Musikcafé Ehrwald: Eine Welt geht unter

Musikcafé Ehrwald: Eine Welt geht unter

In der besten aller möglichen Welten gibt es nicht nur eine Welt, sondern viele: Die Klassik-Welt, die Jazz-Welt, die Rock-Welt und natürlich noch einige mehr. Diese Welten werden dargestellt und inszeniert von unzähligen Clubs, Konzertsälen und sonstigen Locations. Schließt eine wichtige Location, dann verblasst auch die jeweilige Welt. Eine solche war das Musikcafé Ehrwald www.musikcafe.at, das jetzt nach 19,5 Jahren seine Pforten schließt.

"The End" - Finale Musikcafe Ehrwald from Freizeit Tirol on Vimeo.

 

Die Vorgeschichte und das Konzept
Vor rund 19 Jahren wagte Andreas Zirknitzer den Sprung ins kalte Wasser. Der gelernte Tischlermeister arbeitete als Ski-Lehrer und in einer Bar. Dort fanden auch Konzerte statt. Diese Bar übersiedelte alsbald an den Ort, an dem sich das „Musikcafé Ehrwald“ bis zum heutigen Tag befindet. Der Vorbesitzer hörte auf. Plötzlich brauchte es jemanden, der übernimmt und sich übergangmäßig für drei Monate darum kümmert. So war der damalige Plan. Aus diesen drei Monaten sind mittlerweile stolze 19 Jahre geworden.

Die Idee ist ja, gelinge gesagt, nicht gerade naheliegend. Ein Wagnis. Ehrwald ist nicht unbedingt dafür bekannt, der Nabel der Musik- und Kultur-Welt zu sein. Mitten in der sprichwörtlichen Pampa gelegen und umgeben von ganz viel Grün und Nichts etablierte sich über die Jahre dennoch ein Zentrum für Live-Musik, das vor allem von Freunden der echten, harten und handgemachten Rock-Musik gerne, häufig und sehr oft bis in die frühen Morgenstunden besucht wurde.

Andreas Zirknitzer bezog die Kraft trotz aller Widrigkeiten weiterzumachen aus seiner Liebe zur Musik. Diese hatte ehrlich zu sein. Ohne großen Schnick-Schnack. Gerne durfte sie auch gehörig grooven und mehr als nur dezent rocken. Über die Jahre haben sich im „Musikcafé Ehrwald“ Weltstars die Klinke in die Hand gegeben. Da wäre zum Beispiel Ray Wilson zu nennen, der bekanntlich einst einer nicht gerade unbekannten Band mit dem Namen „Genesis“ seine Stimme lieh. Auch die Schweizer Rock-Götter Gotthard statteten der ehrwürdigen Location fernab der Großstädte einen Besuch ab.

Finanziell gelohnt haben sich solche Events natürlich nicht. Aber über die Jahre und insgesamt gesehen ging es sich dennoch stets aus. Solche Großevents hatten aber den entscheidenden Vorteil, dass sich das Einzugsgebiet vergrößerte und die Strahlkraft der Location stärker wurde. Event für Event baute Andreas Zirknitzer eine ganz eigene Welt auf, in der sich mehr und mehr Leute pudelwohl fühlten.

Die Gegenwart
Nach dieser langen Zeit und nach Jahren der konstanten Aufbauarbeit hört Andreas Zirknitzer auf. Die Außerferner Musiklandschaft wird nach dem Schließen des „Musikcafé Ehrwald“ nicht mehr dieselbe sein. Rockfans und Anhänger von guter Live-Musik verlieren eine der wichtigsten Orte in diesem Segment.

Der Abschied ging aber nicht sang- und klanglos vonstatten. Unter dem Motto „The End“ wurde noch einmal deutlich vorgeführt, wofür dieser Ort stand und welchen Verlust es in Zukunft zu verkraften gilt.

Ein langjähriger Freund und Weggefährte, Klaus Schubert, ließ es sich nicht nehmen den Samstagabend zu eröffnen. Unter dem Namen „Schubert & Friends“ brachte er stark von Deep Puple beeinflussten Rock auf die Bühne.

Gespielt und gesungen von Meistern ihres Faches wurde die Essenz dieser Spielart eindrucksvoll vorgeführt: Messerscharfe Riffs, gute Melodien und die eine oder andere Möglichkeit für das Publikum, die eigenen Sangeskünste unter Beweis zu stellen. Schubert & Friends hat keine akademische, verkopfte Form von Rockmusik im Sinne, sondern eine höchst publikumswirksame. Das machte Laune, erhöht den eigenen Bierkonsum und lädt dazu ein, den Kopf in seliger Eintracht in Bühnennähe zu bangen.

Nach diesem konzisen und kompakten Set übernahm die 70er-Retro-Band „The Weight“ und zeigte, was sie unter perfekter Inszenierung versteht. Schlaghosen waren dabei erst der Anfang. Auch der Sound gefiel sich darin, die gute alte Zeit wiederaufleben zu lassen. Das gelang vor allem dank der durchwegs guten Songs, die die richtige Balance zwischen instrumentalen Eskapaden und Eingängigkeit fanden.

Der Abend fand, zu bereits später Stunde, seine Fortsetzung mit der Cover-Band „Meisterrocker“. Nach den scharfen und prägnanten Riffs von Schubert & Friends und nach der glaubwürdigen und glücksbringenden 70ties-Seligkeit von „The Weight“ dominierten ab dort unverstellt und direkt ins Publikum geschossene Cover-Versionen. Led Zeppelin traf auf Rage Against the Machine.

Damit wurde im Rahmen von „The Ende“ im „Musikcafé Ehrwald noch einmal vermessen, wie vielfältig Rockmusik sein kann und wie viel Musik es insgesamt gibt, die, auf der Bühne und ansprechend präsentiert, absolut rocken kann.

Die Zukunft
Eine Ära geht also zu Ende. Damit ist auch ein Teil der Tiroler und West-Österreichischen Rock-Welt untergangen. Zumindest hat diese ab sofort ein Refugium weniger. Ein wenig wirkt die Welt im „Musikcafé Ehrwald“ als wäre sie, im allerbesten Sinne, aus der Zeit gefallen. Umso bedauerlicher, dass diese jetzt dem Untergang geweiht ist. Ein Nachfolger wird zwar gesucht. Bisher hat sich aber niemand gefunden.

Wie es wohl weitergehen wird? Mit der Rockmusik im Außerfern? Mit dem „Musikcafé Ehrwald“? So ganz genau weiß man es nicht. Aber irgendwie ist man zumindest dankbar, beim großen Abschlussabend mit dabei gewesen zu sein, der eindrucksvoll demonstrierte, dass die Rockmusik quicklebendig und gekommen ist um zu bleiben.

 

Text: Markus Stegmayr, 24.10.2016