Nova Rock 2016

Nachdem auf Freizeit-Tirol wieder 2x2 Festivaltickets verlost wurden, reiste Bernhard Schösser ins Burgenland, um hautnah vom Geschehen beim größten österreichischen Rockfestival zu berichten. Hier seine persönliche Zusammenfassung:

Freitag, den 10. Juni

Nach dem letztjährigen Abschuss im Pressegraben und dem anschließenden „Schädeldecken-Nähen“ direkt neben der Bühne, mit Livesound von Papa Roach als mentale Unterstützung beschallt, wollte ich es heuer nochmals wissen und sattelte den schmucken Van um vom Land der Berge ins Land der Windräder und Weine zu fahren – ins Burgenland, genauer gesagt nach Nickelsdorf, nahe der ungarischen Grenze, in die „Pannonia Fields“. Mission Fotograben beim Nova Rock. Den ersten Tag, Donnerstag, ließ ich arbeitsbedingt ausfallen, die an diesem Abend als Headliner tätigen Korn hatten mich ja schon letztes Jahr in Graz nicht sonderlich beeindruckt. Also Freitag Anreise. Sieben Stunden Autofahrt inklusive der Segnung piefkonischer Grenzkontrolle und zwei fette Staus später landete ich dann gegen 16.00 Uhr endlich im Epizentrum der österreichischen Festivalszene. Dank Presseparkplatz und relativ schneller Erledigung der Formalitäten schaffte ich es zügig ins Medienzentrum zwischen der „Red Stage“ (eher metal lastig) „ und der „Blue Stage“ (everything else). Die von mir fotomäßig auserkorene erste Band, Children Of Bodom, sind offensichtlich solche Heroes, dass um 18.20 Startzeit kein einziger Fotograf Bilder machen darf…! Also, ein Chill-Out Bierchen im gebrandeten Liegestuhl, dann Start mit Garbage und der blonden Frontfrau Shirly Manson, die in unseren Gefilden ja eher selten zu Gast sind. Nun ja, haut nicht so rein wie geplant, auch das Publikum ist nicht zu Beifallstürmen zu motivieren. Weiter zu den US-Boys von Trivium, die ihre Sache schon besser machen, mit viel verbaler „motherfuckin“ Unterstützung wird ein ordentliches, krachendes Set abgeliefert. "Built To Fall", "Watch The World Burn" oder "Until The World Goes Cold" motivieren die Besucher zu einem amtlichen Moshpit! Als nächste Band starten die Waliser Bullet For My Valentine mit ihrem Metal Core Gewitter, jetzt geht richtig die Post ab. Geiler Sound, geile Show, Daumen hoch! Österreichs aktuelle Heroes Wanda headlinen dann an diesem Abend auf der Blue Stage und ernten speziell bei den jungen, weiblichen Fans mit Songs wie "Luzia", "Meine beiden Schwestern" oder "Bussi Baby" wahre Begeisterungsstürme. Die Anhänger der härteren Gangart (und somit der Großteil dieses Festivals) pilgerten inzwischen zur Red Stage, dort zelebrieren als Headliner Disturbed ebenfalls ein gefeiertes Konzert und bieten somit dem nicht Wanda geneigten Zuhörer mehr als eine interessante Alternative. David Draiman und Co. gelang ja mit dem Simon- &- Garfunkel- Cover "The Sound Of Silence" ein unerwartet großer Hit, der sich in Österreich bereits seit drei Wochen auf Platz eins der Single- Charts hält und die Band nach längerer Abwesenheit wieder zurück ins Rampenlicht brachte. Bei durchaus respektablem Publikumszuspruch kämpft sich die Band durch Songs wie "The Thousand Fists", "The Infection" oder den zuvor genannten Top- Hit, als Abschluss wird der Evergreen "Down With The Sickness" gezündet – Metaller Herz, was willst du mehr?

Samstag, den 11. Juni

Nach Morgenlauf und der sporadischen Konsumation einer komplett sinnfreien und inhaltsleeren ÖFB Pressekonferenz auf ORF1 starte ich zurück zum größten Zeltplatz Österreichs – zumindest an diesem Wochenende. Das Programm des heutigen Tages macht Spaß, also rein in den Graben! Steve`N`Seagulls kommt mir als erste Band vor die Linse. Die finnische Country-Band überzeugt durch sympathisches Auftreten und coolen Sound, auch das Publikum ist zufrieden und feiert mit. August Burns Red, eine US Metal Core Band, passt dann mit einem ebenfalls guten Auftritt perfekt ins Festival. Growling, shouting, Doublebass und fette Riffs ziehen hier immer! Alligatoah, deutscher Rapper, Sänger, DJ und Produzent ist mit seiner in Engelsflügeln und Sprengstoffgürteln gewandeten Truppe der nächste Act. Interessanterweise kennt das Publikum alle Texte, es folgt eine lautstark dargebotene und sehr unterhaltsame Party. Die irisch-amerikanische Folk-Punk-Band Dropkick Murphys kann ebenfalls überzeugen, bierselige (Trinker)Lieder gepaart mit harten Gitarren kommen ja nicht nur auf so großen Festivals immer gut an. Hier ist es aber auch der groovige Vibe aus fettem Bass und irischer Folkgitarre, der zu gefallen weiß. Seiler & Speer, neben Wanda aktuell die heimischen Stars, starten etwas verspätet auf der Blue Stage und feuern dann auch noch mit der Konfetti-Kanone, daher nur ca. eine halbe Nummer Bilder im Fotograben. Kurzeindruck: wie bei Wanda, jung, weiblich, begeisterungsfähig, durchaus cooler Livesound, wobei die hier aufgefahrene Show inklusive drei Backgroundsängerinnen durchaus gefallen kann. Der Grund, warum plötzlich alle Fotografen im Laufschritt zur roten Bühne eilen, ist Alice Cooper, der mittlerweile 68-jährige Erfinder des „Schockrock“. Wie immer ist der Altmeister auch heute bestens in Form, zur lieben Gewohnheit ist es auch geworden, dass er eine blonde, die verqualmten Augen der anwesenden Headbanger erfreuende Gitarristin on Stage hat, heute und aktuell auf Tour Nita Strauss. Was soll man sagen, Hit an Hit, Klassiker an Klassiker gereiht, begeistert Cooper einmal mehr Alt und Jung! Cypress Hill sind dann als Headliner des Tages auf der Red-Stage am Start, und präsentieren ein „Best-Of“ aus 25 Jahren musikalischer Karriere. Das kongeniale Rap- Duo B- Real und Sen Dog schafft es mit jugendlicher Motivation und Frische das Publikum restlos zu begeistern und trotz beginnendem Regen vor der Bühne zu halten. Auf der Blue-Stage erklingen währenddessen noch ein paar technische Akkorde hinter dem großen weißen Vorhang, Volbeat als samstäglicher Höhepunkt lassen noch ein wenig auf sich warten. Dann endlich Start, Michael Poulsen und Co. liefern ihre bekannt einzigartige Mischung aus Metal, Rock und Country, oder abgekürzt: „Metallica auf Elvis“. Auch wenn die Songs alle ziemlich ähnlich klingen (ein Problem, dass ja mittlerweile sehr viele etablierte Bands haben!) – live knallen die Dänen rein, passt, sitz, wackelt und hat Luft. Trotz mittlerweile anhaltendem Regen – eine gelungene Show!

Sonntag, den 12. Juni

Morgenlauf und Pressekonferenz wie Samstag, dann jedoch sofort auf zur „Jägermeister-Rockgarage“. Immerhin gilt es zwei Tiroler Bands beim „Frühschoppen“ zu begleiten: Midriff und anschließend Serenity sind am Start. Nun, warum diese Bands nicht auf der Red-Stage spielen, ist eine Frage, die wohl nur der Veranstalter beantworten kann. Trotzdem, oder gerade deshalb, rocken beide Bands die doch eher kleine Location in den „Nova Rock Vororten“, also quasi am Campingplatz, gleich neben der großen Grillstation. Den Besuchern gefällt es mächtig, speziell bei Midriff geht die Meute richtig mit, eine coole Stage, die die Jägermeisterleute rund um Bernhard Wagner da gebaut haben. Zwei Verabschiedungstrankeln später mache ich mich auf den Weg zu den großen Bühnen, um als erste Band die US-amerikanische Punkrock- und Melodic-Hardcore-Band NOFX vor die Linse zu nehmen. Die nicht mehr ganz taufrischen Jungs, immerhin auch schon seit 1983 im Geschäft, haben den passenden Sound am Start, den Leuten gefällt der Gig, mir auch. Hart geht`s auf der Red Stage weiter, Killswitch Engage knallen ordentlich einen vor den Latz, die Berliner Rapper und Hip-Hopper K.I.Z. sind dann auf der blauen Bühne das passende Kontrastprogramm. Heaven Shall Burn, Metalcore Combo aus dem deutschen Thüringen, erfreuen dann besonders die anwesenden Fotografen mit permanentem Trockeneisnebel, kommen aber bei den zahlreich anwesenden Metalheads ebenfalls gut an. Deftones, die mittlerweile auf vielen Festivals zu Gast sind, begeistern ebenfalls. Von melodischen Großtaten wie “Change (In The House Of Flies)” über das atmosphärische “Digital Bath” bis zu Krachern vom Kaliber “My Own Summer (Shove It)” lässt die US-amerikanische Band kaum einen Klassiker des eigenen Backkatalogs aus. Weiter zum Headliner des heutigen Abends auf der Red Stage: Twisted Sister! Die wiedererstarkten US-Boys rund um Dee Snider befinden sich aktuell ebenfalls auf ausgiebiger Festivaltour, leider unter dem Titel "Forty and Fuck it!", das ist, zumindest angekündigt, nach 40 Schaffensjahren die Abschiedstour. Wie Dee Snider mitteilt, spielt die Band heute Abend erst zum vierten (und letzten) Mal in Österreich! Klassischer US-Hardrock der 80er Jahre wird zelebriert, auch hier ist, ähnlich wie bei Alice Cooper, keine Schwäche zu erkennen – im Gegenteil: Dee Snider läuft und springt wie ein Hochleistungssportler ständig über die Bühne, singt aber trotzdem sehr passabel, und begeistert so auch das doch relativ junge Publikum. Der Backkatalog der Band ist mit Hits ja nur so gespickt, so passen die Hymen “I Wanna Rock” und “We’re Not Gonna Take It” perfekt in die Pannonia Fields, “You Can’t Stop Rock and Roll” ist Reminiszenz und Hoffnung gleichzeitig! Snider nimmt aber auch wortreich Bezug auf das am Vorabend erfolgte Attentat in Orlando, rund 20.000 gestreckte Mittelfinger sind des Resultat seiner Brandrede gegen Fanatismus jeglicher Art. Mit Basser Mark Mendoza, den Gitarristen Jay Jay French und Eddie Ojeda ist neben der singenden, noch immer schrillen Oberschwester die erfolgreiche alte Besetzung vertreten. An den Drums, als Ersatz für den im Vorjahr leider verstorbenen Originaldrummer A.J. Pero sitzt übrigens der Dream Theatre Schlagwerker Mike Portnoy. Snider stellt ihn bezugnehmend auf seine verschiedensten Band Aktivitäten galant vor: „He`s a whore, but he`s a good whore!“

Fazit: Das Nova Rock hat sich auch heuer wieder als mächtiges Festival erwiesen – rund 180.000 Besucher wurden an den vier Festivaltagen gezählt. Faszinierend die musikalische Vielfalt auf insgesamt vier Bühnen. Die komplette Umstellung auf „cashless“ Bezahlen auf dem Festival war erfolgreich. 1.400 Führerscheinkontrollen ließen 29 der rosa Papiere fliegen. Nennenswerte Zwischenfälle oder Ausschreitungen wurden nicht vermeldet. Nachdem ich heuer meinen Fotojob unbeschadet überstanden habe, werde ich wohl auch 2017 wieder vor Ort sein – immerhin hat sich der beleibteste und beliebteste Rettungsschwimmer Miami`s als „Late Night Act“ angekündigt: David Hasselhoff is back!