wurde ich belächelt: „Was, will er jetzt singen?“. Es hatten ja schon genug Sportler versucht, Sänger zu werden. Die Meinungen waren großteils negativ. Viele fanden es aber auch gut, jedoch mir wurde nichts geschenkt. Ich bin meinen Weg gegangen, habe an mich geglaubt und hatte gute Leute um mich herum. Mein Sprungbrett war Karl Moik und sein Musikantenstadl 1994 in Schladming. Ich hatte 1975 den ersten Weltcupslalom, einen Tagesslalom, in Schladming gewonnen, so machte Moik eine Kombination daraus. Das war für ihn gut und auch für mich, da mich vorher niemand als Sänger kannte. Durch diesen Auftritt begann sich das Rad zu drehen. Es folgten Hitparadenauftritte, Fernsehshows und Airplay in den Radiostationen. So funktioniert das, sonst kannst du zuhause in der Badewanne singen. Heuer habe ich eine neue CD, „Schön, dass es dich gibt“ herausgebracht, meine 16. Produktion. Insgesamt habe ich 470 Lieder veröffentlicht, es folgt heuer noch eine DVD.
Was sind deine weiteren Pläne?
Die Pandemie hat den Konzertmarkt gewaltig verändert, da viele Veranstalter und Dienstleister weggebrochen sind. Es wird einzelne Auftritte geben, aber eine 60-Tage-Tour möchte ich, ich bin ja jetzt 70, nicht mehr absolvieren. Aber ich habe eine andere Idee: Es gab im Servus TV eine Dokumentation über mich. Diese möchte ich auf eine lange Version ausbauen, um damit in die Kinos zu gehen. Denn ich habe so viel Filmmaterial, beginnend mit meiner Kindheit über Amerika, Japan, Musiksendungen, Auftritte, Spielfilme, das alles ist vorhanden. Das möchte ich in „Willkommen in meinem Leben“ einfließen lassen. Der Film soll die Hintergründe beleuchten, warum etwas entstanden ist, nicht nur Clip an Clip reihen. Somit etwas, das sehr persönlich ist. Etwas, was die Leute, wie ich so mitbekomme, auch gerne hören. Das möchte ich ab September, wenn es wieder Zeit zum Kino gehen ist, starten. Vielleicht auch mit kurzem Liveauftritt und Autogrammstunde.
Abschließend die Frage aller Fragen: Wie viele Paar Fellstiefel hast du wirklich?
Jetzt habe ich zwei zuhause, denn ein Paar habe ich Madame Tussauds in London gegeben. Die Fellgeschichte ging Anfang der 1970er Jahre in Italien beim Weltcup in Madonna los, die Stiefel waren bei den Damen modern. Das hat uns gefallen, also haben wir auch solche Schuhe gekauft. Wie die Mode so ist, nach einigen Jahren waren sie weg. Ich hatte sie immer noch daheim, auch, da sie wahnsinnig warm sind. Als meine Musiksendungen losgingen und ich für eine Winteraufnahme durch den Schnee laufen sollte, zog ich die Schuhe an. Das Erstaunen war groß: „Was hat er denn da, was ist das?“. Somit habe ich diese Schuhe erfunden. So schaffte ich es auch auf Ö3 – „Hinterseer, lange Haare und Fellstiefel!“. Aber wenn sie über dich reden, dann machst du etwas richtig. Ich wollte dann für mein Merchandising Fellstiefel mit einem „Hansi-Abdruck“ auf der Sohle produzieren lassen, das war aber sehr teuer. Immerhin ließ ich dann Schlüsselanhänger mit kleinen Fellstiefeln als Geschenk für die Medien herstellen.
Text und Fotos: Bernhard Schösser