CD Review: Midriff – Decisions

Es gab in den verklärten 1980er Jahren Veröffentlichungen (damals noch "Langspielplatten" genannt), die haben einen schon beim ersten Durchlauf begeistert, ja gelegentlich fast umgehauen: Iron Maiden, Metallica ("Master!") oder Priest, um exemplarisch einige zu nennen, waren damals Pflichtkäufe. Blind und ohne "Wenn und Aber". Die Musik passte, und man musste nicht 27 Mal reinhören, um etwas ansatzweise gut zu finden oder durch endlose Wiederholung (und der damit einhergehenden Abstumpfung) doch noch irgendetwas Geiles zu entdecken. In den letzten Jahren hat, meiner bescheidenen, subjektiven Meinung nach, die Anzahl solcher wirklich vom Start weg knallenden Releases ein überschaubares Maß angenommen. Will sagen, es ist bei vielen Bands (und leider auch ehemals großen Namen) "Luft nach oben"! "Decisions", der dritte reguläre Langdreher von Midriff, ist hier das klare Gegenteil! Die Unterländer Hardrock-Combo ist ja, zumindest in unseren Breiten, eine bekannte und vor allem live beliebte Größe. So wurde der vom arbeitseifrigen Postler zugestellte Silberling Schwups in den CD Schacht des Laptops befördert. Bereits der erste Durchgang offenbart die Klasse und auch Weiterentwicklung des Langkampfener Trios mit "Singing Drummer" Paul Henzinger! "Burn The Bridges" ist ein Opener, der sofort überzeugt und hängen bleibt! Ein mittelschneller und mittelschwerer Banger, was für ein gelungener und opulenter Start!"Stars Fall" beginnt eher ruhig und steigert sich dann zur Midtempoperle. Beim folgenden Track "Walls Down" dürfte der Name Programm sein, ein typischer Midriff-Kracher, bei dem es thematisch um das Gefühl des "Eingesperrt Seins" geht.

"Another Heart" startet mit fettem Bass von Jeremy "Jele" Lentner. Bruder Joshua schenkt dann sofort unnachgiebig nach und ein, wieder ein echter Banger, der von der Machart durchaus auch von der letzten Metallica Scheibe stammen könnte! Das folgende "Angels Cry" ist wieder ein typischer Midriff-Song mit vollaktivierter Betonmischmaschine und überraschend melodischem Refrain. Song Nummer sechs auf "Decisions" ist der schnelle Kracher "I´m Not Done", ebenfalls ein weiteres Highlight der Scheibe. "Palace Of Tears" behandelt thematisch die Geschichte Berlins, die ehemalige Trennung von Ost und West. Eine weitere Nummer mit melodischem Refrain und treibenden Gitarrenparts wie sie auch Metal Church in ihrer Glanzzeit nicht besser machen hätten können. "I`m Scared" läuft dann halbballadesk vom Stapel, eine tolle Rocknummer. "Drowing My Heart" baut sich mächtig auf und ballert dann ein wirklich cooles Riff raus, Chapeau! Der vorletzte Song "Mountain" handelt vom Berg als Metapher für den "inneren Schweinhund", den es fast täglich zu überwinden gilt. Eine weitere Nummer im Midriff-eigenen Stil. Der Sack wird dann mit "Sixtythree" ungewohnt zugemacht: Eine akustische Gitarre und die ausdrucksstarke Stimme von Paul Henzinger bieten in teilweise ungewohnt ruhigem Ambiente Gänsehaut zum Abschluss.

Zusammengefasst stellt "Decisions" eine enorme Weiterentwicklung der bisherigen zwei regulären (und ebenfalls schon starken) Veröffentlichungen der Tiroler dar. Die musikalische Bandbreite wurde in Richtung "melodisch" wesentlich erweitert, gleichzeitig finden sich aber die gewohnt (und geliebt) richtig harten Bretter auf der neuesten Midriff Veröffentlichung. Die Produktion und der Mix wurden übrigens selbst erledigt, somit verderben hier nicht zu viele Köche den Brei bzw. das Ziel, auf Tonträger möglichst ähnlich wie "live" zu klingen! Apropos live: Die kürzlich in Innsbruck abgefeierte CD-Release Party startete eine umfangreiche Tour der umtriebigen Unterländer. Teilweise als Gäste der deutschen "The New Roses" werden Österreich, Deutschland und die Schweiz bespielt. Wer Midriff live noch nicht kennt: unbedingt ansehen! Alle anderen, die schon da waren, kommen ohnehin gerne wieder! Ich vergebe neun von zehn ehrfurchtsvoll gezückten Tirolerhüten, in der Hoffnung, das nächste Mal die Maximalzahl gen Himmel recken zu können. Gleichzeitig wünsche ich dem symphytischen Trio möglichst bald die Möglichkeit einer ausgedehnten Europatour als Support einer großen Band - to reach the next level!


Redakteur: Bernhard Schösser