Philipp Brugger: Ich schaue, was noch kommen wird!

Philipp Brugger: Ich schaue, was noch kommen wird!

Der Autor dieser Zeilen organisierte Ende der 1990er Jahre diverse Bergläufe im Raum Innsbruck. Ich erinnere mich sehr genau an ein von mir gemachtes, noch analoges Foto mit dem jüngsten und dem ältesten Teilnehmer in Igls. Der junge Starter war ein schmaler, blonder Knirps, neun Jahre alt. Es galt, den Hausberg der Innsbrucker von Igls aus zu erlaufen. Schon zu dieser Zeit war sein Talent unverkennbar. Mittlerweile hat er sportlich eine Menge geleistet und rund 30.000 Follower auf Instagram! Grund genug, das breite, vielfältige Tun von Philipp Brugger etwas näher unter die Lupe zu nehmen.

Philipp, was waren deine sportlichen Anfänge?
Das war das Berglaufen mit meinem Vater. Da ich bald schneller als er lief, habe ich begonnen zu trainieren. Das hat mir enormen Spaß gemacht. Ich bin von Sistrans, wo mein Elternhaus steht, einfach auf die verschiedenen Almen am Patscherkofel gelaufen. Mein Vater musste zu dieser Zeit, wenn er wieder einmal am Berg unterwegs war, auf den Almhütten die diversen Rechnungen für meine Getränke begleichen. Es wäre schön, wenn er das immer noch machen würde...! Der Patscherkofel-Berglauf, ich denke es war im Jahr 2000, war dann für mich der erste lange Wettkampf mit über 1.000 Höhenmetern. Warst du auch im Berglaufnationalteam? Nein, das war für mich kein Thema, da man für das Nationalteam mindestens 16 Jahre alt sein muss. In diesem Alter war ich bereits mit den Tourenschiern unterwegs und habe mich wettkampfmäßig als Schibergsteiger betätigt. Somit ist das Berglaufen weniger geworden. Von 2007 bis 2017 war ich im Nationalteam der Schibergsteiger. Wobei "Schibergsteigen" eigentlich das falsche Wort für die Tourenschirennen ist, es ist ein Bergauflaufen mit Schiern in abgesperrtem Gelände.

Wie kann man sich Weltcup und Nationalteam in dieser Sportart vorstellen?
Anfänglich war es eine zusammengewürfelte Gruppe der besten Athleten, die sich selbst so gut wie möglich organisiert hat. Allerdings waren wir weit weg von Professionalität. Erst durch den Einstieg des ÖSV (Österreichischer Schiverband) bei dieser Sportart, 2016, wurden professionelle Strukturen geschaffen. Es gibt beim Schibergsteigen einen Weltcup und jährlich abwechselnd eine Welt- und Europameisterschaft. Die Starter kommen hauptsächlich aus den Alpenländern, aus Skandinavien und Spanien. Mit dabei sind auch Amerikaner und Kanadier, diese Athleten halten jedoch nicht das Niveau der Europäer. Was waren deine Erfolge beim Schibergsteigen? Ich konnte in der U-23 Klasse einige Top-Ten-Platzierungen bei der Weltmeisterschaft und im Weltcup erreichen. Mit 22 Jahren gelang mir Platz drei bei der österreichischen Meisterschaft im "Vertical". Das ist ein Rennen ohne Abfahrten, also nur hinauf. Es folgten diverse Siege bei nationalen Wettkämpfen.

Wie sind die Verdienstmöglichkeiten in dieser harten und trainingsintensiven Sportart?
Ich habe Schibergsteigen und die Wettkämpfe gemacht, weil es mir Freude und Spaß bereitet hat. Natürlich ist es finanziell nicht vergleichbar mit Golf, Formel 1 oder Fußball. Jeder Fußballer, der bei uns in der Regionalliga spielt, erhält mit den Torprämien mehr Geld.

Wie sehen die Rennen aus "alpinistischer Sicht" aus?
Jetzt, da ich mittlerweile ein richtiger Bergsteiger bin, sehe ich die Entwicklung dieser Sportart durchaus kritisch. Dem Athleten wird jede Art der Entscheidung abgenommen. Er muss alpinistisch keine Einschätzung treffen. Das Rennen findet in abgesicherten Parcours statt, mit mehreren Aufstiegen und Abfahrten im freien Gelände. Der Athlet wird also mehr zum reinen Wettkämpfer und ist gar nicht mehr in der Lage am Berg Entscheidungen zu treffen. Wegen dieser Gründe habe ich etwas die Motivation verloren und mich 2013 vermehrt dem klassischen Bergsteigen zugewandt.

Wie hat sich das Bergsteigen bei dir entwickelt?
Eigentlich ganz einfach: Wenn du dein Niveau beim Bergsteigen steigerst, absolvierst du schwerere Touren und wächst immer mehr in diese faszinierende Sportart hinein. Mittlerweile ist das meine absolute Leidenschaft. Mein Training ist jetzt nicht mehr wie früher auf einen Wettkampf ausgerichtet. Ich bestreite zwar aus Spaß immer noch Rennen, aber das ist nicht mehr mein Hauptziel. Mein Fokus liegt klar auf dem Bergsteigen. Müsste ich eine Entscheidung zwischen einer herausfordernden Bergtour und einem Rennen treffen - es wäre die Tour! Was waren deine bisherigen alpinen Highlights? Die Erstbesteigung der Lüsener Fernerkogel Nordwand und der Brunnenkogel Nordwand. Auf beiden Touren war Simon Messner, der Sohn von Reinhold Messner, mit dabei. Es gelang mir im Jänner 2017 die zweite Winterbegehung des Eiger Nordpfeilers in nur zehn Stunden. Zwei Jahre zuvor bestieg ich die Eiger Nordwand auf der klassischen "Heckmair" Route. Ebenso erklomm ich die Matterhorn Nordwand auf der "Schmidtroute", allerdings Nonstop von Zermatt aus, ohne den sonst üblichen Zwischenstopp auf der Hörnlihütte. Weitere unvergessliche Erlebnisse sind Steilwandabfahrten vom Biancograt, der Monte Rosa Ostwand oder der Hochferner Nordwand.

Wie sieht deine sportliche Jahreseinteilung aus?
Im Herbst und Frühjahr Bergsteigen. Im Sommer laufe ich bei alpinen Trail Wettkämpfen mit. Mein bisher größter Erfolg war der Sieg beim Stubai Ultratrail 2017. Dieses Rennen geht über 65 Kilometer und 5.000 Höhenmeter von der Altstadt in Innsbruck mit einigen Umwegen auf den Stubaier Gletscher. Den Ötztaler Gletschermarathon konnte ich 2017 und 2018 gewinnen, ein sehr technisches Rennen mit viel Geröll. Stolz bin ich auf meinen vierten Platz beim Olympus Marathon 2016. Es war eine Hitzeschlacht, ausverkauft, mit 1.000 Teilnehmern aus der ganzen Welt. Die Strecke führt vom Start am Meer hinauf auf den Olymp auf 2.918 Meter und dann wieder retour. Zum Glück läuft man auf zahlreichen Steigen, das ist angenehmer als auf Asphalt. Ich war lange Zeit Dritter, musste mich dann aber wegen der hohen Temperaturen und einem Sonnenstich mit Platz vier begnügen. Im selben Jahr konnte ich auch den Zugspitz Berglauf und den Schwarzach Ultratrail gewinnen. Beim Trailrunning gelangen mir bis jetzt auch zahlreiche Einzelsiege und Streckenrekorde bei nationalen Rennen.

Wie siehst du dich sportlich in fünf Jahren?
Das ist eine schwierige Frage. Aktuell bin ich Halbprofi und ich denke, dass bei mir noch viel Potential vorhanden ist. Daher möchte ich mein bisher aufgebautes Fundament aus Bergsteigen und Laufen erweitern und schaue, was noch kommen wird!


Text: Bernhard Schösser
Fotos: Thomas Lackner, Sportgraf, Simon Messner, Samuel Renner, Morgan Baduel