Fasten in Tirol

Reinigung von Körper und Geist, Befreiung von unnötigem Ballast und sich selbst wieder näherkommen – all das und mehr verspricht das Fasten. Doch was genau hat es mit dem Fasten auf sich?

Das Fasten hat eine lange Tradition, bereits in der Antike wurde der Verzicht auf Nahrung oder Genussmittel in ritualisierter Form praktiziert. Über Jahrtausende hinweg etablierten sich weltweit verschiedene Formen des Fastens, teils im spirituellen Kontext, teils im medizinischen. Die meisten Religionen verfügen über festgelegte Zeiträume und Regeln für das Fasten. Im Katholizismus wird traditionellerweise für 40 Tage vor Ostern gefastet, um Jesus Aufenthalt in der Wüste zu gedenken. Im Islam bildet der Ramadan die einmonatige Phase des Verzichts, in den orthodoxen Kirchen gibt es vier mehrtägige Fastenzeiten und im Judentum ist Jom Kippur der wichtigste Fastentag des Jahres. Während heutzutage weniger Menschen als früher die religiöse Tradition des Fastens praktizieren, erfreut sich das Fasten doch einer immensen neuen Beliebtheit. Das moderne Fasten ist weitestgehend losgelöst von Religion, fokussiert stattdessen auf gesundheitliche Vorteile und steht in Verbindung mit dem Selbstoptimierungstrend unserer modernen Gesellschaft. Somit ist das Fasten auch nicht mehr auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt, sondern kann jederzeit praktiziert werden. Bei all den positiven Effekten, die dem temporären Verzicht nachgesagt werden, verwundert der Fastenboom nicht.

Doch was genau passiert im Körper, während wir fasten? Wenn dem Körper keine Nahrung mehr zugeführt wird, werden innerhalb von kurzer Zeit verschiedene physiologische Prozesse in Gang gesetzt. Ausgelöst von biochemischen Reaktionen auf den Nahrungsentzug beginnt der Körper, seine Selbstreinigungs- und Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Das Resultat sind erstaunliche Effekte auf verschiedenen Ebenen. Das Fasten wirkt entzündungshemmend auf den Körper und der Stoffwechsel wird nachhaltig verbessert. Zu hoher Blutdruck und der Cholesterinspiegel können gesenkt werden, chronische Schmerzen (wie bei Rheuma oder Arthritis) werden gelindert. Durch die Abwesenheit von schädlichen Außeneinflüssen beginnen sich die inneren Organe zu regenerieren, darunter die Leber, der Magen und der Darm. Das Fasten wirkt verjüngend auf Körper und Geist, kann durch den Aufbau neuer Gehirnzellen sogar bei Demenz helfen. Die Liste von körperlichen Verbesserungen, die Fasten-Fans berichten, ließe sich noch lange weiterführen. Doch auch auf psychischer Ebene kann das Fasten wahre Wunder wirken. Die Serotoninkonzentration steigt an, die Stimmung wird aufgehellt. Fastende berichten häufig vom sogenannten „Fasten-High“, einer Euphorie, die sich nach wenigen Tagen des Verzichts einstellt.

Wie genau funktioniert das Fasten denn nun? Und woher weißt du, ob Fasten das Richtige für dich ist? Zunächst einmal hat Fasten wenig mit reinem Hungern oder einer Diät im klassischen Sinne zu tun. Zwar ist es nicht unüblich, im Zuge des Fastens Gewicht zu verlieren, jedoch steht der Gewichtsverlust in der Regel nicht im Fokus der Praxis. Fastenkuren gibt es wie Sand am Strand – je nach Kur wird in einer vordefinierten Zeit entweder ganz auf Nahrung verzichtet oder aber die Nahrungsaufnahme reduziert. Die Kuren unterscheiden sich somit auch in ihrer Intensität. Um herauszufinden, welche Kur am besten zu den eigenen Bedürfnissen und Umständen passt – bzw. um herauszufinden, ob man grundsätzlich fasten sollte – ist es ratsam, sich im Vorfeld medizinisch beraten zu lassen. Dies ist besonders wichtig, denn nicht alle dürfen fasten! Für Schwangere, Stillende und Kinder, für Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen oder einer Neigung zu Essstörungen könnte Fasten gesundheitsschädlich sein. Auch die Einnahme gewisser Medikamente muss berücksichtigt werden, weshalb ärztlicher Rat dringend empfohlen wird! Sobald diese Abklärung erfolgt ist, gilt es zu entscheiden, in welcher Form gefastet werden soll. Wir stellen dir einige der beliebtesten Methoden kurz vor.

Die F.-X.-Mayr-Kur zeichnet sich durch monotone und leicht verdauliche Kost aus. Diese soll bewirken, dass sich der Darm von Grund auf regenerieren kann. Michaela Schwarz, die seit fast zwei Jahrzehnten im Bildungshaus St. Michael tätig ist, sagt dazu: „Seit vielen Jahren kommt Andreas Wuchner mit seinem Heilfasten nach Dr. F. X. Mayr in unser Haus. Dieses Fasten mit Milch, Brot und Kräutertee bewirkt eine Selbstreinigung und Regeneration des Körpers. Zu den festen Elementen dieser Woche gehören auch Vorträge zu Fasten, Ernährung und Gesundheit, Qi Gong, Meditation und Tanz.“

Beim Basenfasten wird von einer Übersäuerung des Körpers ausgegangen, die verantwortlich für Entzündungen sein kann. Dem wird entgegengewirkt, indem ausschließlich basische Nahrung konsumiert wird. Hierbei wird auf tierische Produkte und sonstige „saure“ Lebensmittel verzichtet. Eine besondere Art des Basenfastens wurde von der berühmten Heilkundlerin Hildegard von Bingen entwickelt. Das Hildegard-Fasten ist besonders sanft und somit von den meisten Menschen praktizierbar. Auch hier wird nicht vollkommen auf Nahrung verzichtet, sondern drei kleine Mahlzeiten pro Tag eingenommen. Erlaubt sind Nahrungsmittel wie Habermus, Fastensuppe, Honig und Kräutertee. Christa Peer, Hildegard von Bingen Coach im Vitalhotel Pirchnerhof, ist vom Mehrwert dieser Kur überzeugt: „Das Hildegard-Fasten bringt neue Aspekte in unser Leben. Durch den bewussten Verzicht, das Reduzieren von Dingen, die wir nicht brauchen, schaffen wir Freiräume. Wenn wir das rechte Maß wiederfinden, sind wir sensibler für eine gesunde Lebensweise in der Zukunft.“ Im Biohotel Grafenast wird das Basenfasten von Andrea Fleischmann mit Bergwanderungen und Wellness kombiniert. Der Hausherr Peter Unterlechner betont, dass in der Bioküche des Hotels Grafenast viel Wert auf pflanzliche Ernährung gelegt wird und man auf individuelle Unverträglichkeiten jederzeit eingeht.

Das ayurvedische Fasten orientiert sich an der indischen Heilkunde. „Das Ziel der ayurvedischen Fastenkur ist es, den Körper zu entgiften, Schlacken loszuwerden und das ‚Agni‘ – das Verdauungsfeuer - zu stärken.“, so Elisabeth Mauracher, die das European Ayurveda Resort Sonnhof in zweiter Generation leitet. „Ganz im Sinne des Prinzips der Longevity verfolgen wir mit ‚European Ayurveda‘ den ganzheitlichen Ansatz des Älterwerdens und zeigen Wege für ein erfülltes und langes Leben, bei dem auch die Verdauung und der Stoffwechsel eine große Rolle spielen. Das vielfältige Programm reicht von der AyurDetox-Kurzreinigung über intensive Entschlackungsprogramme und Jungbrunnen-Regenerationswochen bis hin zur Rasayana- und der Pancha-Karma-Kur.“ Auch im Biohotel Grafenast wird ayurvedisches Fasten basierend auf der Tri-Dosha-Lehre angeboten. Die Expertin Isolde Ackermann setzt auf sanfte Reinigung kombiniert mit Yoga und Achtsamkeit.

Das Heilfasten nach Dr. Buchinger beinhaltet den Verzicht auf feste Nahrung, erlaubt sind (frischgepresste) Säfte und Fastensuppen. Wichtig sind auch Themen wie Entschleunigung und die Besinnung auf das Wesentliche. Beim Fastenwandern mit Andrea Fleischmann im Biohotel Grafenast wird neben dem Basenfasten auch das Fasten nach Buchinger angeboten und durch ein vielseitiges Rahmenprogramm abgerundet.

Was neben einer Reduktion der Nahrungsaufnahme allen Kuren gemeinsam ist, ist deren ganzheitlicher Ansatz. Beim Fasten geht es nämlich um sehr viel mehr als nur um Nahrung. Dr. Otto Buchinger, der Begründer des Heilfastens, sprach von einer „Diätetik der Seele“: Das Fasten wird als Auszeit vom Alltag verstanden, in der man Stress vermeidet und sich bewusst den Dingen widmet, die üblicherweise auf der Strecke bleiben. Die Philosophie des Fastens ist, dass Verzicht gewinnbringend sein kann – man lässt Altes los, um Raum für Neues zu schaffen. Sanfte körperliche Betätigung (zum Beispiel durch Yoga oder Wandern) und Zeit in der Natur zu verbringen sind wichtig, um die Fastenzeit als ganzheitliche Reinigung zu erfahren. Insbesondere körperliche Aktivität soll die Wirksamkeit der Fastenkur maßgeblich beeinflussen. Auch die Achtsamkeit ist ein zentraler Bestandteil von Fastenkuren – indem man bewusst Zeit mit sich selbst verbringt, beispielsweise in Form von Meditation, hat man die Chance, über seine Gewohnheiten zu reflektieren, sich selbst und seine eigenen Bedürfnisse besser kennenzulernen.

In einem Alltag, der von Überreizung und Überdruss geprägt ist, werden Verzicht und bewusster Konsum zum reizvollen Gegenpol. Das Fasten kann als Neustart fungieren, sowohl auf körperlicher als auch auf geistiger Ebene. Es kann dich dir selbst wieder näherbringen und dir eine neue Perspektive eröffnen. Neugierig auf den Selbstversuch geworden? Grundsätzlich lässt sich Fasten einfach in den Alltag integrieren. Es kann jedoch sehr hilfreich sein, sich eine kleine Auszeit zu nehmen, um sich richtig auf die Erfahrung einlassen zu können und somit bestmöglich davon zu profitieren. Wer sich auf dem Weg des Fastens Unterstützung wünscht, wird in Tirol mit einem vielseitigen Angebot versorgt. Von informativen Vorträgen über professionelle Beratungen, Fasten-Wanderungen und geführte Kuren mit ausgiebigem Rahmenprogramm ist wirklich für alle etwas dabei!

Hotels-Tipps für den Fastenurlaub:
Biohotel Grafenast
Bildungshaus St. Michael
Hotel Pirchnerhof
European Ayurveda Resort Sonnhof

Text: Anna Kirchler, Fotos: Biohotel Grafenast, Ayurveda Resort Sonnhof, St. Michael/Vanessa Rachlé