CD-Review: Terrorgruppe - Superblechdose

Terrorgruppe? Keine Angst, die Herausgeber der vorliegenden Doppel-CD sind weder IS-Anhänger noch sonst extremistisch veranlagt. Des Rätsels Lösung: Die Speerspitze des mitteleuropäischen Kulturterrorismus, eine der einflussreichsten und umtriebigsten deutschsprachigen Punk-Bands der Neunziger und Zweitausender ist zurückgekehrt: Die "Terrorgruppe". 1993 in Berlin gegründet, erspielte sich die Band rasch einen Fixplatz im deutschsprachigen Punkmusikgeschehen. 2002 brachte die Terrorgruppe eine Live-Platte mit 25 Hits auf ihrem frisch gegründeten, eigenen Label "Aggropop Records" heraus. Die Scheibe, "Blechdose" betitelt, wurde die erfolgreichste Veröffentlichung der Bandgeschichte, mit zig-tausend Vorbestellungen, besten Reviews und einer ausverkauften Tour. Aber das Album hatte leider einen entscheidenden Schönheitsfehler: Die CD-Gesamtspielzeit von 78 Minuten fasste nur 25 Songs, essentielle Hits der Bandgeschichte schafften es nicht mehr aufs Album. "Die Gesellschaft ist schuld...", "Gestorben auf dem Weg zur Arbeit", "Keine Airbags für die CSU", "Der Rhein ist tot", "Sozialer Misserfolg", "Abenteuer Bundeswehr" und mindestens zwölf weitere Nummern fehlten.2004 beschloss die Band, sich aufzulösen, es werde keine weiteren Konzerte der Terrorgruppe mehr geben, wurde damals verlautbart. Im Mai 2014 fand ein Reunionskonzert statt, um "wieder eine Schneise der politisch-moralischen Verwüstung und des abseitigen Humors durch die Republik zu ziehen". Seit der Reunion darf man mit der Terrorgruppe also wieder auf Konzerten feiern.

Die Gründer MC Motherfucker (Gitarre & Gesang), Johnny Bottrop (Gitarre) und Bassist Zip Schlitzer haben sich mit den Neuzugängen Kid Katze am Schlagzeug und dem "Multiinstrumentalisten" Eros Razorblade zum Quintett verstärkt. Das Album "Tiergarten" erschien im Jänner 2016. Nun, 15 Jahre nach dem ersten Live-Album der Band, erscheint die logische Fortsetzung der "Blechdose", nämlich die "Superblechdose" - in insgesamt fünf verschiedenen Ausführungen. Die "Superblechdose" wurde auf mehreren Shows während der "Tiergarten-Tour 2016" aufgenommen, und wird nun, passend zur vorweihnachtlich besinnlichen, stillen Zeit, garniert mit dezenten Engelsglöckchen und Zimt-Weihrauchduft, auf den Markt gebracht.

Diesmal ist die Band ein bisschen schlauer und versucht erst gar nicht ihre "Best-Of Tracklist" auf 78 Minuten Spielzeit zu limitieren, man liefert und presst gleich das beliebte und bewährte Format "Doppel-Album". Zumal ja außer den fehlenden Hits von damals auch noch die besten Tracks aus zweeinhalb neuen Platten und ca. 5 Singles und EPs dazu kommen. Zum Beispiel "Kathedralen", "Doktor Doktor", "Na endlich", "Schlechtmensch", natürlich der "Schmetterling" ...und eine ganz besondere Cover-Version eines Klassikers der Neuzeit als Zugabe obendrauf: KIZs Rap-Manifest "Hurra, die Welt geht unter" als harter Stromgitarren-Kracher. Insgesamt satte 37 Nummern!

Was soll man dazu sagen? Deutscher Funpunk mit linker, aber sozialer Haltung. Spaß, Selbstironie und klar deklarierte Feindbilder (CSU, Ernst August von Harnover, die Kelly Family...) werden akustisch treffsicher abgefeiert. Auch Helden wie "Lemmy Kilminister, der für uns am Kreuz gestorben ist" finden Eingang in 135 Minuten Aggropop live, mit mehr Punk, Rock, Punkrock, Garage-Beat, HC, Offbeat und Powerpop als Campino, Ben Becker und Günther Jauch jemals in ihren Plattensammlungen stehen haben werden. Zusammen. Echt!

Daher sei die "Superblechdose" allen Freunden (punk)rockiger Klänge und guter Unterhaltung ans Herz gelegt. Die Zeiten sind ohnehin ernst (ohne August!) genug!

Redakteur: Bernhard Schösser