„Aufgewärmt schmeckt nicht so gut!“ Dieses bewährte Lebensmotto, egal ob Mittagessen oder Beziehung, kam mir in den Sinn, als ich vor geraumer Zeit von den Plänen zu „Pearls“ hörte, also vom Vorhaben, alte Bonfire Klassiker neu eingefiedelt auf den nicht gerade vor Veröffentlichungsmangel dahin darbenden Markt zu bringen. Nun, zumindest im Fall dieser Doppel CD muss man diesem sonst so treffenden Spruch widersprechen – „Pearls“ ist eine weitere wirklich gelungene Veröffentlichung aus dem Hause Ziller und Konsorten.
Scheiblein 1 (auch „Rock Pearls“ betitelt) startet mit „Strike Back“, die Nummer geht ordentlich ab, gefolgt von „Under Blue Skies“ und „Diamonds in the Rough“ reihen sich Klassiker und Perlen der 30 –jährigen Bandgeschichte fast nahtlos aneinander. Gut, „Sweet Home Alabama“ stammt jetzt nicht wirklich aus der Feder der (damaligen) Ingolstädter, dennoch wurde die Nummer für „Pearls“ sehr groovig umgebastelt! „Sweet Obsession“ oder „American Nights“, Klassiker der 80er, gefallen ebenfalls im neuen Outfit, „Don´t go changing me“ überzeugt zusätzlich! Silberling Nummer Zwo („Classic Pearls“) fällt mehr in die Rubrik „Allzeitbefeuchter“, und sollte vom (pubertierenden) Metalhead im Falle einer Klarmachrunde mit seiner neu eroberten Flamme im heimatlichen Schlafgemach blind gezogen und eingelegt werden können. Tatsächlich ist das eine Art „Kuschelrock-Compilation“, die aber ebenfalls zu „Pearls“ passt, sind und waren knackige Balladen im Stile von „You make me Feel“ oder „Give it a Try“ ja schon immer unverkennbare Trademarks der Band.
So weit so gut, also ein „Best of“ Album? Ja und Nein. Ja, wegen der Bandbreite des dargebotenen Schaffens. Nein deshalb, da David Reece seit dem gelungenen Vorjahrssilberling „Gloriös“ am Mikro zugegen ist, die Band „rundum erneuert“ wurde und lediglich Gründungsmitglied und Gitarrero Hans Ziller das musikalische Erbe verwaltet und neue Großtaten folgen lässt. Die Nummern wurden sehr gelungen neu arrangiert, beim „Classic“ Teil ist sogar das „Italian Symphony Ensemble“ mit am Werk. Der „Bringer“ ist aber einmal mehr David Reece, dessen Stimme wirklich perfekt zum (neuen) Sound von Bonfire passt, und den alten Nummern neues Leben und zusätzlichen Schwung ein haucht! Bevor jetzt wieder die altbekannte „Sänger-Diskussion“ startet: Ja, es gibt Bands wie Maiden oder Priest, wo es offensichtlich nur mit Original-Stimme geht (Im Falle von Maiden ja auch nicht wirklich), es gibt Helloween oder Skid Row, wo Puristen trotz überzeugender Langzeitleistungen der Sänger immer noch nach Kiske oder Bach verlangen. Und es gibt Bonfire, deren Ex-Sänger Claus Lessmann stimmlich ebenfalls „zum Niederknien“ war. Reece und „Ziller reloaded“ kreieren jedoch einen neuen Sound, Bonfire 2.0 weiß somit zu gefallen, und sei eigentlich allen ans Herz gelegt, die sich mit dieser rockigen Musik anfreunden können! Auch Fans der ersten Stunde, deren Back-Up-Katalog mit Platten und Tapes aus dieser Zeit bereits gut bestückt ist, werden, so wie ich, mit diesem Doppelsilberling und fast 103 Minuten Spielzeit ihre Freude haben!
Redakteur: Bernhard Schösser