Zurück auf dem Boltzplatz!

Innsbruck dürfte einer der "Lieblingsboltzplätze" der Toten Hosen sein: Immerhin beehrten die Düsseldorfer Punkrock-Heroes die Tiroler Landeshauptstadt seit 2012 zum dritten Mal mit einem Konzert. Im Rahmen der "Zurück auf dem Boltzplatz" Sommertour wurde einmal mehr die Olympiaworld zur Spielstätte auserkoren. Wenn man sich die Dimension des "Hosen-Kultes" veranschaulichen möchte: Das Innsbruck-Konzert am 28. Mai 2012 in der binnen kürzester Zeit komplett ausverkauften Dogana im Congress diente als "Warm-Up" für die deutschen Mega-Open-Air-Festivals, auf denen die Hosen (dann zumeist) als Headliner auftraten! Nun, nach den zwei Hammerveröffentlichungen "Ballast der Republik" und "Laune der Natur", quasi im "Herbst" der langen Karriere angekommen, sind die Düsseldorfer immer noch ein Garant für volle Hallen und beste Unterhaltung. So auch am Abend des 15. August, quasi als Abschluss des Feiertages: Die Olympiaworld ist rappelvoll, rund 9.000 Fans aus Nah und Fern sind gekommen, um mit den Hosen eine weitere Party zu feiern.

Als Opener starten "The Bar Stool Preachers" aus Brighton in England. "Oberhose" Campino lässt es sich nicht nehmen, die Vorband höchstpersönlich selbst anzukündigen und sich als Fan der Band zu outen. Später holte Campino deren Frontman T.J. McFaull im Set der Toten Hosen auf die Bühne, um mit Campino den Punk-Klassiker "Where Are They Now" der Cock Sparrer zu singen. Dieses Lied, so erklärte Campino, stammt aus der Feder von McFaulls Vater Colin, der wiederum mit den Hosen den Kracher für deren Cover-Album "Learning Englisch Lesson 2" aufgenommen hat. Dieses Duett war ebenso unterhaltsam wie die kurzweilige Darbietung der Bar Stool Preachers, die sich hier in Innsbruck einige neue Freunde erspielen konnten.

Um 21.00 Uhr starten dann die Helden des Abend mit "Urknall" - definitiv der fette Opener! Soundmäßig gibt`s anfänglich ein paar Abstimmungsprobleme, richtig laut ist es auch nicht, aber egal: Die Fanchöre, die jeden Refrain textsicher mitsingen, sind ohnehin hörenswert. Eine Band wie die Hosen, die seit 35 Jahren zusammen erfolgreich Musik macht und tourt, hat natürlich oder gezwungenermaßen ein unfassbares Archiv an Livekrachern und Hits im Talon. Diese werden auch heute in der mit sauna-ähnlichen Temperaturen ausgestatteten Olympiahalle gnadenlos angestimmt und abgefeuert. So begeistern "Liebeslied", "Hier kommt Alex" oder "Steh auf, wenn du am Boden bist" die Massen ebenso wie die Neuware ala "Laune der Natur", "Wannsee" oder "Unter den Wolken", das Campino allen Trumps, Erdogans und "den ganzen anderen Wahnsinnigen" widmet, und die Leute zum "Durchhalten" ermuntert - eine Botschaft, die mit frenetischem Jubel angenommen wird. Beim ebenfalls auf der neuen CD "Laune der Natur" vertretenen "Wieviele Jahre (Hasta la muerte)" flimmern alte und ganz alte Bilder der Band über die riesigen Videowalls, nimmt sich die Band doch ironisch (anhand von Breitis Geburtstag) selbst aufs Korn. Tatsächlich fällt auf, dass die Hosen eine Menge aktueller Nummern ins Live Set mit einpacken, wohltuend im Gegensatz zu anderen großen Bands, deren Liveaktivitäten leider sehr oft auf das Verwalten der eigenen, teils schon Jahrzehnte alten Klassiker beschränkt sind! Kleine Patzer beim Spielen, oder die gelegentliche Unachtsamkeit von Campino, der offenbar parallel das Livematch seines erklärten Lieblingsclubs Liverpool mit ansieht, fallen nicht ins Gewicht und offenbaren die wahre Strahlkraft der Punklegenden aus Düsseldorf: Die perfekte Unterhaltung für mindestens zwei Generationen! Die Mischung aus treibender Musik mit Punkrockversatz, Texten, deren Bandbreite von Saufhymnen bis "inhaltschwer-melancholisch" reicht ("Warum sind eure Liebeslieder immer so traurig?" O-Ton Campino), gepaart mit der Energie der Band und einem der besten Liveunterhalter der Gegenwart, das dürften die Erfolgsingredienzien der Toten Hosen sein.

Zum Durchschnaufen gab es fast nichts, Campinos berührende Erinnerung an seinen verstorbenen Vater "Draußen vor der Tür", die den ersten Zugabenblock eröffnete, und "Alles passiert" waren die ruhigeren Ausnahmen. Klar, dass bei den Zugaben die "Zehn kleinen Jägermeister" aufmarschierten und "Schönen Gruß, auf Wiederseh'n" nicht fehlen durfte. "Paradies", das Clash - Cover "Should I Stay Or Should I Go Now" und zum "Grande Finale" die vom Radio längst totgespielte Jahrhundertwuchtel "Tage wie diese" (das von Luftschlangengeballere und Nebelmaschinen begleitet wurde) sowie das obligatorische "You'll Never Walk Alone" machten nach rund zwei Stunden den Sack endgültig zu. Die Toten Hosen erwiesen sich hier in der größten Sauna Westösterreichs einmal mehr als perfekte und sympathische Liveband, und so ist zu erwarten, dass das "alte Fieber" wohl noch einige Zeit weiterbrennen wird und die Düsseldorfer bald mal wieder zu Gast am grünen Inn sind!

Text & Fotos: Bernhard Schösser


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