Tattoo Tirol

Tattoos sind aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Auch in Tirol sieht man, dank sommerlicher Temperaturen, mehr oder weniger gelungene, bunte Motive in allen Größen und verschiedensten Stilen an fast sämtlichen Körperstellen. Tattoos sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. FREIZEIT-TIROL ergründete die bunte Szene der Hautkünstler. Als fundierte Gesprächspartner und Auskunftsgeber fungierten der Branchenexperte in der Tiroler Wirtschaftskammer Paul Madreiter (Pauls Tattoos, Langkampfen), Manfred Rinner (Manitoo Tattoo, Innsbruck), Sabine „Sabse“ Rubner (Red Dragon tattoo art, Innsbruck), Peter Heiss (Pepe Tattoo, Wattens), Leila Khrewish und Peter Mosbacher (Dornröschen Tattoo, Hall) und Isabel Gruber, Marco Heiss und Lukas Opacic (Studio Inkfected, Neu-Rum) sowie der Geschäftsführer der Innung in der Wirtschaftskammer Tirol, Mag. Patrick Rauter.

Die Geschichte
Tätowierungen reichen weit in den vorchristlichen Zeitraum zurück. So wurden bereits 12.000 vor Christus Zeichen in die Haut geritzt: In bewusst beigefügte Wunden wurde Asche gerieben, um so ein Muster zu erzeugen. Der erste nachweislich tätowierte Tiroler war „Ötzi“. Die rund 5.500 Jahre alte Gletschermumie vom Hauslabjoch wurde mit 61 überwiegend geometrischen Figuren, Linien und Punkten verziert. Tattoos sind in Tirol im Gegensatz zu vielen anderen Gegenden der Welt relativ spät heimisch geworden. Während die Körperkunst der Bilder in Japan eine Jahrhunderte alte Tradition genießt, wurde in Tirol erst 1992 das erste Tattoostudio eröffnet – das Reaktiv Tattoo in Innsbruck. Zur selben Zeit startete auch Paul Madreiter seine Karriere. Die heutigen Branchengrößen blicken auf unterschiedliche Anfänge zurück: Während hierzulande beispielsweise lokale Tiroler Biker und Rocker mit der Nadel verschönert wurden, tätowierte Isabel Gruber seit 1998 in Griechenland. Mit ihrer Tätigkeit war sie zu dieser Zeit die zweite Frau im Land und erstellte zusammen mit dem griechischen Gesundheitsamt die Richtlinien. Auf ihrem Gewerbeschein stand damals: „Tourismus mit Tattoo“. 1996 öffnete Manni Rinner seine Tore zum „Manitoo“ und ist damit ebenfalls einer der Tiroler Pioniere. Waren es anfänglich bei allen Studios kleine Flächen, so arbeiten beispielsweise bei „Pepe Tattoo“ in Wattens drei Hautkünstler auf rund 100m² und bei Rinner aktuell 5 Tätowierer auf 180m². Diese Expansion ist dem allgemeinen „Trend zum Tattoo“ geschuldet. Patrick Rauter erklärt: „Aktuell haben wir in Tirol 86 Gewerbeberechtigungen für Tätowierer. Diese erlangt man durch die erfolgreiche Absolvierung eines Wifi-Kurses, der sich aus einem 97-stündigen Hygienelehrgang und einer Befähigungsprüfung zusammensetzt.“ Allgemein wird dieser Kurs als sehr gut beurteilt, werden doch wichtige Grundlagen und Infos zu Hygiene, Haut und anderen Basics vermittelt. Freilich erlernt man das Tätowieren nur durch „Learning by Doing“. Somit ist es unabdingbar, sich die ersten Sporen in einem renommierten Studio als „Mädchen für Alles“ zu verdienen. Erst dann sei der Abschluss dieses Kurses schaffbar, so die Experten. Aktuell sei das Niveau der Tätowierer in Tirol sehr hoch, verschiedenste Stile und Nischen werden bedient und auch junge, extrem talentierte Newcomer kommen auf den Markt. Zusätzlich gibt es seit rund 5 Jahren eine signifikante Weiterentwicklung bei den Maschinen, so ist es möglich, viel feinere Linien als früher zu erzeugen. Für den Kunden ist das Angebot durch Homepages und Soziale Medien wesentlich übersichtlicher geworden: Waren es einst die klassischen „Motivmappen“ zum Durchblättern vor Ort, so sieht man heute die Arbeiten und den Stil der Tiroler Hautkünstler in allen Facetten online und kann so problemlos das gewünschte Studio kontaktieren.

Der Trend zum Tattoo
Mitte des 20. Jahrhunderts waren Tattoos bei Seeleuten, Soldaten, Knastbrüdern und Rockergruppen „en vogue“, bis sich Ende der 1980er Jahre vor allem in der rockigen und punkigen Musikszene ein Trend zum Tätowieren entwickelte. In den 1990er Jahren erlebten die sogenannten Tribal-Tattoos ihre Hochblüte. Tribals fanden in verschiedensten Formen den Weg unter die Haut. Vor allem bei Trägerinnen waren sie unter der scherzhaften Bezeichnung „Arschgeweih“, auf dem Steiß platziert, zu bewundern. Seit Beginn der 2000er Jahre ist die künstlerische Verzierung der Haut allgemein akzeptiert. Die Gründe dafür sind vielfältig: Zahlreiche Sportler, Stars und Musiker, auch abseits des Rockgenres, präsentierten ihre großflächigen Tattoos, somit wurde die gesellschaftliche Akzeptanz etabliert. Einen Teil dazu beigetragen hat auch die enorme TV-Präsenz 2015 und 2016, als es eigene Sendungen zu diesem Thema gab. So stieg die Zahl der heimischen Profis rasant an. Wartezeiten auf Studiotermine von drei und mehr Monaten lassen eine immer noch sehr gute Auftragslage erahnen.

Der Ausblick
Insgesamt bleibt der Wunsch nach Tätowierungen seit Jahren auf einem sehr hohen Level konstant. Für die etablierten Studios und die sehr talentierten Newcomer wird es immer genug Arbeit geben, da sich Qualität lohnt. Wenngleich der große Kuchen nicht größer werde, aber mit mehr Mitbewerbern geteilt werden müsse. Für Manni Rinner ist unklar, ob neben dem mittlerweile relativ gut abgewendetem Farbverbot noch weiteres bürokratisches Ungemach seitens Bund oder EU drohe. Branchensprecher Paul Madreiter gibt die Devise aus: „Dranbleiben, nicht unterkriegen lassen!“. Auch das „Dornröschen“ in Hall, das seine Tore offiziell erst 2020 öffnete, kann seine Kunden mittlerweile nach eigenen Präferenzen auswählen. Ebenso wie das Team von „Inkfected“, das in dieser Konstellation seit 2018 zusammenarbeitet, versucht man in Hall, die Stellung am Tiroler Markt zu etablieren und das Studio zu erweitern. Für Start-Ups sei es aber schwieriger, Stammkunden aufzubauen. Erkennbar sei der anhaltende Wunsch nach großflächigen Tattoos. Durch die verschiedenen Spezialisierungen habe jeder Tätowierer genügend Kunden, um diesen gesellschaftsfähigen Körperschmuck zu erstellen. Auch eine neue Generation an „Untätowierten“ stehe vor den Toren, wobei sich Peter Heiss abschließend nicht ganz sicher ist: „Was ist, wenn Mama und Papa voll tätowiert sind, ist das dann für deren Kinder nicht uncool?“.

Idee/Text/Fotos/Video: Bernhard Schösser