Wir sollten uns verschwenden, bevor wir verschwinden

Anja Thaler über ihr neues Album und Buch
Sie singt und schreibt über die kleinen und großen Dinge des Lebens. Sie philosophiert in Form von gefühlsstarker eingängiger Pop-Musik und leichtfüßigen und doch tiefsinnigen Geschichten über Freiheit, Liebe und das Brechen der Norm. 2023 ist das Debüt-Jahr, in dem nun ihr erstes Märchenbuch und ihr erstes Album erschienen sind. Es geht um das Tiroler Multitalent Anja Thaler. Die gebürtige (Ost)Deutsche lebt seit vielen Jahren in Tirol. Ihr Album hat sie allerdings in ihrer, wie sie selbst sagt, zweiten Heimat Wien produziert. Wir haben Anja zum Interview gebeten.

Anja, wie kommst du von Ostdeutschland nach Tirol?
Ja, ich bin ein „Össi“ eine Mischung aus Ossi und Ösi (lacht). Meine Eltern sind mit mir nach Tirol gezogen da war ich ca. 11 Jahre alt. Wir lebten davor in Chemnitz. 

Kannst du dich noch an die Zeit in der DDR erinnern?
Ja ein wenig, vor allem an die ostdeutschen Liedermacher. Poetische Musik war ein notwendiges und wichtiges Sprachrohr. Ich habe es damals schon geliebt, zwischen den Zeilen zu lesen, darüber zu sinnieren und zu fühlen, was der Künstler sagen möchte. Ich mochte die subtile Rebellion in den Liedern - ich denke, das ist ein starker künstlerischer Einfluss für mich bis heute.

Dein Album „…dann wären wir das Meer“ hast du von und mit Andy Baum produzieren lassen. Deutsche Pop-Musik mit Anspruch, wie du selbst sagst. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Andy?
Das war ein glücklicher Zufall. Meine erste Managerin hat uns bekannt gemacht und wir hatten auf Anhieb einen sehr guten Draht zueinander. Andys künstlerischer Zugang hat mich sehr inspiriert und auch gefördert, in die Tiefe zu gehen, meine Geschichte wahrhaftig zu erzählen, mutig zu sein, wirklich mein eigenes Ding zu finden und durchzuziehen. Das hat zwar - nicht zuletzt wegen der Corona-Jahre - länger gedauert als gedacht, aber ich glaube es hat sich sehr gelohnt.

Worum geht es in deinen Songs?
Die Songs sind ein Hinterfragen. Ich habe mein Leben oft in einem lauwarmen „Normal“ verbracht, bis meine Mama plötzlich und viel zu jung gestorben ist. Das hat mich aufgerüttelt und zu neuen Fragen geführt. Letztens habe ich einen Satz gelesen, der könnte auch von mir sein: „Wir sollten uns verschwenden, bevor wir verschwinden.“ Das ist es, was meine Musik will: Mal in ironischer, mal in rebellischer, mal in verträumter Weise - ein Blick auf das Leben, wie es sein könnte. Wenn wir ihm mit ein wenig mehr Mut und vielleicht auch Neugier begegnen würden. Ich habe meiner Musik deshalb einen speziellen Namen gegeben: „Philo-Pop“ also eine Mischung aus Philosophie und Pop-Musik. 

Du hast im August auch ein Märchenbuch veröffentlicht. „Alles und Nichts! Das weiße Schiff“. Erzähl uns ein wenig davon!
Das Märchen ist mir passiert. Ich schreibe ja regelmäßig, um Eindrücke, Gedanken und Gefühle zu verarbeiten. Und eines Tages war da diese Geschichte.  Die Songs vom Album flossen förmlich als Fabelwesen in dieses Märchen. Ich hatte auch gar nicht vor, ein Buch zu schreiben, geschweige denn, es zu veröffentlichen. Als die Geschichte dann fertig war, dachte ich „Wow, das könnte ich auch mit anderen teilen.“ In diesem Märchen geht es um eine Reise auf einem weißen Schiff. Dieses Schiff beherbergt schräge Wesen, die alle in ihrer eigenen, sehr verrückten Welt leben. Man kann sich das vorstellen wie eine Reise ins Unterbewusstsein. Wir tauchen dort ein und kommen durch die teils schmerzhaften, teils lustigen und absurden Geschichten zu neuen Fragen und Erkenntnissen. Am Ende gibt es ein Happy End und zwar: Das Leben selbst. Es ist also eine Reise zu sich selbst.

Du hast mit deinem Buch und deinem neuen Album auch ein sehr eigensinniges Show-Format entwickelt, richtig?
Richtig. Wir performen die Songs und das Märchen in Form einer Lese-Show. Ich lese also aus dem Buch und singe meine Lieder. Ich bin sehr dankbar, dass ich dafür den besten musikalischen Begleiter habe. Maurice Schotman alias „Mo“ begleitet mich am Bass, Klavier und der Harfe. Die Shows, die wir bisher hatten, waren einfach magisch. Die Menschen waren so berührt und inspiriert, kamen mit Tränen in den Augen auf uns zu. Die meisten nahmen sich ein Album und ein Buch mit nach Hause. Das ist einfach wundervoll.

Ende Oktober gab es zwei Release-Shows in Wien und Kufstein. Wie geht es jetzt weiter?
Mein Manager, Mario Rossori, ist schon in Gesprächen mit diversen Veranstaltern. Natürlich gibt es auch noch das eine oder andere Interview in Print, TV und Radio. Wir planen für 2024 eine Tour durch Österreich und den deutschsprachigen Raum. Ich habe tatsächlich bereits Anfragen aus der Schweiz. Ich bin jedenfalls sehr gespannt und freue mich auf alles, was kommt.

Text: Anja Thaler, bernhard Schösser
Fotos: M. Wallraf, Foto Gretter, Bernhard Schösser