CD-Review: Accept – The Rise of Chaos

Die Bilanz von Accept in der Neuzeit: Bis dato drei saustarke Studioscheiben ("Blood of the Nations", "Stalingrad", "Blind Rage") und ein gediegenes Live-Package mit "Restless & Live" im heurigen Jänner. Speziell die 2014er CD "Blind Rage" war eines der stärksten Alben der Accept-Historie, jeder Track passt, und somit war der Start (nach langer Pause) aus der glorreichen Vergangenheit in die Jetztzeit geglückt! Auch die Diskussionen rund um den "neuen" Sänger Mark Tornillo scheinen inzwischen beendet, Ex-Langzeitshouter Udo kocht mit Dirkschneider und einer "Accept - Songs Abschiedstour" sein eigenes, erfolgreiches Süppchen. Nicht zuletzt wegen der drei superben Studiolangdreher und zahlreichen erfolgreich absolvierten Gigs in "Neubesetzung" war man gespannt, was da auf "The Rise of Chaos" so alles kommen würde. Kurz gemacht: Es sind zehn Songs, verteilt auf eine gute dreiviertel Stunde, der Sound, dank Produzent Andy Sneap, wie erwartet. "Wie erwartet", das stellt - zumindest für mich - auch das Problem von "The Rise of Chaos" dar. Der Opener "Die by the Sword" ist der klar erkennbare Einstiegsbanger, der zwar eingängig daherkommt, aber irgendwie schon das kleine Problem des Albums andeutet: es kommt einem alles doch sehr bekannt vor! Wenn man so will: "If you live by the sword - you will die by the sword!". Song Nummer zwo, "Hole in the Head" offenbart gemächliches und gefälliges Midtempo, ganz ok, bis der Refrain erstmals aus den Boxen kracht: "I need you like a hole in the head" - hallo, das ist ja keine Wuppertaler Schülerband mit Englisch-App zum Texteschreiben, also was um Himmelswillen will man der geneigten Hörerschaft mit diesem Text sagen? "The Rise of Chaos" ist zum Glück wieder eine gewisse Erholung vom vorhergehenden Kopfschuss (?), richtig begeistern kann mich die Nummer trotz flottem Uptempo aber auch nicht.

"Koolaid" ist dann erstmals weniger vorhersehbar, eigentlich durch die filigran fiedelnde Gitarre durchaus ok, und auch der Chorus hat dieses gewisse "Accept-Etwas". Halbzeit gibt`s mit "No Regrets": ein typischer Oldschool-Uptempo-Kracher, klar erkennbar aus dem Hause Accept. Das passt, hier wird amtlich geballert! "Analog Man" ist eher ein 80er Jahre Song, erinnert ein wenig an "Up to the Limit", nett, aber nicht wirklich packend. Ähnlich wie "Hole in the Head", eher ein Filler, not a Killer. "What`s done is done" ist dann gepflegtes Midtempo, ein eingängiger Refrain, radiotauglich, passt. Auch das folgende "Worlds Colliding" reißt mich jetzt nicht aus dem Sessel, sauber gespielt, routiniert, und spätestens jetzt schleicht sich das Gefühl ein, dass "The Rise of Chaos" nicht die Klasse der drei Vorgänger halten kann. Der vorletzte Song "Carry the Weight" geht dann wieder besser ab, doch der Refrain "Don`t carry the weight of the world on your shoulders, carry the weight of the world all alone" lässt mich erkenntnismäßig ebenso allein wie das "Hole in the Head", aber alles muss man ja nicht verstehen. Immerhin wird von Freddy Mercury berichtet, dass er der einzige war, der die von ihm geschriebenen Texte verstand...! Zurück in die Gegenwart: Das abschließende "Race to Extinction" - Marc Tornillo shoutet und krächzt sich nochmals mit voller Inbrunst durch diese Nummer, die live sicherlich gut in die Setlist passen würde - ist ein ordentlicher Abschluss eines Albums, das weniger euphorische Eindrücke hinterlässt, als die drei Alben zuvor.

Fazit: "The Rise of Chaos" - als angekündigtes Retro-Konzept-Album - ist kein Flop und hat in erster Linie das Problem des superben Triples "Blood of the Nations", "Stalingrad", und "Blind Rage" an der Backe. Trotzdem gelingt es Accept einfach nicht, sich noch ein weiteres Mal zu steigern. Zu wenig überraschend, zu routiniert und zu vorhersehbar ist der Großteil der Songs. Klar hat "The Rise of Chaos" auch seine guten Momente und Wolf Hoffmanns Klasse ist unüberhörbar vorhanden. Ebenso die Stimme von Mark Tornillo, die einfach zu Accept passt. Und klar, wir jammern hier auf hohem Niveau, quasi über die Champions-League des Heavy Metal. Trotzdem, und das hoffe ich aus tiefster Seele, sollten sich Accept kompositorisch bei ihrem nächsten Langeisen etwas mehr überlegen.

Die Liga der Bands wie (exemplarisch) AC/DC, Axel Rudi Pell, Grave Digger, Sabaton und leider einige andere mehr, deren Neuerscheinungen immer noch vorhersehbarer, quasi wie eine weitere, nicht sonderlich bekömmliche Scheibe, heruntergeschnitten von einer schon vor langer Zeit produzierten, fettigen Riesenwurst, klingen, sollte nicht mit diesem glanzvollen Namen erweitert werden! Daher 7,5 von 10 Punkte, verbunden mit der Auflage, wieder ein bisserl nachzudenken und erst dann einzuschenken! Live - und da sind Accept (immer noch) eine fette Bank - sind die Jungs dann im kommenden Jahr unterwegs: z.B. von Tirol aus am besten erreichbar am 14.Jänner in der Tonhalle in München.

Redakteur: Bernhard Schösser