Fünf Jahre sind seit dem Erfolg von Tom Neuwirth, damals als Kunstfigur "Conchita", vergangen. Das neue Album erweckt den Eindruck, als habe Tom erneut eine Metamorphose vollzogen. Sein Vorname kommt bereits im Titel zum Ausdruck (T.O.M. - Truth over Magnitude). Damit zeigt sich auch, wohin die Reise dieser CD geht, denn Tom schlägt nicht nur musikalisch ein neues Blatt auf. Den Glamour und das Divenhafte der ehemaligen Song Contest Gewinnerin Conchita tauscht er gegen die neue Kunstfigur "Wurscht" ein und präsentiert sich mit starker männlicher, aber durchaus tänzerischer Ausstrahlung. Tom erfindet sich damit selbst neu - er zeigt seinen Höhrern seine eigene Wahrheit.
Kommerz und Regeln sind ihm dabei ziemlich egal. Er setzt auf Kraft, Wahrheit und Elektropop. Mit "Wurscht" zeigt sich Tom Neuwirth ehrlicher, offener und bringt viel mehr sich selbst ein als zur seiner Zeit als "Chonchita". Dabei lässt er nichts von seiner Vielseitigkeit vermissen. Im Gegenteil, denn er erweitert diese enorm. Im Booklet und in den Videos spielt auch Erotik eine große Rolle. Lack, Leder und Fotos des leicht bekleideten Künstlers dominieren hier. Die Zeiten, als Tom Neuwirth sich mit "Conchita" leicht und schwebend gezeigt hat, scheinen schon seit einiger Zeit vorbei zu sein. Daher bietet ihm seine neu erschaffene Kunstfigur Gelegenheit für einen Neustart. Wie er aber in diversen Medien mitteilt, wird er mit seinem erfolgreichen Alter Ego "Conchita" nicht ganz aufhören.
Nun zur Musik: In seinem ersten Titel "Trash all the Glam" steigt er nicht nur musikalisch direkt und hektisch ein. Auch das Video wurde passend dazu gestaltet. Den Glamour zertrümmert Tom in schwarzem, glänzendem Leder-Bodysuit, der sich tänzerisch durch die abstrakt anmutende Kulisse einer U-Bahnstation bewegt. "Satori", ein Begriff aus dem Buddhismus, der für "Buddah-Natur" steht, spiegelt sich auch im Text und in der Musik des Songs wieder. Es geht um eben dieses Licht, die Suche, Sehnsucht und den Weg dorthin. "To the Beat" ist Titel Nummer Drei. Mit der Frage, ob man nicht das Licht sehen wolle, schließt er an den vorherigen Song an und spricht auch von Entwicklung und von dem Körper, der mit dem Rhythmus stärker wird.
Wie ein Liebeslied klingt der vierte Song mit dem Titel "Can´t come back". Die Nummer beginnt deutlich ruhiger und spricht von diesem bedingungslosen Fallen lassen in sein Gegenüber. Dabei lässt der Song auch einen Dialog entstehen. "Hit me" ist Titel Nummer Fünf. Er beschreibt die Möglichkeiten des geschlagen und geprüft Werdens mit der klaren Botschaft, dies geschehen zu lassen, sich selbst treu zu bleiben und nicht gleich zu handeln. Titel Nummer Sechs "See me now" beschreibt die Entwicklung eines Menschen - eine Entwicklung, die dem Künstler nur zu bekannt vorkommen dürfte. "Sieh mich jetzt an und lass mich gehen... vielleicht um mich weiter zu entwickeln." Das scheint Toms Message zu sein.
"Resign" ist der nächste Titel. Das Bedürfnis nach mehr und das Zurücktreten ist Thema dieses Songs, der verglichen mit den hektischen, harten Nummern von Beginn des Albums schon fast demütig wirkt. Auch das Verlangen nach einer Pause, weil es ja mehr geben muss, spiegelt sich in diesem Song wider. Erschreckend wird der achte Titel des Albums. "Under the Gun", welches symbolisch für etwas Drillendes stehen dürfte. Er beschreibt den Zwang des gehen Müssens mit allen dazugehörigen Gefühlen, die nicht zwingend echt sind. Mit "Kuku" (Nägel), dem neunten Lied, beschreibt er den Weg gemeinsam zu gehen. Nein, einfach ist dieser Weg nicht... das zeigt zumindest die Melodie des Refrains. Der Text und das Foto im Booklet lassen auf das Erotische darin schließen. Leicht abgehoben beginnt "Forward", der zehnte Titel des Albums. Vorwärts zu einem Licht hin, vorwärts um weiter zu kommen.
"Six" ist die vorletzte Nummer. Sanft beginnend beschreibt sie einen Weg, den Himmel sehen zu können, während man fliegt und gleichzeitig blind zu sein. Das zeigt deutlich die Kreativität des Künstlers. Der Titelsong bildet den Abschluss des Albums. "Truth over Magnitude" ist eine Hommage an die Veränderung der Kunstfigur, die Tom Neuwirth hier geschaffen hat. Er stellt die Wahrheit, sein neues Ich, über die Größe seiner alten Kunstfigur "Conchita".
Insgesamt überrascht das Album, denn es ist stimmig und eine geniale Weiterentwicklung der Figur. Das Bekannte ist vor allem jetzt ehrlicher und authentischer. Es lässt im Bereich Elektropop keine Wünsche offen. Das Album beschreibt auf klare Weise die Weiterentwicklung des Künstlers. Es ist nicht für jedermann und dürfte eingefleischte Conchita Fans eventuell etwas schockieren. Nichts desto trotz, es ist eine perfekte, ehrliche, solide Sache aus Musik, Videos und Booklet. Man kann Tom Neuwirth zu diesem Album nur gratulieren.
Fotos: ©Niklas van Schwarzdorn