Die Pläne der WSG Wattens zum Bundesligastart


Die WSG Wattens spielt 2022/23 zum vierten Mal in der österreichischen Bundesliga. Immer wieder schafft man es als einziger Tiroler Vertreter und gleichzeitig kleinster Bundesligaverein, quasi wie das kleine gallische Dorf, die anderen Großclubs zu überraschen. Zuletzt im Frühjahr, als die WSG die untere Hälfte der Bundesliga gewinnen konnte und sogar Chancen auf einen Europacup-Platz hatte. FREIZEIT-TIROL traf Cheftrainer Thomas Silberberger zum ausführlichen Gespräch über den Wattener Weg.


Was ist das Ziel für eure vierte Bundesligateilnahme?
Das einzige Ziel, das wir haben, ist der Klassenerhalt. Wir sind gut beraten, wenn wir dieses Ziel verfolgen und die Konkurrenz im Auge behalten. Wir brauchen nicht von Höherem träumen, auch wenn wir die letzten zwei Jahre für unsere Verhältnisse extrem erfolgreich waren.

Es gibt ja in dieser Saison mehrere Teams in der Bundesliga, die dieselbe Parole, das „Obenbleiben“, ausgegeben haben.
Meiner Meinung nach sind es sechs Vereine: Neben der WSG sind das Klagenfurt, Lustenau, Altach, Hartberg und Ried. Im Prinzip haben wir in der Bundesliga eine „Dreiklassen – Gesellschaft“: Über allem steht Red Bull Salzburg, hier ist nur die Frage, wieviel Punkte Vorsprung sie als Meister haben. Dann folgen um Platz zwei die anderen Topclubs wie Rapid, Austria, Sturm, LASK und WAC, die sind sozusagen in „Topf zwei“. Und in „Topf drei“ die schon erwähnten sechs Mannschaften.

WAC hast du auch in „Topf zwei“, warum?
Ja, denn sie haben sich extrem gut positioniert. Sie haben die Schwächen der Wiener Großclubs vor Jahren gut ausgenützt, Sturm hatte ja auch Schwächen. Hier konnten sich der WAC und auch der LASK durch Europacup Teilnahmen gut in Szene setzen und damit nachhaltig das Budget erhöhen.

Ihr habt ja in der Liga das kleinste Budget, wie hoch ist das?
Ja, vermutlich zusammen mit Lustenau, wobei die Vorarlberger einen Kooperationsverein haben. Wir haben 4,3 Millionen Euro zur Verfügung. Wenn du so willst sind unsere Hauptsponsoren der Bewerb und Sky!

Warum ist es, trotz mehr als ansprechender Leistungen in den beiden vergangenen Jahren, so schwierig heimische Sponsoren zu finden?
Ich denke, das sind zwei Gründe: Zum einen gibt es in Tirol in der Sponsorenlandschaft extrem „verbrannte Erde“ durch den FC Wacker. Der andere Grund ist, dass die WSG Wattens vor Beginn der Ära von Diana Langes als Präsidentin das Thema „Sponsoren“ einfach brach liegen ließ, da immer Swarovski da war. Diese zwei Faktoren sind aktuell eine gefährliche Mischung!

Aber ihr akquiriert?
Klar, aber es ist extrem schwierig einen Großsponsor an Land zu ziehen. Ich meine, schau dir „Visit Malta“ als unseren Brustsponsor an. Das ist ja an Traurigkeit nicht zu überbieten. Gleichzeitig ist in der deutschen Bundesliga auf jeder LED-Bande eine Tourismuswerbung aus Tirol zu sehen.

Ihr seid ja quasi ein Familienbetrieb, was die Anzahl der gemeinsamen Jahre bei der WSG betrifft?
Ja, das stimmt. Ich bin das 10. Jahr als Cheftrainer tätig. Diana Langes ist ebenfalls seit 10 Jahren als Präsidentin beim Verein und Manager Stefan Köck ist das neunte Jahr in dieser Aufgabe mit dabei. Ich bin 2013 als Trainer gekommen, da war Wattens in der Regionalliga hinter Kufstein platziert.

Wie kann man sich euer Verhältnis vorstellen, es ist ja immer zu lesen, dass zwischen dir und Manager Köck „kein Blatt Papier“ hineinpasst…
Nun, gelegentlich passt eine ganze Bibliothek hinein! Nein, im Ernst: Wir haben täglich einen Austausch über verschiedenste Themen, nicht nur Fußball. Er sitzt ja im nächsten Büro direkt neben mir. Wenn wir Entscheidungen treffen müssen, gibt es extrem kurze Wege, also ein Telefonat mit Diana Langes. Diese sagt in 99,9 Prozent aller Fälle, dass unsere Entscheidung richtig sei. Nach dem Fast-Abstieg vor drei Jahren oder auch nach meinem schweren Motorradunfall hat mir der Verein den Rücken gestärkt, mich nicht fallen gelassen. Durch die langjährige Zusammenarbeit fällt es uns jetzt leichter, die richtigen Rückschlüsse und Analysen zu treffen, Platz 6 und 7 in den letzten beiden Saisonen beweisen das.

Thema Spielerverpflichtungen: Ihr entwickelt ja selber Kaderspieler aus dem eigenen Nachwuchs und kauft sonst Tiroler Talente.
Ja, nimm Stefan Skrbo als Beispiel, den haben wir als 16-jährigen Burschen schon von Jenbach zu Wattens 1c geholt. Wir haben viele Spieler aus der zweiten Mannschaft hochgezogen. Dass das nicht immer sofort funktioniert, sieht man gelegentlich, wenn es Rückschläge gibt. Auf der anderen Seite sind Transfererlöse für uns extrem wichtig. In den letzten Jahren waren das mit Yeboah, Klassen, Petsos oder Gugganig schon ganz vernünftige Summen. Und wir sind auf den „Goodwill“ größerer Vereine wie LASK oder Juventus Turin angewiesen, welche riesige Kader haben und bei uns Spieler zur Weiterentwicklung parken. Somit sind wir auch ein Stück weit Ausbildungsverein für andere Clubs, haben dafür jedoch Spieler zur Verfügung, die wir uns mit unserem Budget nie leisten könnten.

Stefan Skrbo, den du schon angesprochen hast, hat sich ja beim Auftakt in Lustenau schwer verletzt, wie lange fehlt er?
Er hat einen Knöchelbruch und fällt ein halbes Jahr aus. Die Herbstrunde geht ja wegen der unsäglichen WM in Katar nur bis Mitte November. Im Jänner ist Stefan dann beim Trainingsstart wieder mit dabei.

Skrbo hatte in der Vergangenheit ja immer wieder Schwankungen und Probleme mit den Adduktoren?
Naja, wenn du Profi werden willst, musst du auch wie ein Profi agieren! Unsere jungen Tiroler Spieler haben extrem viele Einflüsse, Umfeld, Familie, Freunde und vieles mehr. Wenn du die Chance bekommst, in Tirol als Fußball-Profi zu arbeiten, musst du sie auch nützen. Das beschränkt sich nicht auf die Zeit 9.30 bis 11.00 Uhr beim Training, sondern auch auf Vor- und Nachbereitung. Stefan hat rundherum zu wenig getan, hat sich zu sehr auf sein Talent verlassen. Er ist ein hochveranlagter Spieler. Ich bin überzeugt, dass er seinen Weg machen wird. Profi zu sein bedeutet neben den schönen Seiten auch extrem viel Verzicht, du kannst nicht am Wochenende mit den Freunden ausgehen. Für die ausländischen Spieler ist das leichter: Sie haben hier eine Wohnung, kennen weniger Leute, haben weniger Freunde. Sie sind die ersten, die um 08.00 Uhr zum Training kommen und gehen als letzte gegen 14.00 oder 15.00 Uhr, weil sie das gesamte Angebot des Vereins nützen. Die Tiroler kommen mir teilweise schon mit dem Duschbeutel in der Hand entgegen, wenn ich in die Kabine gehe. Es ist ein Prozess, diese Spieler richtig zu erziehen.

Stichwort „Erziehen“, mit Raffael Behounek habt ihr ja einen sehr lautstarken Abwehrchef im Team, der sich gerne verbal mit den Schiedsrichtern anlegt. Mit seinem letztjährigen Interview in Sky hat er ordentlich Staub aufgewirbelt…
Behounek ist ein klasse Spieler, aber auch ein ganz eigener Spieler. Ich sage zu Raffi immer im Spaß, dass er nicht schwer erziehbar, sondern unerziehbar ist.

Thema Stadion. Ihr spielt ja im Tivoli in Innsbruck, nachdem der geplante Umbau in Wattens gescheitert ist.
Ja, das ist einzigartig. Während jede andere Gemeinde ein Stadion für einen Bundesligisten baut, wie aktuell in Hartberg und Lustenau, wollte der Verein in Wattens das selber finanzieren. Diana Langes hätte einen Kredit aufgenommen, doch wegen den Anrainern kam das Aus. Diese befürchteten Lärm. Wobei das Stadion seit den 1950er Jahren steht und vor den Anwohnern hier war.

Jetzt fällt einem im Tivoli ja immer die überschaubare Anzahl an Wattens Fans auf, was plant ihr in diese Richtung?
Auch hier muss man den längeren Zeitraum betrachten: In der seinerzeitigen Zusammenarbeit mit Wacker war das egal, man war ja der Kronprinz. Als ich hier als Trainer begann, waren 50 Besucher im Stadion. Es gab keine Ambition, einen nächsten Schritt zu setzen. In der zweiten Liga wurde es mit 600 bis 700 Zusehern besser, dann mussten wir ins Tivoli übersiedeln. Nun haben wir zusammen mit unserem Partner, der Tiroler Versicherung, das Projekt „Herz für den Tiroler Fußball“ gestartet. Deshalb tragen wir jetzt das rote Herz auf unserem Trikot. Mit verschiedensten Aktionen wollen wir versuchen, speziell Kinder und Jugendliche für unseren Sport zu begeistern. Anzumerken ist, dass die WSG bei den Jahresabopreisen ohnehin der günstigste Bundesligaverein ist. Eine weitere Idee: Als Tourismus Land sollte jedes 4-Sterne Hotel in Tirol zwei Abokarten haben, die sie dem Gast bei schlechtem Wetter geben können, damit er Bundesligafußball sehen kann. Wobei du im Frühjahr bei den „Play-Offs“ gegen LASK und Rapid schon gesehen hast, dass die Tiroler nach wie vor fußballbegeistert sind, als wir 4.000 bzw. 6.000 Leute im Stadion hatten. Natürlich hat sich viel geändert: Als ich jung war, war es für uns normal, Samstag mit dem 20 Schilling Kinderticket in den Zug nach Innsbruck zu steigen und auf der Osttribüne SSW (Sparkasse Swarovski Wacker) zu schauen. Heute hast du im Fernsehen Deutsche Bundesliga, Premiere-League in England und vieles mehr. Du hast die Auswahl: Im Fernsehen siehst du Manchester City gegen Chelsea, am Tivoli Wattens gegen Hartberg.

Wobei der relativ neue Bundesligamodus im Frühjahr, der ja nur in Österreich praktiziert wird, die Sache nicht einfacher macht. Die von mir so betitelte „Gruppe der Kellerkinder“, die wöchentlich gegen den Abstieg spielt, lockt auch nicht unbedingt mehr Besucher ins Stadion.
Ich glaube Dänemark und Belgien haben das gleiche Format. Dieser Modus wurde so in der Clubkonferenz beschlossen. Das Problematische daran ist meiner Meinung nach die Punkteteilung. Natürlich gibt es hier Spannung, aber wie du richtig sagst: Wenn Ried gegen Hartberg spielt, interessiert das ein paar Rieder und ein paar Hartberger. Wobei es in Österreich schwierig ist, den passenden Modus zu finden: Eine 16er Liga verträgt es wirtschaftlich aus Sponsorensicht nicht. Für die Vereine in der unteren Gruppe ist es extrem schwierig, junge Spieler weiter zu bringen, da du jede Runde das „Wasser bei der Oberkante der Unterlippe“ stehen hast. Das hat dann ehrlicherweise mit Fußball nicht mehr viel zu tun, es beschränkt sich darauf, kein Tor zu bekommen! Ohne diese Punkteteilung wäre es mit einem sicheren Polster an Punkten, wie wir ihn mit 10 Zählern Vorsprung auf Altach hatten, leichter, in den letzten fünf bis sieben Runden mehr junge Spieler zum Einsatz zu bringen.

 

Text: Bernhard Schösser
Fotos: WSG Tirol
Fotos von Thomas Silberberger: Bernhard Schösser
Mannschaftsfoto: Reinhard Rovara