Climber`s High
Die Kletter-Weltmeisterschaft 2018 in Innsbruck sorgte bei Aktiven, Betreuern und beim Publikum für Euphorie und Jubelstürme. Nun, rund ein halbes Jahr später, startet für die beiden österreichischen Superstars Jessica Pilz und Jakob Schubert die neue Saison 2019. FREIZEIT-TIROL traf die beiden Klettergrößen - klarerweise in der Kletterhalle in Innsbruck - um mit ihnen über Vergangenheit, Gegenwart und künftige Ziele zu sprechen.
Wie seid ihr zum Klettern gekommen?
Jessy Pilz: Als ich neun Jahre alt war, habe ich bei mir zu Hause in Haag (NÖ) im Ferienprogramm zu klettern begonnen. Der Trainer, der das organisierte, hatte einige talentierte Kinder herausgesucht, mit denen er einmal pro Woche zum Klettern fuhr. Dort war ein Kletterturm, der im Freien stand. Wir mussten eine Stunde lang anreisen. Im Laufe der Zeit ist das Klettern immer mehr und häufiger geworden. Über regionale Kletterwettkämpfe bin ich dann mit 13 Jahren ins Nationalteam gekommen.
Jakob Schubert: Mein Taufpate hat mich in die Kletterhalle ins Tivoli mitgenommen. Zusammen mit meinem besten Freund bin ich dann einmal wöchentlich dorthin zum Klettern gegangen. Bald schon habe ich die Trainer Scherer Reini und Messner Rupert kennengelernt, die mich fragten, ob ich nicht mal ins Climbing Team Innsbruck reinschnuppern wollte. Das hat mir unheimlich gut gefallen, also begann ich gleich drei Mal in der Woche zu trainieren. Zu dieser Zeit spielte ich auch Fußball in einem Verein, was ich parallel zum Klettern noch ein halbes Jahr lang weiter machte. Dann entschied ich mich jedoch für den Klettersport und hängte meine Fußballschuhe an den Nagel. Durch meine Mitgliedschaft im Climbing Team Innsbruck war es von Anfang an normal, an Wettkämpfen teilzunehmen, dadurch bin ich bereits mit 11 Jahren zum Wettkampfklettern gekommen. Jessy: Nachdem ich zuhause meine Matura abgeschlossen hatte, bin ich nach Innsbruck gezogen. Hauptsächlich zum Klettern, da ja hier auch die neue Halle gebaut worden war. Auch mein Trainer ist aus Innsbruck, daher war es immer mein großes Ziel, hierher zu kommen.
Trainiert ihr gemeinsam?
Jessy: Eigentlich nicht.
Jakob: Zusammen nur in der gleichen Halle, aber unser Training ist natürlich unterschiedlich. Wir haben andere Trainingsstrukturen, die sind auf jeden Athleten individuell abgestimmt.
Wie sieht euer Training als Kletterer an der Weltspitze aus?
Jessy: Ich klettere immer drei Tage und mache dann einen Tag Pause. Der zweite Tag innerhalb dieser drei Tage ist immer eine Doppelsession, also zwei Mal pro Tag Training. Das sind dann schon rund fünf Stunden, die ich in der Halle verbringe, wobei auch meine Einzeleinheiten an die vier Stunden dauern. Durch diese "3+1" Kombination habe ich somit nie fixe Trainingszeiten, da sich mein Training ja jede Woche verschiebt.
Somit hast du ein Wochenpensum von 25 bis 30 Stunden - ohne Wettkämpfe?
Jessy: Ja, so ungefähr. Manchmal, wenn ich müde werde, beende ich das Training früher. Dann gibt es wieder Tage, wo es richtig gut läuft, da klettere ich dann länger.
Kletterst du nur in der Halle oder auch Outdoor?
Jessy: Eigentlich nur in der Halle. Ich habe fast keine Zeit dafür, irgendwo outdoor zu klettern, da mein Fokus klar beim Wettkampfklettern liegt. Maximal einmal im Winter kann ich die Gelegenheit nützen, dass ich für eine Woche nach Spanien fliege, um dort im Fels zu klettern.
Wie sieht dein Training aus, Jakob?
Jakob: Nun, ich denke, dass sich das Training von Athlet zu Athlet unterscheidet. Es gibt an der Weltspitze verschiedene Philosophien. Ich habe, da ich ja schon etwas älter bin, mein Training ein wenig umgestellt und reduziert, achte dabei aber jetzt umso mehr auf Qualität. Ich habe das Gefühl, dass mir das gut tut. Ich trainiere normalerweise fünf Tage in der Woche jeweils drei bis vier Stunden. Ich trainiere relativ selten doppelt an einem Tag, ergänze mein Training jedoch ein bis zwei Mal pro Woche im Olympiazentrum mit Ausgleichsaktivitäten wie Dehnen oder Mobilisierung.
Liegt dein Fokus nach wie vor beim Wettkampfklettern?
Jakob: Ja, natürlich. Vor allem in der Zeit, wo Wettkämpfe sind. Obwohl ich auch gerne im Freien klettere und während der Saison gelegentlich einen Klettertag am Fels einzubauen versuche. In der wettkampffreien Zeit, wie jetzt im Winter, nütze ich das dann richtig aus: Ich war jetzt zweimal für je zwei Wochen in Spanien beim Klettern im Freien. Da wir heuer aber sehr viele Wettkämpfe haben und auch die Olympiaqualifikation ansteht, fürchte ich, dass sich in diesem Sommer nicht viel freies Klettern ausgehen wird.
Was sind eure Ziele für 2019?
Jessy: Die Olympiaqualifikation für Tokyo und der Gesamtsieg im Vorstiegs-Weltcup.
Jakob: Auch ganz klar die Olympiaqualifikation, das ist das Wichtigste. Sollten sich zusätzlich noch ein paar Medaillen bei der WM ausgehen, nehme ich die natürlich gerne mit! Die WM findet normalerweise ja alle zwei Jahre statt, es gibt aber wegen der Olympiade 2020 auch heuer wieder eine Weltmeisterschaft. Klar, ein Weltmeistertitel ist super, der Olympiasieg aber das Größte.
An wie vielen Wettkämpfen nehmt ihr pro Jahr teil?
Jakob: Abgesehen von der WM letztes Jahr in Innsbruck, die ja 10 Tage lang mit sehr vielen Einzelwettkämpfen ein für die Athleten sehr langes Event war, machen wir beide pro Saison ein paar Boulderweltcups und alle Bewerbe im Vorstiegs-Weltcup. Gelegentlich klettern wir, wenn es beim gleichen Weltcup ist und wir somit nicht extra anreisen müssen, auch noch die Speedbewerbe mit. Das sind in Summe circa 15 internationale Wettkämpfe im Jahr.
Jessy: Ja, ich bin auch bei rund 15 internationalen Bewerben am Start. Dazu kommen noch die Staatsmeisterschaften und ein paar Masters. Masters sind Einladungsturniere, die nicht zum Weltcup zählen. Dafür gibt es dort mehr Preisgeld zu verdienen, außerdem sind sie vor dem Weltcup als Trainingswettkämpfe und Tests sehr gut geeignet.
Die Athleten im alpinen Schisport sind laut aktuellen Medienmeldungen körperlich absolut am Limit. Wie stark ist die Belastung bei euch?
Jessy: Wenn du nur in einer Disziplin antrittst, geht das ganz gut, da das drei bis vier Monate lang dauert. Wenn du aber wie wir ab April mit den Boulderwettkämpfen beginnst und dann ab Juni die Vorstiegs-Weltcups kletterst, kommt über das Jahr verteilt doch einiges an Belastung zusammen und du merkst, dass du gegen Saisonende hin müde wirst.
Steigt dann auch das Verletzungsrisiko?
Jakob: Ja, klar. Wobei die Wettkämpfe insgesamt ganz gut aufgeteilt sind. Nur im Juli gibt es eine Ballung mit mehreren Wettkämpfen, das ist dann schon recht anstrengend. Ein Problem ist, dass bei der Olympiade 2020 in Tokyo die Kombination als einzige Disziplin beim Klettern vertreten ist. Daher machen jetzt fast alle Kletterer die gesamten Wettkämpfe, um in dieser Kombi stark zu sein. Das war früher nicht so, fast jeder hatte sich auf eine spezielle Disziplin konzentriert! Ich hoffe, dass vier Jahre nach Tokyo dann alle Einzeldisziplinen unseres Sports olympisch sind!
Wie sieht für euch die Situation als Kletter-Weltstars finanziell aus?
Jakob: Wir bekommen Geld von unseren Sponsoren und verdienen, wenn es gut läuft, Preisgelder. Außerdem sind wir beide Heeressportler.
Wie hoch sind diese Preisgelder?
Jessy: Im Weltcup erhält der Sieger 3.850 Euro. Wenn du aber bei den Masters kletterst, kannst du mehr Preisgeld verdienen. Beispielsweise beim China Open, da gibt es rund 8.000 Euro für die Siegerin. Sonst würde aber auch fast keiner zur Teilnahme dorthin fliegen!
Wie lange wollt ihr noch als Profis im Weltcup klettern?
Jakob: Ich bin ja für den Klettersport nicht mehr ganz jung. Solange es mir Spaß macht und ich gut bin, möchte ich aber mit den Wettkämpfen weitermachen. Die Olympiade 2024, sollte es dann alle Einzeldisziplinen geben, ist sicherlich noch ein Ziel für mich.
Jessy: Wenn der Körper mitspielt und es mir Spaß macht, habe ich vor, mindestens die nächsten zehn Jahre Wettkämpfe zu klettern. Oder länger!?
FACTBOX: Erfolge!!!
Redakteur: Bernhard Schösser
Fotos: Moritz Liebhaber, Johann Groder, Bernhard Schösser