EAV - Alles ist erlaubt!

Alles ist erlaubt! - Interview mit Thomas Spitzer

 

Die Erste Allgemeine Verunsicherung, kurz EAV, befindet sich nach mehr als 40 Jahren künstlerischen Schaffens aktuell auf ausgedehnter Abschiedstour im deutschsprachigen Raum. Insgesamt 91 Konzerte stehen am Tourplan, drei davon (Innsbruck, Kufstein/27.06. und Imst/12.07.) in Tirol.
FREIZEIT-TIROL traf den sehr relaxten EAV-Mastermind Thomas Spitzer kurz vor dem mit 5.334 Besuchern restlos ausverkauften Konzert in der Olympiahalle in Innsbruck zum intensiven Gedankenaustausch über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Der Titel eurer aktuellen CD und Tour lautet "Alles ist erlaubt". Was bedeutet das?
Eigentlich ist es eine Bestandsaufnahme unserer Zeit, speziell der Politik. Das, was populistische Politiker in Europa momentan unter der Gürtellinie abschießen, wäre vor 20 Jahren absolut undenkbar gewesen und hätte zu einer sofortigen Amtsenthebung geführt!
Aber auch die EAV hat sich erlaubt, gewohnte Pfade zu verlassen und Facetten zu zeigen, die uns gefallen. So beispielsweise im Song "Gegen den Wind" mit Lemo. Es gibt nicht nur die "Klamauk-EAV" und die "Polit-EAV". Es gibt auch die "pointenlose EAV", wie sie sich auf diesem Album teilweise präsentiert und mit durchaus ernsten Nummern positive Betroffenheit erzeugt. Ob das dem "Party EAV" Fan gefällt ist Klaus (Eberhartinger) und mir ziemlich egal, denn am Ende kann man sich schon selbst einen Gefallen tun und ein Album machen, mit dem man würdevoll in den "Ruhestand" gehen kann!

Die EAV und Ruhestand? 
Ruhestand gibt es natürlich keinen. Auch nach der EAV geht das Leben in irgendeiner Art künstlerisch weiter. Klaus beispielsweise baut aktuell ein neues Haus in Kenia. Da bei uns beiden mit Ende 60 die zweite Hälfte des Lebens begonnen hat und es sehr viele Dinge gibt, die man nicht mehr parallel machen kann, ist eine weitere EAV Abschlusstour aktuell eher unwahrscheinlich. 
Ich widme mich der zu kurz gekommenen Malerei und schreibe noch für andere Künstler Texte. Ich nehme sogar sehr stark an, dass ich mich mit Klaus auf irgendeiner künstlerischen Ebene wieder treffe, sei es Theater oder Kleinkunst. Wir wollen nicht wie die Stones 30 Jahre auf Abschiedstour gehen, ich denke, jedes Ding hat seine Zeit. Wir wollen würdevoll abtreten und nicht mit fünf Hits durch die Bierzelte tingeln. Da würde ich mich vorher umbringen!

Was erwartet das Publikum im Programm auf eurer Abschiedstour? 
Klarerweise sind fast alle Hits drinnen, auch wenn ich sie persönlich nicht so liebe...! Aber als deren "Schöpfer" darf ich nicht darüber schimpfen, wir sind das dem Publikum natürlich einfach schuldig. Es sind auch ein paar "Perlen" mit dabei, die wirklich nur die Hardcore-Fans kennen, was aber bei Besuchern und auch Medien gut ankommt. Beispielsweise "Tanz, Tanz, Tanz", eine Uralt-Nummer, die wir überhaupt noch nie live gespielt haben. 
Von der neuen CD sind die für uns politisch relevanten Songs in der Setlist, insgesamt präsentieren wir also eine bunte und liebevolle Mischung. Nachdem ein Konzert der EAV schon immer ein "Kasperltheater für Jung und Alt" war, sind wir dieser Linie treu geblieben. So haben wir beispielsweise unseren alten Sarg wieder ausgegraben, den wir vor rund 30 Jahren das letzte Mal auf der Bühne hatten. So etwas kommt sehr gut an!

40 Jahre EAV: Was waren für dich persönlich die Highlights, was die Tiefpunkte?
Das klingt jetzt ein wenig diametral, aber für mich waren, wenn ich das so formulieren darf, die "sieben mageren Jahre", quasi unsere "Sturm- und Drang Periode", die schönste Zeit. Wir hatten ja wechselnde Sänger, zuerst Wilfried, dann Gert Steinbäcker. Damals haben uns alle Plattenfirmen attestiert "Ihr seid eine unheimlich tolle Rockkabarett-Combo, aber wir können euch leider nicht vermarkten!". Wir waren ein bedingungsloses Studentenkollektiv und haben sämtliche Arbeiten selbst erledigt, egal ob Kostüme nähen oder Requisiten zusammenschweißen. Als dann Klaus bei uns einstieg und die Hits kamen, brachten wir von den Tourneen zumindest neben Geschlechtskrankheiten auch endlich Geld mit nach Hause...! Und, so absurd es klingt, zu der Zeit, als wir die ganzen großen Hits produzierten, wurde es für mich persönlich eigentlich am unlustigsten. Natürlich nicht, was das Pekuniäre betrifft.
Aber nachdem ein Gründungsmitglied nach dem anderen bei der Band ausstieg und ich als "Urvater" der EAV übrig blieb, hatte ich irgendwie sentimentale Anwandlungen und dachte ans Aufhören. Wenn sich dein Geschäft quasi verselbständigt, da stirbt dein Traum doch ein wenig. Obwohl es auf den Folgealben auch tolle Nummern mit gutem Unterhaltungswert und politischer Brisanz gab! 1995 erkannte ich für mich selbst: Mehr kommerziellen Erfolg kannst du nicht haben! Wir hatten uns ja quasi mit allem schon selbst überholt: "Ding Dong", "Märchenprinz", "Trullulu und Trallala"...! Daher wollte ich wieder inhaltlich stärker werden, nach dem Motto "besser von wenigen geachtet als von der Masse bejubelt". Ab der Veröffentlichung von "Frauenluder", 2003, hatte ich dann wieder Spaß an der EAV, wenngleich die Leute sagten, dass wir nicht mehr so lustig wären wie früher...

Ihr seid ja von einer kritischen, wenn man so will "linken" Band zur Blödelkombo mutiert...?
Was aber jetzt wieder korrigiert wird und mir als Texter und Musikverantwortlichem sehr gut gefällt! Mit den Hits, dem Erfolg und dem damit verbundenen Image haben wir eine gewisse, kritischere Klientel verloren, die jetzt mit den letzten Alben aber wieder zurückgekommen ist. Was mich als Thomas Spitzer freut, einem Promoter oder der Plattenfirma aber egal ist. Was man der EAV nie vorwerfen konnte, sind Stillstand oder Ideenlosigkeit. Wenn ich auf die Hauptzeit meines bisherigen Lebens zurückblicke, würde ich es heute nicht viel anders machen!

Ihr spielt ja, so wie auch Wolfgang Ambros, in Österreich längst in einer "eigenen Liga"...!
Wolfgang Ambros war ja Mitwegbereiter der EAV. Seine Nummern und die Texte von Josi Prokopetz wie "Zentralfriedhof" oder "Da Hofer" waren für mich damals der Wahnsinn, ich war total geflasht! Ich weiß nicht, ob die EAV gegründet worden wäre, wenn es nicht Leute wie Ambros gegeben hätte! In Deutschland war meine Inspiration damals übrigens Udo Lindenberg, der coole Rocker, der Politik mit Humor verpackte. Musikalisch, international gesehen, war Frank Zappa mein Hero. Also haben wir halt auch probiert Musiktheater zu spielen...

Live hast du dich zuletzt auf den Tourneen ja eher rar gemacht...
Stimmt, in den letzten 10 Jahren habe ich immer nach Erscheinen der neuen CD, die ja mein Baby war, so die ersten 40 Konzerte gespielt und war dann wieder weg. Die restlichen "EAV Sommer-Hitparadenshows" in den Folgejahren mit rund 40 Minuten konnte ja ohnehin jeder spielen...!

Wie handhabst du das jetzt auf der Abschlusstour?
Interessanterweise verspüre ich jetzt mit den "dazugekommenen" Musikern den Spirit der Ur-EAV. Es sind super Musiker, die sich jeden Abend voll reinhängen. Das macht mir wieder richtig Spaß, ist cool, daher werde ich die ganze Tour spielen!

Zum Abschluss das Stichwort "Afrika"!
Ja klar, Klaus und ich sind ja schon fast drei Jahrzehnte in Kenia! Meine Liebe zu Afrika verdanke ich eigentlich Klaus. Er war schon vor mir in seiner Studienzeit ein ganzes Jahr in Afrika unterwegs und hat mir von seiner Hippiekolonie und dem dortigen Tourismus erzählt. Nur durch seine Erzählungen habe ich dann den Song "Afrika" geschrieben.
Irgendwann, ein paar Jahre später, sind wir nach Afrika geflogen, Klaus, Rudi Dolezal, ein paar Bekannte aus der Branche und ich, und da habe ich mich dann in das Land verliebt und sofort ein Studio geplant. Klaus und ich hatten 16 Jahre lang ein Haus zusammen in Kenia und daneben ein Studio. Ich habe mir in der Nähe dann ein neues Studio gebaut, so um 2004. Wir sehen uns jetzt nicht mehr so wie früher täglich in der Küche! Zur Zeit unserer großen Hits haben wir viel Geld verdient, und wer viel Geld verdient, dem fliegt alles zu. So saß ich wieder einmal im Flieger und wurde, wie damals üblich, kostenlos in die erste Klasse upgegradet. Hinter mir saß eine Dame, die dann sagte: "Ist der Massa gut bei Kassa fliegt First Class er nach Mombasa!". Ich habe mich total geschämt, aber so ist das Leben! Abschließend zum Thema "Afrika" möchte ich festhalten, dass die Unzufriedenheit hier in Mitteleuropa, die wir auch mit dem Song "Am rechten Ort" ansprechen, vollkommen sinnlos und ungerechtfertigt ist. Wir haben, ohne eigenes Zutun, das Glück, in Frieden hier in Mitteleuropa zu leben, sozial super gebettet. Jeder, der unzufrieden ist, dem wünsche ich einmal einen Aufenthalt in Afrika, drei Wochen in einem Dorf ohne Strom - und schon ist man zufriedener!

 

Text und Fotos:
Bernhard Schösser