Die Geschichte
Seit dem 19. Jahrhundert diskutiert die Volkskunde mögliche Wurzeln der Tiroler Fasnachtsbräuche in vorchristlichen Ritualen. Für die mythisch wirkende Telfer Fasnacht, die zahlreiche kultisch anmutende Elemente beinhaltet, ist diese These ebenso nachvollziehbar. Jedoch kann über diese Frage nicht abschließend geurteilt werden, da aus jener Vorzeit keinerlei Quellen erhalten geblieben sind. Gesicherte Überlieferungen sind erst seit der frühen Neuzeit vorhanden.
Aus dem Jahr 1571 stammt die älteste gesicherte Erwähnung für das Vorhandensein einer Fasnacht in Telfs. Ein weiterer Hinweis findet sich in einem Gerichtsprotokoll aus dem Jahr 1612, in welchem der lokale Gerichtsherr aufgrund von ungebührlichem Verhalten, sowie einem Raufhandel während der Fasnacht, kritisiert wird. Ein aus dem Jahr 1749 erhaltener Ablassbrief belegt ein mehrtägiges Fasnachtstreiben.
Aus dem Jahr 1830 stammt die erste ausführliche Beschreibung des Telfer Schleicherlaufens. Bei dieser Quelle handelt es sich um einen langen, amtlichen Schriftverkehr, aus dem hervorgeht, dass die Kerngruppen - Schleicher, Bären, Laninger u.a. - bereits bestanden und voll ausgeprägt waren. Bemerkenswert erscheint dabei, dass die Ausstattung und das zeremonielle Auftreten der Schleicher - beides wird in dieser Quelle beschrieben - bis heute im Wesentlichen unverändert geblieben sind.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts änderte sich das Ansehen dieses Volksbrauches grundlegend. Aus einem früher verfemten und lediglich geduldeten Brauch wurde ein akzeptiertes, gesellschaftliches Ereignis.
Eine Vielzahl an Varianten zeigt bis heute, dass das Schleicherlaufen keine erstarrte, sondern vielmehr eine lebendige und wandlungsfähige Tradition ist. Dies wird besonders bei den jeweils aktuellen Themen deutlich, welche als Volkstheater auf den karnevalistischen Wägen zur Schau gestellt werden. Szenen eines politischen Kabaretts, in Telfer Mundart aufgeführt, thematisieren aktuelle politische Anliegen, unbeliebte Politikerentscheidungen oder greifen Missstände auf.
Seit dem Jahr 1890 findet das Schleicherlaufen in einem 5-jährigen Rhythmus statt, welcher lediglich in den Kriegs- und Zwischenkriegsjahren unterbrochen wurde.
Ansturm auf das Telfer Schleicherlaufen 2025
Das diesjährige Telfer Schleicherlaufen verzeichnete einen rekordverdächtigen Ansturm. Am 02. Februar, einem herrlichen Sonntag, der ganz im Zeichen des gelebten Brauchtums stand, freuten sich die Organisatoren über rekordverdächtige 14 Fasnachtsgruppen, 500 aktive Teilnehmer und über mehr als 15.000 interessierte und begeisterte Zuschauer.
Bereits um 07:00 Uhr in der Früh hatten sich mehrere hundert Neugierige eingefunden, um die erste Gruppe des Tages, die „Sunna“ zu sehen. Diese bitten traditionell um gutes Wetter für den Tag, Überlieferungen zufolge soll es seit 1890 kein verregnetes Schleicherlaufen gegeben haben. Zu diesem Zeitpunkt lag noch dichter Nebel über der Marktgemeinde im Tiroler Oberland. Die Gebete waren schließlich erfolgreich, bestes Kaiserwetter war bereits beim „Bärenfangen“ im Meaderloch auf der Seite der Fasnachtler. So kam nach nebligem Beginn im Laufe des Tages die Sonne zum Vorschein und verwandelte die Veranstaltung auch witterungsmäßig in ein wunderbares Erlebnis für Teilnehmer und Zuseher.
Von Beginn an verstanden es die Brauchtumsgruppen, das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Der Start erfolgte mit den Herolden, welche den Fasnachtsprolog des Dramatikers Franz Kranewitter vortrugen: „Auf, Auf! Juchei! Wir leben das Leben! Die Fasnacht ist frei!“. Den Herolden folgte eine musikalisch- orientalische Darbietung der rund 60-köpfigen „Musibanda“, sie begeisterten mit der Geschichte um Aladdin und den Geist in der Wunderlampe. Die "Musibanda" wird von der Marktmusikkapelle Telfs gestellt. Früher trat sie in bunten Landsknechtkostümen auf. Seit 2015 beeindruckt sie das Publikum mit unterschiedlichen Themen, beispielsweise in der Vergangenheit als Schotten und Blues Brothers. Allerdings ohne ihre "echten" Marketenderinnen - diese werden bei der Fasnacht von Männern dargestellt. Es folgten auf prächtig geschmückten Haflingern die „Vier Jahreszeiten“. Diese Gruppe besteht aus 12 Mann. Je 3 Mann stellen eine Jahreszeit dar, die man an den Hutaufbauten erkennt. Der dargebotene Tanz mit den Pferden in Kreisform wird die "Kleine Quadrille" genannt, was bei der großen Menschenmenge von Pferd und Reiter einiges abverlangt. Anschließend daran kamen die „Wilden“ mit dem „Panzenaffn“ und seiner roten Zunge. Die furchterregenden Waldmänner waren ganz in Baumbart gehüllt, das Gesicht von einer holzgeschnitzten Larve bedeckt. Ihre Aufgabe war es, den Weg frei zu machen für die Namensgeber der Fasnacht. So hieß es alsbald „Bühne frei!“ für die Hauptakteure des Tages - die Schleicher.
Die Schleicher, gekleidet in farbenfrohe Seidenkleidung und prachtvolle Hüte, die teilweise mehrere Kilo schwer sind und aufwändig verarbeitete Motive darstellen, zogen alle anwesenden Besucher mit ihrem rhythmischen Kreistanz in ihren Bann.
Hinter den Schleichern folgten die sprechenden Gruppen, wie etwa die „Laninger“, „Bease Buam“, „Vogler“, „Exoten“ oder „Kurpfuscher“. Diese führten auf ihren Fasnachtswägen volkstheaterliche Stücke auf, in welchen sie die Welt-, die Landes- und Bundespolitik, sowie das Gemeindegeschehen humorvoll aufs Korn nahmen.
Aktuelle Geschehnisse um Personen, aber auch gesellschaftspolitische Themen, wurden humorvoll verpackt. Bei den Laningern etwa bekamen René Benko sowie Georg Dornauer ihr Fett ab und zudem lamentierten sie gemeinsam mit der „Gendermarie“ u.a. über Fragen der Gleichberechtigung. In der Fasnacht gilt das Prinzip der unverblümten Meinungsäußerung. Freilich überwiegt auch bei aller Ernsthaftigkeit der vorgetragenen Anschauungen und Standpunkte die unbändige Freude am Theaterspiel und an der Groteske. Es ist ein geflügeltes Wort, dass das Schleicherlaufen von Telfs das „wahre Tiroler Volkstheater“ darstelle – in Anspielung darauf, dass in Telfs seit 1981 jährlich im Sommer das innovative, kritische Theaterfestival „Tiroler Volksschauspiele“ veranstaltet wird.
Nicht nur der Fasnachtsobmann und Bürgermeister Christian Härting war mit dem gelungenen Tag restlos glücklich. Härting betonte die Wichtigkeit der Fasnacht als generationsübergreifendes Fest und Ausdruck von Tradition, Humor und Gemeinschaftssinn.
Text: Sarah Traugott, Bernhard Schösser ( Quelle: Telfs, Dr. Thomas Nussbaumer), Fotos: Marktgemeinde Telfs