Lights out @Hafen!

Lights out @Hafen!

 

Innsbruck, April 1989: Der Veranstalter, für den der Verfasser dieser Zeilen zu jener Zeit als unterbeschäftigter Student arbeitete, musste, um die Band "Element of Crime" veranstalten zu können, eine zweite Band (der Name tut hier nichts zur Sache) zeitnahe ebenfalls in Innsbruck auftreten lassen. Um dieses Zwangspaket kostengünstig abwickeln zu können, wurde dieses Konzert im damaligen "Alten Haven" veranstaltet - und so kam es zum ersten Kontakt mit dem damals noch arg verwahrlosten Areal nahe der Autobahnauffahrt West. Hier lebte, oder vegetierte, die sogenannte autonome Tiroler Szene, Punker und Obdachlose. Die Konzertlocation, die durch ein Fenster betreten werden durfte, glich einem Müllgelände. Die dort wohl eher hochstaplerisch und in bösgläubiger Absicht als "Eigentümer" auftretenden Gestalten blieben allen am Konzert Beteiligten, freundlich ausgedrückt, als "extrem unkooperativ" in Erinnerung...

Innsbruck, April 2019: Der seit rund 25 Jahren etablierte Hafen, das letzte freie und nicht subventionierte Kulturzentrum der Landeshauptstadt, gibt sein Ende für Mitte des Jahres bekannt. Der Grundeigentümer, eine private Immobilien-Gesellschaft, will dort künftig Büros, Cafés, Shops und studentisches Wohnen realisieren. Bei den aktuellen Preisen in der Alpenhauptstadt wohl ein profitableres Projekt!

Grund genug, um zusammen mit Hafen Boss Alfred Schmid und seiner Geschäftsführerin Tanja Eder ein wenig auf Spurensuche zu gehen und in Erinnerungen dieser dazwischen liegenden 30 Jahre zu schwelgen. Schmid, Anfang der 1990er Jahre Tirols Großveranstalter mit Konzerten von Kelly Family bis Rammstein, suchte nach der Beendigung der Zusammenarbeit mit der Messehalle eine neue Location, eigentlich, um das eigene, mittlerweile doch sehr umfangreiche technische Equipment zu lagern. Zusammen mit den damals blutjungen DJs Andreas Possart und Matthias Klingler wurde das Gelände des "Alten Haven" gefunden und Schritt für Schritt renoviert. Nachdem sich die beiden jungen Kompagnons schon bald wieder aus dem gemeinsamen Projekt verabschiedet hatten, blieb Schmid, der bereits eine Menge Geld und Zeit in die neue Location investiert hatte, am nun "neuen Hafen". Auch um etwas Kleines, Feines und Herzliches als Kontrast zu seinen sonstigen Großveranstaltungen machen zu können. "Ich hatte damals in drei Tagen hintereinander Cher, Joe Cocker und Herbert Grönemeyer in der Olympiahalle in Innsbruck organisiert!", erinnert er sich mit einem Schmunzeln an den Megastress. Die meisten seiner Veranstalterkollegen seien verkorkste Musiker, die es selbst nicht auf eine große Bühne geschafft hätten, und daher Veranstaltungen machen, sieht Schmid seinen Mitbewerb. Sich selbst attestiert er jedoch ein Helfersyndrom, das ihn dazu bewegte, am Hafen verschiedenste Veranstaltungen aller Art und Größe anzubieten, um die Menschen glücklich zu machen. "Ich als Musiker? Nein, drei Monate Blockflötenunterricht in der Volksschule waren genug!" Anders als beispielsweise Treibhaus Chef Norbert Pleifer hatte Alfred Schmid beim Hafen nie eine Ideologie dahinterstehen. "Wir wollten im Hafen immer nur Plattform sein, wir kümmerten uns um alle Bewilligungen für unsere Kunden, die dann machen konnten, was sie wollten", so Tanja Eder, die seit 15 Jahren beim Hafen mit dabei ist.

Ausgenommen sind und waren immer politische Veranstaltungen und links- wie rechtsextreme Tätigkeiten. Überregionale Bekanntheit erreichte man auch mit der seit vielen Jahren veranstalteten Erotikmesse. Schmid erinnert sich: Vor rund 15 Jahren rief ihn der Innsbrucker Bischof Stecher an. Er habe nichts gegen die Erotikmesse, nur Sonntag (damals letzter Tag des erotischen Messewochenendes) sei der Tag der heiligen Messe. Ob Schmid das ändern könne.

Schmids Vorschlag, die Erotikmesse künftig von Donnerstag bis Samstag abzuhalten und die Messeverwechslung somit komplett auszuschließen, gefiel dem Innsbrucker Oberhirten so gut, dass er sich dafür spontan bereit erklärte, im Hafen eine seiner beliebten Lesungen abzuhalten. Schmid glaubte zuerst eher an eine höfliche Floskel, doch der Bischof hielt sein Wort: Binnen weniger Minuten waren die rund 1.000 Tickets im Vorverkauf weg und die Veranstaltung (deren Einnahmen übrigens zu 100 Prozent gespendet wurden) ist für immer eines der persönlichen Highlights von Alfred Schmid im Hafen geblieben.

Oder der Auftritt der Toten Hosen: Sänger Campino und seine Band trafen, nach der ausverkauften Wiener Stadthalle am Vorabend, noch etwas verkatert im Hafen ein. Campino, gewohnt auf den größten Bühnen zu stehen, war anfangs ob der gesamten Location etwas entsetzt. Als er dann körperlich wieder hergestellt war, spielten die Hosen eine rund 3,5 Stunden andauernde Traumshow, die Schmid, der ja berufsbedingt schon viele Bands live gesehen hatte, nachhaltig in Erinnerung geblieben ist. Eigentlich, so Schmid, spielten fast alle bekannten Namen schon im Hafen, einerseits, wenn sie auf dem Weg nach oben waren, andererseits, wenn Popularität und Ticketverkauf wieder etwas im Sinken begriffen waren.

Im Laufe der fast 25 Jahre Hafenhistory wurden weit über 10.000 Veranstaltungen abgewickelt, über sieben Millionen Besucher kamen auf das Areal und in die Hallen. Ein interessantes Detail: Der samstägliche Flohmarkt wurde ohne Unterbrechung 1.243 Mal hintereinander am Parkplatz durchgeführt, egal ob bei Starkregen oder meterhohem Schnee. Auch als der Inn über die Ufer trat und das Gelände rund 30 cm hoch überflutet war, fand der Flohmarkt statt. Hier sieht Schmid abermals die soziale Komponente: "Als vor zwei oder drei Jahren Weihnachten und Silvester auf einen Samstag fielen, dachten wir daran, erstmals an diesen Tagen zu pausieren. Doch es riefen zahlreiche Aussteller an und erklärten, dass sie die ganze Woche niemanden zum Reden hätten und daher unbedingt diese Termine bräuchten!". An einem schönen Tag im Frühjahr und Herbst kommen übrigens rund 10.000 Besucher zu diesen Flohmärkten.

Dass der Hafen als Zentrum für Randgruppen belächelt wurde, sieht Schmid gelassen: Würde man sämtliche Randgruppen seines Veranstaltungszentrums zusammen zählen, ergeben sie rund 80 Prozent der Bevölkerung. "Eher sind die Besucher im Haus der Musik oder im Landestheater da die Randgruppe!". Es gebe außer im Hafen in Tirol keine Location, wo rechts eine Türkenhochzeit, in der Mitte ein Hardrock Konzert und links eine Schwulenparty gleichzeitig unter einem Dach stattfinden können, so Eder.

Betriebswirtschaftlich stellt sich die Geschichte des Hafens ganz einfach dar: Es gab nie Subventionen von Stadt oder Land. Investiert wurden mehrere Millionen Euros (und seinerzeitige Schillinge) für die laufende Erhaltung der Hallen und in neue Technik. Außerdem wurden rund vier Millionen Euro an Mieten für das gesamte Gelände bezahlt. In den Hallen werden letztmalig Anfang Juli Veranstaltungen stattfinden. Im Juli und August gibt es dann noch die letzten Flohmärkte, bevor am Hafen endgültig das Licht ausgeht. Parallel dazu soll das bestehende Inventar verwertet werden.

Somit stellt sich die Frage nach einem Hafen 2.0! Schmid und Eder orten extrem positive Signale aus allen politischen Parteien für einen wie auch immer aussehenden Weiterbestand seines Veranstaltungszentrums. Bürgermeister Georg Willi und Vizebürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer hätten sich ja medial schon mehrfach für eine Fortführung des Konzeptes stark gemacht. So hoffen Eder und Schmid darauf, dass der Bürgermeister, ähnlich wie seinerzeit Bischof Stecher, sein Wort halte! Ebenso gibt es massive Zustimmung aus der Bevölkerung und eine laufende entsprechende Onlinepetition mit starker Beteiligung. Er hätte von der Politik in den vergangenen 25 Jahren aktiv nie etwas gefordert, so der Hafen Chef. Doch habe ihn die Politik, speziell die ehemalige Bürgermeisterin Hilde Zach, sehr oft durch Taten unterstützt. So habe Zach immer darauf geschaut, dass alles Neue im Hafen friktionsfrei funktioniere, auch im Sinne der Anrainer. Auch zur ehemaligen Bürgermeisterin fällt Schmid ein persönliches Highlight ein: Beim Open Air von Zucchero, bei dem es in Strömen regnete, tanzte Hilde Zach mit ihrem Lebensgefährten eng umschlungen im warmen Sommerregen.

Die einzige Standortanforderung der Hafenbetreiber für eine Fortführung sei es, dass man niemanden lärmmäßig belästige. Sonst gebe es keine Anforderungen, so Tanja Eder. Und Alfred Schmid ergänzt: "Hafen 2.0 bedeutet laut Wikipedia, dass man die Menschen noch besser, personenspezifischer integriert. Das Projekt Hafen kann überall stattfinden, es ist nur an meine Ideologie, "keine Ideologie zu haben", gebunden!". Langfristig glaubt Schmid abschließend, dass ein solches Projekt in die von der Stadtentwicklung in den kommenden 10 - 15 Jahren neu zu gestaltende Innpromenade (das Gebiet von der bestehenden Markthalle bis zum jetzigen Finanzamt) integriert werden müsse: "Vorausgesetzt die Schalltechnik passt, wäre das irgendwann wohl das Projekt "Hafen 4.0", bei dem ich dann aber nicht mehr dabei sein werde!".

 

Fotos: Archiv Hafen und Bernhard Schösser
Text: Bernhard Schösser