Jetzt und Wir - Der Luftballon steigt unaufhörlich!

Jetzt und Wir - Der Luftballon steigt unaufhörlich!

 

Ohne Übertreibung kann man "Jetzt und Wir" als die Tiroler (rock-)musikalische Überraschung des letzten Jahres sehen. Das Video zur kürzlich veröffentlichten, ersten Single "Luftballon" wurde alleine auf Facebook fast 80.000 Mal angeklickt, die Nummer läuft in Deutschland bei einzelnen Radiosendern mittlerweile in "Dauerrotation" und auch sonst sieht die nähere Zukunft der Band um Chefin und Boss Susi Kra sehr rosig aus. FREIZEIT-TIROL stellt "Jetzt und Wir" ausführlich vor!

Susi, wie bist du zur Musik gekommen?

Da muss ich nur eine kurze Zeitspanne zurückspringen - ich komme ja ursprünglich aus Innsbruck, habe aber über 10 Jahre in Wien gelebt und dort auch den Bernie, meinen jetzigen Bassisten, kennengelernt. Er hat mich zum Musikmachen gebracht. Anders als bei den meisten meiner Kolleginnen und Kollegen hat mein Schaffen nämlich erst mit 30 Jahren begonnen und ich bin völlige Autodidaktin. Bis auf den obligatorischen Blockflötenunterricht in der Volksschule hatte ich überhaupt keinen Bezug zum aktiven Musizieren und war nur leidenschaftliche Musikkonsumentin und Konzertbesucherin. Bernie, im Gegensatz zu mir ein waschechter Musiker, hat damals als erster mehr in mir gesehen und mich einmal vermeintlich als Zuhörerin zu einer Bandprobe in einen modrigen, kalten, feuchten Proberaum eingeladen. Dort hat er mir dann unvermittelt und mich völlig überfordernd ein Mikro unter die Nase gehalten und gesagt: "Und jetzt sing!". Bumm - auf einmal öffnete sich eine Tür in eine neue, fantastische Welt, in der ich mich zunächst zwar komisch, aber von Anfang an heimisch, fühlte. Dieses Erlebnis stand auch Pate für unsere erste Single "Luftballon". Der Song ist eine Einladung in ein verwunschenes Spiegelkabinett und damit zu einem Ausflug aus dem Alltäglichen in das wundervolle Unbekannte. Dieses Spiegelkabinett war und ist für mich jeder Proberaum. Wenn ich mit meinen Jungs da unten im Keller bin, betrete ich ein anderes Universum. Dort kann ich machen und sein, was und wer ich will, kann mich in jede Geschichte hineinschreiben und den Gedanken in meinem Kopf ungezügelt freien Lauf lassen. Daher kommt auch der Bandname. Wenn wir gemeinsam Musik machen, existiert für mich weder Zeit noch Raum, sondern eben nur das "Jetzt und Wir".

Wie ist das Bandprojekt "Jetzt und Wir" entstanden?

Das Leben hat uns beide, Bernie und mich, wegen eines schweren, familiären Krankheitsfalls vor vier Jahren mit einem großen Knall zurück nach Innsbruck geschossen. Das war für mich bis zum Zeitpunkt des Umzugs bzw. auch noch eine Zeit lang danach völlig unvorstellbar und surreal, weil ich damals mit der Einstellung nach Wien gegangen bin, nie mehr wieder zurückzukommen. Mit dieser fremdbekannten Situation hier habe ich mich anfangs schwer getan und mir ist die Musik sehr abgegangen. Aber ich habe gelernt, das Leben kommt, wie es kommt, mal zauberhaft mal albtraumhaft und es liegt an jedem selbst, das Beste aus dem zu machen, was man bekommt. Ich kannte natürlich keinen einzigen Musiker und hatte überhaupt keinen Anschluss an die "Szene". Also habe ich in der ersten Zeit viele Texte geschrieben, was für mich persönlich wichtig und erleichternd war. Das hat mir aber nie ganz gereicht. Also hab ich angefangen, hie und da in kurzlebigen Projekten, die ich übers Internet gefunden habe, zu singen, aber nichts davon war so richtig "meins". Mit einem motivierenden Schubs von Bernie, der praktischerweise alle gängigen Rockband-Instrumente spielt, und einer gehörigen Mischung aus Mut und Wahnsinn, habe ich dann 2018 das Leben am Schopf gepackt und mein eigenes Bandprojekt in Angriff genommen. Man muss sich hier aber vor Augen halten, dass ich zu diesem Zeitpunkt praktisch keinerlei Erfahrung als Musikerin hatte und erst recht überhaupt keine als Bandleaderin. In meinem Leben vor "Jetzt und Wir" habe ich vielleicht fünf kleine Konzerte in Wiener Bars gespielt, das war's. Aber wenn in meinem Kopf ein Gedanke zu reifen beginnt - und dieser Gedanke wuchs auf sehr nahrhaftem Boden - lege ich auch meine ganze Kraft und Energie in seine Umsetzung. Dazu war auch die Vorstellung, meine ganz eigenen Ideen umsetzen zu können, ohne mich an andere anpassen zu müssen, ohne Kompromisse quasi auf der ersten Seite eines Hefts neu beginnen zu können, sehr verlockend. Offensichtlich hatte das Universum auch nichts dagegen, weil es mir meine Herzensmusiker, einen nach dem anderen, quasi vor die Tür gestellt hat.

Wer sind nun deine Herzensmusiker bei "Jetzt und Wir"?

Bernie, "The Mad Alchemist", gehörte ja von Anfang an quasi "zum Inventar", ursprünglich saß er damals am Schlagzeug. An den Bass wechselte er erst später. Er ist unser musikalischer Mastermind, Tontechniker, Arrangeur und mein unersetzbares Herzstück in diesem Projekt. Meine zwei Gitarristen kannte ich flüchtig von früheren Projekten und wollte sie beide unbedingt bei "Jetzt und Wir" mit dabei haben. Zuerst unseren Spanier, "Mr. Torres": Ihm mussten wir anfangs noch mit einem Amp aushelfen, weil er in Innsbruck nur sporadisch Musik machte und gar kein eigenes Equipment vor Ort hatte. Er hat mich von Beginn an mit seinem feinen Gespür für Atmosphären begeistert. Wenn er die ersten paar Töne anschlägt, ändert sich die Energie im Raum. Er ist ein unglaublich vielseitiger und dabei sehr unkomplizierter Musiker. Als zweites kam Andi Namaste. Er und ich kamen schon beim ersten gemeinsamen Jam in einer anderen Band wunderbar miteinander aus - sowohl persönlich als auch mit unseren "Instrumenten". Er ist wie ich ein sehr einfühlsamer Mensch und unser Melodiegeschmack ist sehr ähnlich. Er weiß daher sofort, was ich mir vorstelle, so ergänzen sich unsere Linien meistens ganz von selbst. Markus, mein "magisch-panischer" Pianist, ist mir letzten Sommer in leicht angeheitertem Zustand (er, nicht ich) beim Ausgehen in Innsbruck über den Weg gelaufen. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden, er hat bei den Proben immer mehr gezeigt, dass er nicht nur ein guter Keyboarder sondern auch ein toller Songwriter ist. So wie ich verwendet er die Sprache als Instrument und zeichnet mit feiner Klinge Bilder in die Köpfe der Zuhörer. Da er vor Konzerten immer noch nervöser ist als ich, ist er eben unser "magisch-panischer" Pianist. Meinen Drummer, Andi Neuner, hab ich dann, wie er es selbst liebevoll ausdrückt, beim "Speeddating" über Facebook kennengelernt. Ich war Anfang 2019 ohne Schlagzeuger, da unser vorheriger Drummer die Band aus gesundheitlichen Gründen verlassen musste. Trotz intensiver Suche stand ich bis relativ kurz vor einem bereits vorher fixierten Konzert immer noch ohne Trommler da. Andi hat sich dann auf meine Facebook-Anzeige hin gemeldet, kam zum Vorspielen und es hat einfach gepasst. Vier Tage später spielte er sein erstes Konzert mit uns und hat diese Feuertaufe bestens gemeistert!

Welche Art von Musik macht ihr?

Wir machen Rockpoesie, mit kraftvollen Melodien und deutschsprachigen Versen. Die Songs handeln allesamt von uns, unseren Geschichten, Erfahrungen und Lehren, die wir daraus ziehen - in Rockmusik gegossen und mit einem Hauch Magie verfeinert. Ich schreibe leidenschaftlich gerne Gedichte, rund um die schönsten Passagen komponieren wir dann moderne Rocksongs. Mein absolutes Lieblingsinstrument ist die Gitarre, daher dürfen die beiden Gitarristen auch nach Herzenslust solieren. Meistens legt Bernie den musikalischen Grundstein für die einzelnen Nummern, er ist ein absoluter Könner, wenn es ums Arrangieren geht. Die Jungs haben allesamt die seltene Gabe, gut zuhören zu können, so ergänzt jeder seinen Part, bis der Song meiner Meinung nach vollkommen ist. Weil ich eine wildromantische Ader habe, tropft in meiner Wahrnehmung auch immer etwas Fantasie in alltägliche Situationen und damit in meine Geschichten. Deshalb erzähle ich vom unsichtbaren Königreich des Verliebtseins, bedrohlichen Schattenwelten des Kummers oder dem fremden Planeten, den ich bei meiner Rückkehr nach Innsbruck vorgefunden habe. Bei einem Song, der nicht von mir stammt, ist es auch schon einmal "Liebe auf den ersten Blick". Markus hatte mir in einer Probenpause eher nebenbei einen Entwurf am Handy vorgespielt. Ich hab ihn gehört und gewusst, das ist es: Daraus wurde der "Schwarze Vogel" - eine unserer schönsten und berührendsten Nummern.

Was bedeutet dir diese Band?

Zunächst ist diese Band kein einfaches Hobby mehr für mich, sondern ein großer Teil meines Lebens geworden. Ich nehme dieses Projekt sehr ernst, weil ich einerseits keine Kompromisse schließen und andererseits vorwärts kommen will. Daher herrscht bei "Jetzt und Wir" keine Demokratie, sondern die reine, nämlich meine Diktatur. Aber bei aller Herrschsucht, die ich unumwunden zugestehe, ist es mir wichtig, dass ich den Spagat schaffe, dass sich meine Bandmitglieder wohl und frei fühlen. Ich will das Beste, für uns, aber auch von uns! Meiner Erfahrung nach sind die besten Songs diejenigen, die direkt aus der Seele kommen. Dazu braucht es Vertrauen zueinander und die Möglichkeit, Sachen ohne Schranken ausprobieren zu können. Ich versuche, für alle eine persönliche Komfortzone zu schaffen, damit sich jeder "kreativ aus dem Fenster lehnen kann". Das ist bei einem so bunt zusammengewürfelten Haufen, der ja nicht in jahrelanger Freundschaft gewachsen ist, gar nicht so einfach. Dazu kommt noch, dass ich selbst sehr genaue Vorstellungen habe und wie gesagt, kompromissunwillig bin. Das führt dann schon zu der einen oder anderen kreativen Reiberei, was für mich vollkommen ok ist, da es ehrlich und authentisch ist. Mir ist nur wichtig, dass Unstimmigkeiten angesprochen und anschließend bereinigt werden, was aus meiner Sicht bis jetzt gut funktioniert. Ich bewundere meine Crew sehr dafür, dass sie dieses, uns ganz eigene Gleichgewicht, das aus dem zarten gemeinsamen Schaffen und meiner manchmal harten Linie besteht, immer wieder hält. Für mich ist jeder einzelne von ihnen ein Geschenk, für das ich ehrlich dankbar bin. Wenn ich mir unser bisheriges Repertoire so anschaue, habe ich das Gefühl, dieses Kreativkarussell funktioniert. 

 

Wo wollt ihr hin?

Um bei dieser Metapher zu bleiben, wir stecken alle viel Energie und Liebe in "Jetzt und Wir", wir merken mittlerweile, dass das Ringelspiel beginnt, sich zu drehen. Noch vor einem Jahr standen wir zu viert mit drei angefangenen Songs im Proberaum. Jetzt haben wir einen Manager, präsentieren am 26. August unsere erste Single "Luftballon" live bei "Guten Morgen Österreich" im ORF, durften vor kurzem unser bisher größtes Konzert beim Summer Open Air der Coffeebar Innsbruck spielen und bringen im Frühling des nächsten Jahres unser erstes komplettes Album heraus! Rückblickend war das Ganze zwar eine wahnwitzige, aber für mich auch die einzige sinnvolle Idee. In mir tummeln sich so viele Gedankenspiele von Kompositionen, Texten, Bühnenshowelementen, Musikvideovorstellungen, Outfitkreationen (die ich großteils selbst designe und schneidere), die alle an die Oberfläche drängen. In diesem, meinem Spiegelkabinett haben sie endlich alle die Freiheit, sich zu entfalten und zu vermehren. Nach vorne blickend habe ich zurzeit zwei große Ziele: Zum einen möchte ich "Jetzt und Wir" im Radio hören und zum anderen will ich auf die großen Bühnen der bekannten Festivals wie Novarock oder Sziget. Diese Gedanken reifen in meinem Kopf und wachsen auf weiterhin nahrhaftem Boden...!

 

Text und Fotos: Bernhard Schösser