CD Review: Die Toten Hosen – Laune der Natur

Die Toten Hosen! Längst bürgerlich etabliertes, allgemeines (deutsches) Kulturgut. Nach dem Überkracher-Album "Ballast der Republik" 2013 und ausgiebigen Tourneen (Ja, man beehrte Innsbruck, sogar zwei Mal: Als ausgewählter "Aufwärmgig" am 25. Mai die Dogana im Congress und als "Vollehütte" fast genau ein Jahr später im Mai 2014 die Olympiahalle!), Festival-Headlinershows und sonstigen Aktivitäten, gönnten sich die Düsseldorfer dann erst mal eine (ihnen altersmäßig durchaus zustehende) Pause nach diesem fulminanten Karrierehöhepunk(t). "Tage Wie Diese" blieb als Hitsingle omnipräsent und wurde sogar von politischen Parteien vor und nach Wahlen zweckentfremdet! Was, um Himmels Willen, sollte nach diesem Erfolg noch nachkommen?

"Unter den Wolken" wurde vorab schon mal als (ziemlich cleane, radiotaugliche und massenkompatible) Single von Campino, Kuddel, Breiti, Andi und Vom vorgesandt. Die opulente Fanschar wie auch die rockmusikalisch profunde Fachwelt rätselten, ob die Hosen ein "BDR2" raushauen würden, quasi den Erfolg zu duplizieren versuchen würden? "Laune der Natur" heißt der komplette Silberling, und ist, ja, durchaus anders als sein Vorgänger! Schon der erste Durchlauf des neuen Hosenlangdrehers offenbart eine musikalische und thematische Vielfalt, quasi einen weiteren Schritt des "Erwachsenwerdens" der Band.

Titel Nummer eins, "Urknall" enthält, was draufsteht: Schneller Punkrock pur, eine Aufforderung zum (Stadion)Moshpit und der wohl logische Opener kommender Shows! Der darin besungene "Bolzplatz" ist übrigens ein nicht UEFA - konform angelegter Minifußballplatz, quasi die deutsche Schwester der "Fetznlaberl-Gstettn" aus Wien. Weiter geht's: "Alles mit nach Hause" knallt ebenfalls ordentlich, offenbart aber bereits eine den Songs auf "LDN" teilweise innewohnende rote Linie an Erinnerungen und Erlebtes! "Wannsee" überrascht dann mit einem ersten musikalischen Stilbruch: Reggae-Rhythmus kombiniert mit typischen Hosen Mitgröl-Chören (Ooohohoh!). Wann seh` ich dich wieder?"Unter den Wolken geben wir die Freiheit noch nicht her", die Vorabsingle startet quasi in der zweiten Startreihe, auf Platz vier. Passt, fein, eine klar erkennbare und tolle Hosennummer! Das folgende "Pop & Politik" ist wieder ein richtig erdiger und rauer Punkrockkracher-"Spart euch die Kommentare zu Pop & Politik, die keiner hören will!". Meine spontane Intention: Im Zeitalter überbordender Sozialer Medienblasen durchaus passend! YESS! Song Nummer sechs, der Titeltrack, startet mit fettem Chor und abruptem Rhythmuswechsel und wieder ordentlichem, stadiontauglichen "Ooohohoh"! Das folgende "Energie" und "Die Schöne und das Biest" sind typische "Hosenmitgröl und -Mitsing"-Nummern. "Alles Passiert" kommt dann umso ruhiger und fast schon melancholisch um die Ecke, ein herber Kontrastpunkt! Nochmals ernster fallen die beiden Nummern "Eine Handvoll Erde" (beinhaltet den Tod von Manager und Weggefährten Hülder) und die Schlussnummer des Albums, "Kein Grund zur Traurigkeit" aus: Diese ist dem verstorbenen Freund und früheren Schlagzeuger Wölli gewidmet, inklusive einer nachträglich eingebauten Originalgesangsspur von Wölli! Gänsehaut pur und ein würdiger Abschluss! Aber auch auf "Wie viele Jahre (Hasta La Muerte), in dem Breitis Geburtstag und der getränketechnische Wandel dieses Ereignisses im zeitlichen Längsschnitt beleuchtet werden, schwingen durchaus wieder ernste Gedanken, wenngleich auch gut verpackt, mit. Die Quintessenz daraus: Älter werden wir also alle gemeinsam, egal ob erfolgreicher Edelpunk oder Ottonormalverbraucher. Happy Birthday! Diese Thematik gilt wohl auch für "ICE nach Düsseldorf" oder "Geisterhaus", das schon fast beklemmend wirkt...!

Zusammengefasst bleibt nach mehrmaligem und intensiven Genuss von "Laune der Natur" der Eindruck, dass sich die Hosen, im Gegensatz zu sehr vielen anderen (Rock)Bands wohltuend weiter entwickelt haben: Die puren Saufsongs der Anfangsjahre, die im "Mittelalter" dann zu Jägermeistervernichtungen weiterentwickelt wurden, sind einem Schaffen mit einer enormen Bandbreite an textlichen und musikalischen Möglichkeiten gewichen. Klar, live sind die "Zehn kleinen Jägermeister" immer noch eine Bank, vom neuen Silberling herunter werden jedoch durchaus reflektierte und selbstreferentielle Nummern abgeschossen - und das ist gut so! Für alle "Die-Hard" oder eher "Punk-Hard" Fans gibt es die Bonus CD "Learning English Lesson 2" mit zu erwerben - englischsprachiger Punk pur, Pogo, so wie`s immer war! Aufbauend auf den ausführlich dargelegten Gründen zücke ich für "Die Laune der Natur" neun von zehn Tirolerhüten für die Düsseldorfer. Und wer es immer noch nicht mitbekommen hat: Die Hosen beehren auch diese Mal wieder Innsbruck. Und zwar im Rahmen der "Zurück auf dem Bolzplatz-Tour 2017" am 15. August die Olympiahalle! Tickets sichern, hingehen und wie gewohnt abfeiern!!

Redakteur: Bernhard Schösser
Fotos: Paul Ripke