„Mei, ist das Leben schön!“

Herbst 1980, Akademisches Gymnasium, Innsbruck: „Schösser, kimm außa, mal ma a Tonleiter auf die Tafl!“ Schösser, nichts gelernt, scheitert erfolgreich. „Mei Schösser, du Pfeifn, Mayr, kimm du und mal die Tonleiter!“. Mayr ereilt das Schicksal seines Vorgängers. „Es Pfeifen, sing ma a Liadl!“, der Musiklehrer greift zur Ziehharmonika und los geht’s. Mayr war bis vor kurzem Damentrainer bei FC Wacker Innsbruck, Schösser u.a. hier als Herausgeber tätig. Der Musiklehrer war und ist Franz Posch, im August 2023 stolze 70 Jahre jung. Franz Posch hat viele Fans, so nebenbei ist er der längst dienende TV-Präsentator in Österreich. Grund genug für ein ausführliches Interview im privaten Musikrefugium über seine Wurzeln, die Volksmusik bis hin zum Frequency Festival.

Es gibt das Gerücht, dass Menschen beim ORF-Kundendienst angerufen haben und bei der Ankündigung zum 70er von Franz Posch im ORF-Teletext eine Korrektur auf den 60. Geburtstag verlangt haben.
Ja, es sind viele überrascht, dass ich schon so alt bin, da ich für sie offensichtlich nicht so alt ausschaue. Fit sein ist nicht nur ein Geschenk, sondern man muss dafür auch etwas tun. Ich mache jede Woche Gymnastik im Turnverein, spiele einmal in der Woche Fußball, fahre mit dem Rad und natürlich gehe ich im Winter viel Ski fahren.

Sind musische und kreative Menschen agiler, weil sie oft ihre Träume verwirklichen können?
Auf jeden Fall, denn jeder künstlerische Beruf geht mit sehr vielen Gefühlen einher. Ich glaube, es ist auch erwiesen, dass bei kreativer Arbeit die Synapsen besonders trainiert werden. Geistige Tätigkeit und musisches Sein halten jung, weil viel Spaß und Freude inkludiert sind.

Herausragend bei deinen zahlreichen Tätigkeiten ist natürlich die Sendung „Mei liabste Weis“. Was ist das Erfolgsgeheimnis?
Jede Sendung ist ein Unikat. Mir und dem Team wird deshalb nie langweilig. Ein wichtiger Faktor ist auch, dass absoluter Spaß dabei ist. Ich habe so viele Schauplätze gesehen, begegne immer wieder neuen Gruppen und natürlich lebt viel Freude vor Ort und auch zu Hause ganz einfach mit. Die Leute zu Hause sehen immer, wo wir unterwegs sind und welche Juwele wir in unserem schönen Land haben.

Hat die Sendung ein Ablaufdatum?
Es hat nie eine Verhandlung mit dem ORF gegeben oder einen Vertrag mit mir. Sie läuft von Jahr zu Jahr weiter. Ich hoffe, dass das noch lange so bleibt. Der Erfolgsfaktor liegt darin, dass die Sendung beliebt ist, dass wir ein Stammpublikum haben und letztendlich gehört auch all unser Tun zum Bildungsauftrag. Ich bin guter Dinge, dass sie noch zehn oder zwanzig Jahre weitergeht.

Eine absolute Novität ist es, dass diese Produktion wirklich live auf Sendung geht.
„Live is life“ und anders würde es auch nicht gehen. Und ich würde es auch nicht machen. Das Publikum spürt sofort, ob etwas Playback oder live ist. Wir machen die Produktion für das Publikum vor Ort und sie wird einfach gesendet. Diese Stimmung, diese Freude wird im wahrsten Sinn des Wortes übertragen.

Du machst mit deiner Musik die Menschen glücklich. Wie sieht es mit Fanpost aus?
Es ist wunderbar, dass ich immer wieder wunderschöne Briefe und kleine Geschenke bekomme. Die Menschen lassen sich immer etwas einfallen. Ich bin sehr dankbar dafür, weil ich spüre, dass ich sie offensichtlich glücklich gemacht habe und das tut gut. Mit der Mission, dass ich die Volksmusik in diesem Stil transportieren und damit auch erhalten will, zeige ich Vielfalt und mache die Menschen glücklich. Die Menschen haben es sich verdient, dass man ihnen eine gute Zeit beschert. Ich will jedoch bei der Zusammenstellung des Programms zukünftig ein bisschen strenger werden. Ich möchte mir gewisse Titel, die die Region, das Bundesland verkörpern viel mehr anschauen.

Bei aller Freude mit der großen Fangemeinde, wohin ziehst du dich zurück um aufzutanken?
Ich bin gerne mit mir alleine, gehe in meinen Musikraum, nehme ein Instrument in die Hand und bin in kürzester Zeit in einer anderen Welt. Hier komme ich auf andere Gedanken und habe Zeit, über mein Leben und über das Dasein nachzudenken.

Welche Erkenntnisse tauchen hier bei dir auf?
Viel Dankbarkeit, denn ich bin schon „auf die Butterseite gefallen“, dass ich mich künstlerisch betätigen kann. Ich bin privilegiert, dass ich meinem Hobby frönen kann. Ich bin ein ständig Lernender und Erlebender. Wenn man Musik macht und den Leuten gefällt sie, dann ist das ein großer Energieaustausch, wo man Kraft bekommt und sich permanent einen Traum erfüllt.

Gibt es ein Motto, das dich begleitet?
Ich sage mir immer wieder „Mei, ist das Leben schön“. Ich will das alles so lange wie möglich genießen.

Nicht alle sind auf die Butterseite gefallen und in der Gesellschaft spürt man Unzufriedenheit, Skepsis und Angst. Was nimmst du aktuell wahr?
Ich persönlich habe das Glück, dass ich in einem sehr tollen Umfeld aufgewachsen bin. Wir hatten wirklich ganz wenig, aber meine Geschwister und ich haben viele Werte von unseren Eltern mitbekommen. Bei uns hat es immer Respekt gegeben, ein „Griaß di und Pfiat di“, ein „Bitt´schön“ und ein „Dank´schön“. Ich bin dankbar, so erzogen zu sein und auch zur Demut und Bescheidenheit. Das nützt mir für das ganze Leben. Ich bin ganz einfach ein grundzufriedener und somit auch ein glücklicher Mensch. Wenn ich Leute beobachte, dann tun mir viele oft leid, weil ich glaube, dass sie sich manchmal selber im Weg stehen. Natürlich gibt es harte Schicksalsschläge, wo Menschen oft am Boden sind und Hilfe benötigen, aber andere tragen ihre permanente, innere Unzufriedenheit auch nach außen. Dazu kommen noch Charakterzüge wie Neid, Geiz und ein ständiges Kritisieren und das alles ist natürlich auf dem Weg zum Glücklichsein hinderlich.

Zurück zur Musik. Was ist für dich Volksmusik?
Volksmusik ist Laienmusik und ein Wesensmerkmal ist, dass jede Region ein bisschen anders klingt. Man kann sie auch mit dem Dialekt, den Bräuchen oder den Trachten vergleichen, die sind ja auch überall verschieden. Früher waren die Gegenden, die Regionen viel mehr abgeschieden. Gerade aus den Tälern ist man im Winter oft nicht rausgekommen und es haben sich eine eigene Sprache, eine eigene Musik und eigene Bräuche entwickelt. Rein musikalisch gesehen, muss man hier nicht studieren und auch keine Noten kennen, sondern einfach probieren. So sind durch einfache Möglichkeiten oft große Werke entstanden. Ich habe in meiner Gruppe zum Beispiel einen Harmonikaspieler, der grandiose Ideen hat, aber keine Noten kennt und aus dem Fundus seiner jahrzehntelangen Erfahrung schöpft.

Obwohl du so viel gesehen und gehört hast, wo lernst du am meisten?
Ich lerne viel von den anderen und begebe mich oft zu den Ursprüngen von Musikstücken. Ich werde auch nicht müde, die Musikanten aufmerksam zu machen, nicht auf ihre Wurzeln zu vergessen. Sie sollen sich wieder mehr alte Stücke anhören und wirklich zuhören, was früher gespielt wurde. Wir leben in einer Zeit, wo immer mehr nivelliert wird und dieses Angepasste bekommt man auf Spotify und auf vielen anderen Kanälen. Früher haben die Musikanten einfach zusammengespielt und so lange probiert, bis es schön geklungen hat. Das ist sicherlich der bessere Weg, um das Gehör oder auch seine Fertigkeiten zu verbessern, als sich etwas downzuloaden und Noten vorgesetzt zu bekommen.

Welche Stimmungen erlebst du bei deinen vielen Konzerten?
Die Menschen wollen wieder feiern, wollen fort gehen und wollen sich eine gute Zeit machen. Ich merke auch nicht, dass bei den Konsumationen gespart wird. Gejammert wird natürlich im Small-Talk immer gerne, aber das gehört offensichtlich zur österreichischen Mentalität. Der Grundtenor von den Fans ist aber: „Es geht uns in unserem Land sehr gut, aber ein bisschen Nörgeln wird wohl erlaubt sein.“

Kommen wir zurück auf die Kindheit. Was hat dich geprägt?
Meine drei Geschwister und ich haben zusammengehalten und trotz wirklich bescheidener Verhältnisse hat es uns an nichts gefehlt. Die Mutter hat alles selbst genäht und gestrickt und es hat kaum Spielzeug gegeben. Den Fernseher haben wir 1972 bekommen. Als ich mit viereinhalb Jahren krank gewesen bin, habe ich mir das Ziehharmonikaspielen beigebracht. Diese Freude, ein Instrument zu beherrschen, habe ich nie abgelegt.

Das heißt, von den anderen lernen ist besser, als sich nur auf YouTube und Co. zu konzentrieren?
Volksmusik ist mehr als nur von den Noten runterzuspielen. Da gehört ein bisschen etwas Erdiges, vielleicht sogar etwas Dreckiges dazu. Es geht um diese Nuancen, um dieses Gefühl, was man hier zu Boden bringt. Beim Jazz ist das auch das Gleiche. Es geht ums Feeling und das ist viel mehr. Es sind oft die Kleinigkeiten, die man gar nicht messen kann, die nachher Großes ausmachen, dass der Funke überspringt.

Als ehemaliger Musiklehrer: Wie siehst du die Entwicklung im Musikschulwesen?
Der Wert der Musikschulen ist nicht nur das Unterrichten, sondern dass man auch andere Werte mitbekommt – das Zuhören, das Aufnehmen, das vom anderen Lernen oder das sich gemeinsam auf ein Konzert vorzubereiten. Das Musikschulwesen war noch nie so gut wie heute. Natürlich wird besser gespielt, weil alle eine super Ausbildung bekommen. Leicht kritisch möchte ich aber anmerken, dass manche Kreativität verloren geht, weil alles schon fertig gesetzt wurde und alles irgendwo abrufbar ist. Das Entdecken und Versuchen gehören auch zur Kreativität dazu.

Kommt der traditionellen Volkskultur in diesen Zeiten eine besondere Bedeutung zu?
Vieles ist austauschbar geworden und Volkskultur, Bräuche, Tracht, Musik sind gewachsen und haben ihre Bedeutung. All diese Dinge dürfen nie Bedeutungslosigkeit erlangen. Ich weiß, man gilt hier oft als konservativ, aber stellen wir uns eine Welt ohne Tracht, Tradition oder Musikkapellen vor. Ordnung ist wichtig und es ist nicht alles gut, was gefällt. Die Beliebigkeit findet man in der großen, weiten Welt des Internets. Das Genaue, die Kleinteiligkeit, das Liebevolle findet man in Stickereien, bei Goldhauben, bei Aufmärschen, bei Tänzen oder bei Konzerten. Echte Volkskultur ist wichtiger denn je und braucht eben Grundwerte und Grundregeln.

Wie denkst du über die neue, junge Volksmusik?
Die Volksmusik, mit „x“ geschrieben, ist schon eine interessante, tolle Entwicklung. Es wird über den Tellerrand geschaut. Neue Einflüsse, die man jetzt überall durch das Reisen oder durch die Medien erfährt, werden eben eingebaut. Die Basis kommt aber aus der traditionellen Volksmusik, hier gibt es kluge Personen wie Walter Deutsch, Gerlinde Haid, Dorli Draxler und viele mehr, die hier wissenschaftlich sehr viel vermittelt haben.

Du bist viel in Österreich, Deutschland, Südtirol unterwegs. Aber du warst auch längere Zeit weiter weg im Ausland.
Aufgrund einer Begegnung 1976 beim Centennial Festival in Washington DC habe ich Leute kennengelernt, die mich nach Chicago zum Musizieren eingeladen haben. 10 Jahre lang habe ich jenseits vom großen Teich immer im Sommer in einem Wirtshaus musiziert – ein unbeschreibliches Erlebnis.

Was die wenigsten wissen, dass du auch beim bekannten Frequency Festival in St. Pölten gespielt hast.
Das ist jetzt sicher ein Kulturschock für alle Volksmusik Fans, aber hier habe ich in der Band meines Sohnes gespielt. Mich hat aber kein Mensch registriert, weil ich nur ein kleiner Trompeter in einer Rockband war. Ich habe es meinem Sohn zuliebe getan. Es hat großen Spaß gemacht.

Stimmt es, dass du wieder die Schulbank drückst?
Ich bin neugierig und mich interessiert alles. Darum gehe ich seit 4 Jahren jede Woche in die Kompositionsklasse am Konservatorium. Wir bekommen auch Aufgaben, die wir dann natürlich abliefern müssen. Ich habe mir ausbedungen, dass ich keinen Abschluss machen muss – denn ich möchte dort bleiben, solange ich will.

Dort wo du 20 Jahre unterrichtet hast, bist du jetzt selbst Schüler?
Genauso ist es. Meine Mitschülerinnen und Mitschüler sind zwischen 18 und 20 Jahren, aber sie schätzen mich, das ist das Großartige.

Word-Rap
Gendern                        Nervt mich total.
Teuerungen                  Es soll mit rechten Dingen zugehen.
Klimakleber                  Zu viel des Guten. Das kann man auch anders ausdrücken.
Wagner-Oper               Ein Traum. Ich liebe Wagner.
Lieblingsinstrument    Steirische Harmonika
Tonträger                      Nehmen wir demnächst wieder auf, aber der CD-Verkauf ist völlig eingebrochen.
Schlagermusik             Bewusst höre ich mir das nicht an.
Opa                                Im September wurde ich zum ersten Mal Großvater. Ich freue mich darauf.
Noten schreiben          Mache ich gerne händisch. Aber seit drei Jahren verwende ich auch ein Computer-Notenprogramm.

Interview: Martin Lammerhuber
Fotos: Bernhard Schösser