Sieben Jahre nach dem letzten Studiooutput „Hard Wired to Self-Destruct“ bringen Metallica mit „72 Seasons“ ihr insgesamt 12. Album heraus. Seit jeher teilt sich die Fangemeinde der US-Boys in mehrere Lager: Die „Die Hard“ Fraktion, die nichts mehr seit dem „Justice“ Album gelten lässt und der Band kommerziellen Ausverkauf vorwirft. Diejenigen, zu denen auch ich mich zähle, die nach den durchwachsenen und teilweise arg schwächelnden „Load“ Veröffentlichungen, „St. Anger“ und dem unsäglichen „Lulu“ mit und seit „Death Magnetic“ froh und happy sind, wieder richtig harte Riffs vor den Latz geknallt zu bekommen. Sehr wohl wissend, dass Meilensteine für die Ewigkeit ala „Ride The Lightning“ oder „Master Of Puppets“ für immer unerreichbar sein werden. Und dann eben die Anhänger von Load und Lulu…! Wie klingen Metallica nun 40 Jahre nach ihrer ersten Veröffentlichung? Mit „Lux Æterna“ wurde ja bereits 2022 eine erste, saustarke Nummer ausgekoppelt, die an die Glanzzeit des Debüts „Kill em All“ erinnert und berechtigterweise große Hoffnungen schürte. Insgesamt 77 Minuten Spielminuten lang ist der neue Langdreher von Metallica, 12 Songs und keine Ballade wurden draufgepackt. Textlich verarbeitet wird mehrfach das eigene Seelenleben, der Albumtitel „72 Seasons“, also 72 Jahreszeiten – bezieht sich laut James Hetfield auf die ersten 18 Jahre im Leben eines Menschen. Der gleichnamige, schnelle Opener zählt mit dem schon erwähnten „Lux Æterna“ zu den beiden absoluten Aktivpunkten und Highlights. Auch „Screaming Suicide“ (hier baut Lead-Gitarrist Kirk Hammet Richie Blackmores Licks aus dem Deep Purple-Klassiker „Speed King“ mit ein und veredelt sie mit seinen typischen Wah-Eskapaden!) und „Sleepwalk My Life Away“ wissen zu überzeugen. Bei letzterem Song brilliert Basser Robert Trujillo am Tieftöner und ist auch am Songwriting beteiligt. Sicherlich künftiger Bestandteil der Setlist wird „If Darkness Had A Son“ werden, dafür ist schon der einführende Mitgröhler mit „Temptation“ zu gut! Mit dem längsten Metallica Song ever, „Inamorata“, knackige oder zähe 11 Minuten lang, wird „72 Seasons“ abgeschlossen. Mastermind James Hetfield liefert nicht nur hier eine sensationelle gesangliche Leistung ab, er singt auf der gesamten Scheibe sehr variabel und zum jeweiligen Track passend! Klar ans Herz gelegt sei allen, die Scheibe mehrmals durchzuhören, manche Songs sind wie guter Wein: Sie öffnen sich einfach etwas später. Andere, exemplarisch sei hier „Crown Of Barbed Wire“ erwähnt, bleiben (zumindest für mich) eher ausbaufähig. Insgesamt wäre es, wie schon am Vorgänger, möglicherweise sinnvoller gewesen, die Tracks teilweise kürzer und kompakter zu gestalten. Wobei dieses Jammern bei Metallica auf einem sehr hohen Niveau stattfindet! Interessant wären die Reaktionen, wenn diese Veröffentlichung von einer „No-Name“ Band auf die Menschheit losgelassen worden wäre, ich vermute, sie würde extrem abgefeiert werden!? Die Produktion, erneut erledigt von Greg Fidelman, der auch schon das Vorgänger-Album klanglich veredelt hatte und von Slipknot und Slayer bis Adele schon mit diversen Top-Künstlern arbeitete, ist gewohnt fett und bis ins Detail perfekt. Die Songs rauschen mit voller Wucht aus den Boxen, da gibt es kein Klagen. Vor allem wer "Hardwired" mochte und nicht unsinnige Vergleiche zu den Alben aus den 1980er und frühen 1990er zieht, dürfte mit „73 Seasons“ voll auf seine Kosten kommen.
Redakteur: Bernhard Schösser