CD-Review: Marillion – An Hour Before It`s Dark


Die britischen Klangzauberer und Neo-Progressive-Rocker von Marillion veröffentlichen mit „An Hour Before It`s Dark“ ihr mittlerweile 20. Studio Album! Das neue Album wurde -wie der großartige Vorgänger "Fear"- in Peter Gabriels Real World Studios aufgenommen und knüpft thematisch an "Fear" an. Die durchaus anspruchsvollen Texte von Steve Hogarth beinhalten politische, soziale und auch sehr persönliche Themen. Der Albumtitel (Eine Stunde bevor es dunkel wird) ist dabei mehrdeutig:

1. handelt es sich um die in England sogenannte letzte Stunde, in der ein Kind draußen spielen darf.
2. Ist es ein Aufruf an die Politik, dass es höchste Zeit ist etwas gegen den Klimawandel zu tun und
3. ist damit die letzte Stunde im Leben eines Menschen gemeint.

Der neue Langdreher beginnt mit dem über 9minütigen "Be Hard On Yourself", das in 3 Abschnitte gegliedert wird. Der erste Abschnitt beginnt mit einem äußerst atmosphärischen Part nur mit Keyboards und Chören. Der zweite Abschnitt ist dann richtig rockig, ehe der dritte Abschnitt eher besinnlich endet. Das über 11 Minuten lange "Reprogram The Gene" ist ebenfalls in drei Kapitel unterteilt. Es ist der rockigste Song des Albums, der Steve Rothery viel Raum gibt für sein einzigartiges Gitarrenspiel und auch Ian Mosley kann sich am Schlagzeug austoben. Es ist ein sehr abwechslungsreicher, aber auch äußerst homogener Song. Das nur 39 Sekunde kurze, instrumentale "Only A Kiss" leitet in das vierminütige "Murder Machines" über, welches sich thematisch mit dem Corona Virus und der damit oft vorhandenen sozialen Isolierung befasst. Der wunderschöne 6,5 Minuten lange Song "The Crow and a Nightingale" ist eine Hommage an den Sänger Leonhard Cohen. Insgesamt ist es ein überwiegend ruhiger und nachdenklicher Song, der hauptsächlich von Klavier und Chören getragen wird, wohlige Gänsehaut inklusive! Song Nummer 6, „Sierra Leone“, 10 Minuten lang, ist ebenfalls in 5 Kapitel aufgeteilt. Abermals gibt es ein brillantes Gitarren Solo von Steve Rothery. Die Übergänge der einzelnen Kapitel sind sehr smooth, so dass auch dieser Song sehr homogen ist. Das absolute Highlight des Albums ist das folgende, über 15minütige „Care", ebenfalls wieder in vier Teile zerlegt. Dieser Song bezieht sich thematisch auf die Sterblichkeit des Menschen im Allgemeinen und der letzten Stunde im Besonderen, dieser Song ist der emotionalste und intensivste Song auf „An Hour Before It`s Dark“. Trotz der ernsten Thematik ist "Care" keineswegs depressiv oder düster, sondern ein melancholisch-epischer Song, der, auch dank Rothery`s Gitarrenarbeit unter die Haut geht. Die beigefügte DVD enthält einen alternativen Mix von "Murder Machines" sowie eine recht ausführliche Dokumentation über den Entstehungsprozess dieses Albums.


Zusammengefasst ist „An Hour Before It’s Dark“ von Anfang bis zum Ende aus einem Guss. Ein Meilenstein sondergleichen und „Care“ ist die Kirsche auf der Sahnetorte. Einmal mehr zeigen altgediente Künstler, dass sie im fortgeschrittenen Alter immer noch verdammt gute Musik machen können. Hier heißt es zurücklegen, die Klangwelten genießen und entspannen. Top!


Text: Bernhard Schösser