"Humor im Hemd" - Interview mit Alf Poier

"Humor im Hemd" - Interview mit Alf Poier

 

Alf Poier. Er ist ein bunter Vogel aus Judenburg in der Steiermark: Teilnehmer und mit Platz 21 Finisher der Berglauf WM 1988 in England. 2003 vertrat er Österreich beim Eurovision Song Contest. Mit seinem Titel "Weil der Mensch zählt" erreichte er den 6. Platz, das beste Abschneiden für Österreich seit 1989. Mit skurrilen Kabarettprogrammen begeisterte er seit jeher seine Fans. 2006 wurde Alf Poier für einen Amadeus Austrian Music Award nominiert. Mit dem neuen Programm "Humor im Hemd" will er es nochmals so richtig wissen. FREIZEIT-TIROL will das auch, daher trafen wir uns zum ausführlichen Gespräch in Innsbruck.

Wer Alf Poier live erleben möchte, kann dies an folgenden Terminen in Tirol tun:
- Donnerstag 09.05.2019 im VZ Komma Wörgl
- Freitag 10.05.2019 im Veranstaltungszentrum B4 in Zirl

Alf, du bist ja eigentlich ein "Multi-Künstler", mit Malerei, Musik und Kabarett. Was ist dein Schwerpunkt?
Nun, aktuell Kabarett, wobei bei mir ohnehin alles auf der Bühne zusammen fließt: Ich habe dort ja auch Bilder mit und spiele Instrumente wie Schlagzeug oder Gitarre. In Wahrheit gehört also alles zusammen!

Dein neues Programm heißt "Humor im Hemd". Es ist laut Medienberichten das bisher politischste Programm von dir. Worum geht es?
Grundsätzlich geht es im Programm darum: Was "kann, soll und darf" heutzutage überhaupt noch gesagt werden? Das ist die Grundannahme. Ich finde, dass die Politik im Kabarett immer sehr einseitig behandelt wurde. Kabarett wurde eigentlich immer politisch instrumentalisiert. Dort, wo das Geld herkommt, denen redet man "nach dem Mund"! Ich habe bei "Humor im Hemd" eine eigene Metaebene eingebaut. Das Publikum muss mitdenken und sich selber entscheiden. Mein Programm ist nicht parteipolitisch, bei mir gibt es keine Kickl-, Strache- oder Kurz-Witze! Die gibt es ohnehin schon genug. Ich habe das Gefühl, die Kunst- und Kabarettszene hat in den letzten Jahren nur mehr eine Lobby bedient. Dadurch verliert die Kunst letztendlich natürlich den Anspruch unabhängig und der Spiegel einer Gesellschaft zu sein!

Wie erklärst du das deinem Publikum?
Mittels Bildern und Objekten. Es geht aber nicht nur um das, es sind ja auch andere wichtige Dinge im Programm enthalten. Beispielsweise Opportunismus. Man hat das Gefühl, wenn man mit Leuten spricht, dass sie dir bestätigen, dass du Recht hast und sie deine Ansichten teilen. Sobald sie dann ein Mikrofon unter der Nase haben, reden sie plötzlich das Gegenteil. Dieser Opportunismus stört mich extrem. Diese Eigenschaft greift leider auch bei vielen Leuten aus der Kunst- und Kulturszene um sich. Ich habe das Gefühl, dass es hier eine private und eine öffentliche Meinung gibt! Damit ich aber auf der Bühne nicht zu weit gehe, gibt es eine Warnlampe, den "politischen Korrektheitsmesser", eine Sirene. Auf Neudeutsch wohl "Message-Controller". Aber es geht in "Humor im Hemd" nicht nur um Politik, insgesamt ist es wieder ein typisches Poier-Programm, ein buntes, künstlerisches und unterhaltsames Sammelsurium!

 

Wie viele Termine umfasst die Tour?
Das ist schwierig zu sagen, da ständig Termine dazu kommen.

Wo trittst du aktuell auf?
Momentan in Österreich, Südtirol, Bayern. Ich habe auch Anfragen aus der Schweiz, wo ich früher schon viel gespielt habe. Nur taugt mir das "hochdeutsch reden" nicht, das bin ich nicht, daher momentan "leider nein"! Die Tour läuft aber sehr gut, ich bin wirklich positiv überrascht. Mein Ziel waren 20.000 Besucher auf der gesamten Tour zu haben, jetzt sind viele Termine mit 400-500 Besuchern dabei, da geht das dann relativ flott..!

Wie siehst du die aktuelle Kabarett-Szene in Österreich?
Ich denke, der Markt ist mit 200 - 300 Kabarettisten extrem überlastet. Als ich begann, waren es vielleicht 40 oder 50. Mittlerweile geht jeder depressive Suppenkoch oder arbeitslose Schauspieler auf die Bühne. Da teilt sich der Markt dann schnell auf. Wobei dann sehr vieles kopiert wird, die Individualität fehlt. Klar ist es heute auch schwierig, das Publikum zu erreichen: Meine Nichten sind 20, die kennen keinen Hader, keinen Dorfer oder Niavarani. Die schauen nur Netflix! Da bekommst du halt nicht mit, was sonst noch läuft! Neulich kam ein junges Mädchen nach einer Show zu meinem Manager und sagte: "Der Typ ist ja ursuper, warum kennt den keiner?".

Es geht in Wahrheit, auch in Deutschland, nur darum, dass du in den großen Fernsehshows präsent bist. Es ist egal, was du machst, du musst nur übers Fernsehen flimmern. Die Kabarettisten mit den meisten verkauften Tickets sind noch lange nicht die besten! Attitüde, Idealismus, das ist alles komplett out. Es geht nur noch um Medienpräsenz. Schizoide Youtube-Stars, die ihre Brüste herzeigen...!

Zurück zu mir und meiner Tour: Nachdem ich mich aber schon frage, wer zuerst verkalkt, meine Kaffeemaschine oder ich, habe ich beschlossen, mit neuer Homepage und der neuen Tour wieder richtig Gas zu geben. Ich will nochmals wissen, was in diesem Land wirklich geht. Bis jetzt läuft es sehr gut, meine Shows sind momentan fast alle ausverkauft. Das Publikum ist so dankbar, wenn ich die Dinge so sage, dass viele Leute wissen, was gemeint ist, ohne dass ich es so direkt ausspreche...!Auch musikalisch tut sich etwas bei dir. Mit deiner neuen Single "Hausverstand" hast du es ja sogar in die DJ-Charts geschafft?
Es ist eine Schihüttennummer. Ich hatte ja immer schon schräge Nummern, die kein Mensch spielt. Daher habe ich mir gedacht, es mal ein wenig mit "Partyhit" zu versuchen. Was haben die Schneeeule, der Steinadler und der Hausverstand gemeinsam? Alle drei sind vom Aussterben bedroht! Ich war komischerweise 12 Wochen in den "Top-Ten" der österreichischen DJ-Charts, nur bewirkt das nicht wahnsinnig viel. Früher, wenn du im ORF ein Interview hattest, warst du anschließend ausverkauft. Heute, bei 150 Fernsehsendern, bringt dir die ganze Promotion nichts mehr.

Es ist zu viel Information in Umlauf, die an den Leuten vorbei geht, die ihnen zu viel ist.

Du hattest ja ein eigenes Privatmuseum "Botschaft für Bewusstsein, Scheißdreck und Kunst", das aber mittlerweile geschlossen ist?
Ja, das stimmt. Ich möchte so etwas aber wieder machen. Kunst ist doch wesentlich nachhaltiger als das Showgeschäft. Dort bist du schnell oben und auch schnell wieder weg. In der Kunst geht der Aufstieg langsamer, ist dafür aber nachhaltiger. Ein Kunstwerk kann hunderte Jahre halten, eine DVD kann sich wahrscheinlich in 15 Jahren gar niemand mehr ansehen. Aber es ist, wie im Kabarett, auch in der Malerei dasselbe: Es malt jeder. Meine Kaffeemaschine malt auch! Es mag berühmtere Kabarettisten als mich geben. Mein Stil, mein Gerümpelhaufen, das macht Alfred Poier einzigartig und nachhaltig!

 

Text und Fotos: Bernhard Schösser
Foto Header: Paul Weber