Gemeinsam statt Einsam!
Skitourengehen und Pistentourengehen boomen! Skitourengeher, die am Pistenrand nach oben gehen, hat es immer schon gegeben. Allerdings war das Skitourengehen bis vor rund 20 Jahren ein Sport weniger Bergfexe im alpinen Gelände, die Berge im Winter einsam und verlassen, teilweise fast unberührt. Mittlerweile ist das Tourengehen zum Massensport geworden - mit über 500.000 Ausübenden in Österreich. Viele Sportler, die im Sommer bergwandern, laufen oder mountainbiken, entdecken das Skitourengehen für sich. Da auch der Schnee, speziell zu Winterbeginn, oft nicht in ausreichender Menge und Qualität vorhanden ist, werden die beschneiten Pisten - quasi als Ersatz zum Fitnessstudio - gestürmt. Die Gründe dafür sind neben Schneemangel vielfältig: Mangelnde Zeit oder fehlende Erfahrung, um im alpinen Gelände zu gehen, zu wenig skifahrerisches Eigenkönnen, Bequemlichkeit und anderes mehr. So schwellen alljährlich die Konflikte zwischen den Skifahrern, die ein Liftticket bezahlen und dafür eine präparierte und beschneite Piste vorfinden wollen, und jenen, die diese Pisten quasi "kostenfrei" ersteigen möchten, besonders zu Saisonstart kontinuierlich an. Das Pistentourengehen findet zunehmend auch in den Nachtstunden statt, was wiederum die Seilbahnbetreiber und Pistenarbeiter massiv stört bzw. dazu führt, dass die frisch hergerichteten Pisten am nächsten Morgen wieder zerfurcht von den zahlenden Schifahrern vorgefunden werden - somit dreht sich die Diskussion im Kreis.
Das Thema "Nachttouren" wird im Großraum Innsbruck seit 2011 dadurch gelöst, dass die verschiedenen Bergbahnen gemeinsam koordiniert ein oder zweimal pro Woche einen "Tourengeher Abend" anbieten, der allerorts gut angenommen wird. So sieht Martin Simoni von der Axamer Lizum das Thema sehr entspannt: "Wir haben Montag und Freitag Tourengeher Abend. Das funktioniert perfekt". Probleme mit Pistentourengehern gebe es in der Lizum fast keine, gelegentlich laufen Hunde mit oder Tourengeher quer über die Pisten, das seien aber Einzelfälle. Natürlich sei das Thema auch abhängig von der generellen Schneelage. Adrian Egger von der Patscherkofelbahn hat mit den Tourengehern auch keine Probleme. Untertags werden aktuell einige alternative Aufstiegsrouten per Beschilderung angeboten. Der Donnerstagabend decke den nächtlichen Bewegungsdrang der meisten Skibergsteiger ab. Gelegentliche "illegale" Nachttourengeher gebe es zwar, diese seien am Hausberg der Innsbrucker bis jetzt aber kein wirkliches Problem. Ein Gebiet im Großraum Innsbruck, die Bergbahnen Rosshütte, hatte zu Beginn des aktuellen Winters trotz bis dato großzügig ausgelegter Regeln richtig Ärger mit Horden aufsteigender Tourengeher. Daraufhin gab es, auch in den sozialen Medien ausführlich diskutiert und geteilt, die "letzte Warnung" an alle Unbelehrbaren. Ein neuer Aufstieg (Forstweg zur Hochegg Alm) wurde geschaffen, die Parkmöglichkeiten klar reglementiert. Mittlerweile hat sich die Situation wieder verbessert. Thomas Kriner von den Bergbahnen berichtet, dass die Konflikte auf der Piste stark zurückgegangen sind. Der offizielle Tourengeher Abend an den Freitagen funktioniere ebenfalls sehr gut. Im Gegensatz zum Patscherkofel laufen jedoch auch während der Woche viele Freizeitsportler nachts auf die Rosshütte, was wegen der Windenpräparierung eine erhebliche Gefahr darstellt. Die durch diese Unbelehrbaren verspurten Pisten ärgern wiederum die normalen Schifahrer am nächsten Morgen ...!
Wie sieht die Situation nun außerhalb von Tirol aus?
Auf der Gerlitzen bei Villach in Kärnten werden für Skitourengeher seit 2005 Gebühren eingehoben. Aktuell sind acht Euro an der Kassa oder am Automaten für ein Skitourenticket (das auch beim Aufstieg vom Liftpersonal kontrolliert wird) zu bezahlen, der Parkplatz ist hier schon inkludiert. Eine Saisonkarte für Tourengeher kostet 71 Euro. Das Pistentourengehen ist bei einer normalen Skisaisonkarte kostenlos mit dabei. Was anfänglich ein Riesenaufschrei war, ist mittlerweile akzeptiert, so Markus Ramsbacher von den Gerlitzen Bahnen. Auch habe man ein entsprechendes Bewusstsein bei den Skitourengehern geschaffen. Ein Nachttourenangebot besteht auf der Gerlitzen nicht. Vereinzelt gibt es trotzdem Probleme mit Nachttourengehern, was insofern ärgerlich und gefährlich ist, da regelmäßig drei Seilwindengeräte im Einsatz sind. Die Gasteiner Bergbahnen in Salzburg haben kürzlich sogar auf YouTube ein eigenes Video zu dieser Problematik veröffentlicht, um eindringlich auf diese Gefahren der nächtlichen Präparierung hinzuweisen. Katrin Kapeller von den Bahnen erklärt, dass das Video auch für die auf Skihütten feiernden Skifahrer produziert worden sei, die dann zu später Stunde - nicht mehr ganz fit - die Talfahrt antreten. Das Pistentourengehen sei untertags bis jetzt kein Problem und wird daher von den Gasteiner Bergbahnen akzeptiert und nicht reglementiert. Am Abend besteht dienstags die Möglichkeit den Stubner Kogel zu besteigen, mittwochs und freitags und auch bei Vollmondtagen wird eine Tourenmöglichkeit auf den Graukogel angeboten. Probleme gebe es in der Nacht nicht, die Öffnungszeiten bis 22 Uhr werden brav eingehalten.
Zu Winterbeginn medial präsent war die Wurzeralm in Oberösterreich: Hier gilt es seit diesem Winter, wohlfeile 14 Euro zu bezahlen, will man den Berg mit Skiern besteigen. Die Saisonkarte für Pistentourengeher kostet 140 Euro. Der Aufstieg ist nur auf einer eigenen Spur neben der Talabfahrt möglich. Neben dem Parkplatz ist aber auch eine Liftfahrt in diesem Preis inkludiert, um beispielsweise zuerst mit der Standseilbahn nach oben zu fahren, und von dort einen weiteren Berg zu besteigen. Die Bergbahnen sehen das als Mehrwertleistung am Gast, wie Irene Trinkl von den Hinterstoder-Wurzeralm Bergbahnen bestätigt. Nachtskitouren sind immer mittwochs bis 22 Uhr möglich, es gibt für die Abfahrt eine eigene Piste, die geöffnet ist. Bei Vollmond und zwei Tage vorher besteht diese nächtliche Möglichkeit ebenfalls. Überraschend ist, dass auch hier das Problem der Nachtskitourengeher besteht: Während in den Gebieten rund um Innsbruck oder auch auf der Gerlitzen, die zwischen Villach und Klagenfurt liegt, klar ist, dass sich die städtische Bevölkerung abends noch auspowern will, überrascht es bei der Wurzeralm doch insofern, da Linz eine Autostunde entfernt ist. Trotzdem kommen regelmäßig Linzer zum Nachskitourengehen, so Trinkl. Das Feedback auf die Einführung dieser doch etwas hohen Gebühr war anfänglich teilweise auch durchaus negativ. Nach wie vor sind auf der Wurzeralm viele Tourengeher anzutreffen, wenn auch ein paar weniger als in den Vorjahren.
Um künftig die Situation zwischen den beiden Gruppen der Wintersportler und den Bergbahnen nicht noch weiter zu verschlechtern, wird es vor allem aus Sicht der Pistentourengeher wichtig sein, sich an ein paar Spielregeln zu halten: Ausschließlich Routen zu benützen, die von Skigebietsbetreibern freigegeben sind, die vorgegebenen Benützungszeiten einzuhalten und auch geringfügige Benützungsbeiträge, oft als Parkplatzgebühr, zu entrichten. Aufsteigen am Pistenrand sollte ebenso selbstverständlich sein wie hintereinander zu gehen, anstatt in einer Traube Engstellen auf der Piste zu produzieren. Der Österreichische Alpenverein, mit 521.000 Mitgliedern der größte Bergsportverein Österreichs, plädiert neben der unbedingten Anwendung von "Hausverstand" zur Einhaltung verbindlicher Regeln.
Ähnlich den FIS Regeln hat man 10 Regeln für Pistenskitouren definiert, deren Beachtung viele Konflikte bereits im Keim ersticken würde. OEAV - Experte Michael Larcher appelliert an die gegenseitige Rücksichtnahme: "Die Pisten sind für Liftbenützer gebaut. Tourengeher sollten sich daher auch wie Gäste im Skigebiet verhalten und ein paar grundlegende Regeln beachten. Sperren während der Pistenpräparierung müssen allein schon aus Sicherheitsgründen ernst genommen werden Die Aufstiegsspur gehört an den Pistenrand, und vor allem an Engstellen geht man einzeln hintereinander, um die Abfahrer nicht zu behindern. Gleiches gilt für das Queren von Pisten - bitte nur an übersichtlichen Stellen und mit genügend Abstand." Für den Ansatz, von Tourengehern an manchen "Hotspots" einen angemessenen Infrastrukturbeitrag einzuheben, zeigt der Alpenverein Verständnis. Allerdings könne man den Boom der Pistentouren auch nutzen, um gemeinsam neue Konzepte zu erarbeiten, von denen alle Beteiligten profitieren. "Tourengeher auszusperren oder gar zu strafen, wäre mit Sicherheit der falsche Weg", so Larcher. So bleibt neben dem Appell an ein vernünftiges Miteinander aller Beteiligten die Hoffnung, dass auch die "schwarzen Schafe" unter den Pistentourengehern künftig einsehen, dass es vor dem totalen Aussperren der Tourengeher aus den Skigebieten besser ist, "gemeinsam statt einsam" diesem tollen Sport im wahrsten Sinn des Wortes nach zu gehen.
Redakteur: Bernhard Schösser
Fotos: Alpenverein, Norbert Freudenthaler, M. Scheuermann, Mario Zott